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Der Schädel des Kostenki 14 Mannes, der vor 36000 Jahren in Westsibirien in der Nähe des heutigen Ortes Kostenki lebte.

© Peter der Große Museum

Erbgut-Botschaft aus der Steinzeit: Auch Sibirer sind Europäer

Vor 37000 Jahren starb in Westsibirien ein Mann, dessen konserviertes Erbgut jetzt Aufschluss über die Ahnen von Europäern und Asiaten gibt.

Im Erbgut heutiger Europäer sind noch Spuren der ersten aus Afrika eingewanderten anatomisch modernen Menschen zu finden. Das zeigt die Analyse von Erbgut aus Knochen eines Mannes, der vor etwa 37 000 Jahren im europäischen Teil des heutigen Russlands lebte. „K14“ sei einer der ältesten Funde eines anatomisch modernen Menschen in Europa, berichten Forscher im Fachblatt „Science“. Ähnlichkeiten mit Menschen aus Ostasien fanden sie nicht. Das belege, dass sich die westeurasische und die ostasiatische Linie schon vor mindestens 36 200 Jahren getrennt hatten.

Erbgut aus dem Schienbein

Experten gehen davon aus, dass die Vorfahren der heutigen Eurasier, also der Bewohner Europas und Asiens, vor etwa 60 000 bis 50 000 Jahren Afrika verlassen haben und sich dann auch in Richtung Europa ausbreiteten. Vor 40 000 Jahren hatten sich bereits verschiedene Kulturen anatomisch moderner Menschen über Russland, Georgien, Bulgarien und Südeuropa bis nach Großbritannien hin verbreitet, schreiben die Autoren. Inwieweit die frühesten Eurasier zum Genpool heutiger Europäer beigetragen haben, ist unter Wissenschaftlern bisher umstritten.

Die Position des Kostenki-14-Skeletts, aus dessen Schienbein Erbgut für eine Abstammungsanalyse entnommen wurde, in seinem Grab.
Die Position des Kostenki-14-Skeletts, aus dessen Schienbein Erbgut für eine Abstammungsanalyse entnommen wurde, in seinem Grab.

© Philip Nigst, University of Cambridge/MPI für Evolutionäre Anthropologie, Leipzig

Das internationale Forscherteam um Andaine Seguin-Orlando von der Universität Kopenhagen analysierte nun Erbgut aus dem Schienbein eines Mannes, dessen Überreste 1954 im Westen Russland gefunden worden waren. Das Alter der Knochen wurde auf 38 700 bis 36 200 Jahre datiert, der Mann lebte somit im Jungpaläolithikum. Die Wissenschaftler verglichen Merkmale seines Erbguts mit denen anderer früher Menschen und mit denen heute lebender.

Ähnlichkeit mit Sibirern und Europäern

Es zeigte sich, dass das Erbgut Ähnlichkeit mit dem 24 000 Jahre alten Knochen eines Jungen aus Zentralsibirien und mit dem europäischer Jäger und Sammler aus der Mittelsteinzeit aufweist. Die Mittelsteinzeit begann vor etwa 9600 Jahren und dauerte bis vor etwa 5500 Jahren. Auch im Erbgut von heute im westlichen Sibirien und in verschiedenen Regionen Europas lebenden Menschen fanden die Wissenschaftler Merkmale des Erbguts von „K14“. Im Jungpaläolithikum gab es eine Zwischenpopulation, die sich zeitweise von Europa nach Zentralasien erstreckte, folgern die Forscher. Mehrfach, vermutlich fortwährend, kam es in beide Richtungen zu einem Genfluss zwischen den einzelnen Teilpopulationen.

„Dieses Ergebnis hat mich sehr überrascht“, sagt Philip Nigst, Archäologe an der Universität Cambridge und am Max- Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig, der an der Untersuchung beteiligt war. „Bisher war einfach nicht klar, inwieweit die einzelnen Populationen miteinander in Kontakt standen. Sie müssen sich aber tatsächlich immer wieder miteinander vermischt haben. Neuen genetischen Input, zum Beispiel aus dem Nahen Osten oder Afrika, gab es bis vor etwa 10 000 Jahren kaum.“

Die Lage änderte sich, als vor 8000 Jahren die ersten Bauern aus dem Nahen Osten kamen und sich samt ihrer sesshaften Lebensweise in Europa ausbreiteten. „Die Bauern haben sich mit den existierenden Wildbeuter-Populationen vermischt. Genetisch gehen die modernen Europäer heute zum großen Teil auf diese Bauern zurück“, sagt Nigst. (dpa)

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