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Eileen Alex studiert Veterinärmedizin. An den Geruch des Formalins beim Sezieren hat sie sich inzwischen gewöhnt.

© Thilo Rückeis

Erstsemester-Serie, Teil 2: „Das Studium ist überraschend gut“

Hilfsbereite Profs, knüppelvolle Seminare, sezierte Hirne: Wie drei Erstsemester in Berlin die Universität erleben. In Teil 2 können sie schon von ersten Prüfungen, Highlights und Enttäuschungen berichten.

Vor zwei Monaten waren sie noch gespannt auf den Semesterbeginn: die drei Erstsemester, die im Tagesspiegel von Zeit zu Zeit über ihre Erfahrungen beim Studienstart berichten. Heute können sie schon von ihren ersten Prüfungen erzählen und davon, wie sich ihr Sozialleben entwickelt.

Eileen Alex, 19, studiert Veterinärmedizin an der Freien Universität

Mein erster Eindruck

Der erste Tag begann mit einem Schreck. Die Schlösser unserer Schränke vor dem Saal für den Präparationskurs wurden aufgebrochen. Mein Schrank war auch darunter, mein Handy und hundert Euro wurden geklaut. Ich hatte so viel Geld dabei, weil ich mir ein Anatomie-Lehrbuch und Klingen für mein Skalpell kaufen wollte. Doch das blieb das einzige negative Erlebnis. Ich muss zwar sehr viel lernen, manchmal muss ich mich abends zwingen aufzuhören. Aber der Stoff ist interessant und spannend, das entschädigt für die Anstrengungen. Am gespanntesten war ich aufs Sezieren. Man hört immer, dass Leute dabei umkippen. Aber so schlimm ist es nicht, man gewöhnt sich sogar an den Geruch des Formalins. Meine Gruppe arbeitet an einer Katze, andere präparieren Hunde. Letztens haben wir ein Gehirn präpariert, das steckt man inzwischen einfach weg. Das erste Testat habe ich schon bestanden. Das wird angeblich locker bewertet. Vor dem nächsten habe ich Bammel.

So voll ist es in der Uni

Im Fernsehen habe ich gesehen, wie Studenten in anderen Unis auf dem Boden sitzen. So übervoll ist es bei uns nicht. Man versucht, in jeder Stunde anwesend zu sein, um nichts zu verpassen. Beim Sezieren sind wir in unserer Präparationsgruppe zu sechst, da kann also jeder viel machen. Gut ist, dass wir auch nach den Stunden selbstständig dort weiterarbeiten können. Das ist oft nötig, um den Stoff zu durchdringen.

Das soziale Leben

Von Anfang an wurde uns gesagt, wir sollten Lerngruppen bilden. So habe ich schnell Anschluss bekommen. Auch meine Mitbewohner im Studentenwohnheim in Schlachtensee sind total nett. Mit meinem Zimmer bin ich für den Übergang zufrieden, obwohl es mit 13 Quadratmetern klein ist. Ich bin aber gespalten, ob ich da bleiben soll. Es ist schon sehr weit draußen. Andererseits habe ich im nächsten Semester viele Kurse in Düppel, da liegt das Wohnheim ideal. Ich würde bald auch gerne jobben. Bafög bekomme ich nämlich nicht, ich kriege ein wenig Geld von meinen Eltern und habe etwas Erspartes. Wen ich in Berlin vermisse, ist meine Familie in Recklinghausen. Ich versuche, so oft es geht mit ihr zu telefonieren.

Seite 2: Julius Wolf, 24, studiert Anglistik und Geschichte - und ist überrascht über das anregende Studium.

Julius Wolf studiert in Potsdam. Falls er sein Lernpensum nicht zuhause schafft, nutzt er die eine Stunde Zugfahrt von Berlin.
Julius Wolf studiert in Potsdam. Falls er sein Lernpensum nicht zuhause schafft, nutzt er die eine Stunde Zugfahrt von Berlin.

© Kitty Kleist-Heinrich

Sophie F. studiert an der TU. Sie wundert sich, dass es so wenige Berliner unter den Mitstudenten gibt.
Sophie F. studiert an der TU. Sie wundert sich, dass es so wenige Berliner unter den Mitstudenten gibt.

© Doris Spiekermann-Klaas

Julius Wolf, 24, studiert Anglistik und Geschichte an der Universität Potsdam

Mein erster Eindruck

Die Schule machte mir in den Jahren vor dem Abitur nicht mehr viel Spaß, und ich war mir nicht sicher, ob das anders werden wird. Umso überraschter bin ich jetzt, dass mir die Uni wirklich gut gefällt. Das liegt vor allem an der Anglistik. Die Einführungsveranstaltungen, die ich belege, sind einfach interessant. Manche, wie Cultural Studies, gehen weit über das hinaus, was ich in der Schule hatte. Nur mein zweites Fach Geschichte langweilt mich ein bisschen. Mir wird immer klarer, dass ich das wechseln will. Überfordert fühle ich mich nicht. Die Dozenten unterstützen uns: Ich habe bei keinem das Gefühl, er würde nicht weiterhelfen, wenn man eine Frage hätte. Viel zu tun ist auf jeden Fall. Immerhin bleibt mir immer die eine Stunde Zugfahrt nach Potsdam, sollte ich es mal nicht schaffen, einen Text zu Hause vorzubereiten.

So voll ist es in der Uni

Die Vorlesungen in Geschichte sind knüppelvoll, die Leute stehen dort am Rand und sitzen auf den Gängen. Im Linguistikseminar machen 80 Leute mit, da kann man dann nicht mehr von einem Seminar sprechen. Aber es gibt auch das Gegenteil: In einigen Seminaren sind wir nur zwanzig. Und ein Kurs, der am Anfang überlaufen war, hat sich schon jetzt sehr geleert. Erstaunlicherweise ist es der, wo wir wissenschaftliches Arbeiten lernen. Man sollte denken, dass das ein Muss ist. Ich gehe da weiter hin.

Das soziale Leben

Neue Leute kennenzulernen ist einfach: Man geht hin oder setzt sich in der Mensa zu ihnen, fragt sie, was sie machen, und schon ist man im Gespräch. Ein Problem ist allerdings, dass viele in Potsdam wohnen und nicht wie ich in Berlin. Sie gehen dann auch abends in Potsdam weg. Das würde ich wiederum nicht machen, Berlin gefällt mir einfach besser, und abends aus Potsdam nach Hause zu kommen ist schwierig. Und meine Wohnung in Berlin würde ich nicht aufgeben. Insgesamt ist mein Zeitplan ohnehin eng. Ich habe mir meinen Stundenplan zwar so gelegt, dass ich Dienstag und Freitag keine Veranstaltungen habe. Ich arbeite aber an zwei Tagen in der Woche in einem Studentenjob für die Online-Community des Tagesspiegels. Der Job macht Spaß, und finanziell schadet es nicht. Meine Eltern geben mir schon Geld, aber ein bisschen mehr braucht man ja immer.

Seite 3: Sophie F., 19, studiert Physik. Sie will ihr Fach wechseln, obwohl es ihr Spaß macht.

Sophie F., 19, studiert Physik an der Technischen Universität

Mein erster Eindruck

Die große Panik hat mich bisher nicht überkommen. Klar, es gibt große Unterschiede zur Schule. Wir müssen Themen schneller verstehen und sie sofort anwenden. Man muss mehr zuhören und kann seltener mitmachen. Das finde ich aber gar nicht schlecht, obwohl es dadurch schwieriger wird einzuschätzen, wo man gerade steht. Durch die Schule fühle ich mich ziemlich gut vorbereitet. Auch in Mathematik, was mir am Anfang Sorge machte, komme ich gut mit. Für Physik hatte ich mich ja eingeschrieben, weil ich in mein Wunschfach Physikalische Ingenieurwissenschaften nicht reinkam. Dahin will ich weiterhin wechseln. Das bedeutet gar nicht, dass mir Physik keinen Spaß macht. Ganz im Gegenteil: Mein Projektkurs zur Experimentalphysik ist sehr interessant, weil er am nächsten ans wissenschaftliche Arbeiten rankommt. Ein bisschen zu theoretisch ist das aber doch. Ein Wechsel zu den Ingenieuren wäre da gut, und ich habe schon einen Kurs belegt, den ich mir anrechnen lassen könnte.

So voll ist es in der Uni

Im Projektkurs sind wir nur sieben Leute, das ist so festgelegt. In den Vorlesungen war es am Anfang dagegen ziemlich voll. Jetzt kommen deutlich weniger, es bleiben im Hörsaal immer Plätze frei.

Das soziale Leben

Das Tollste ist, wie schnell man neue Kontakte knüpft, sei es in der Vorlesung oder in der Mensa. Das ist wie ein großes Netz, das da entsteht. Erstaunt hat mich, wie wenige Studenten aus Berlin kommen. Dafür haben wir viele Kommilitonen aus dem Ausland, ich kenne schon einen Spanier, eine Dänin und eine Italienerin. Schwieriger ist es, mit meinen alten Freunden Kontakt zu halten, was mir sehr wichtig ist. Einige davon sind gerade im Ausland, oder sie sind in andere deutsche Städten gezogen. Auch in meinem Schwimmverein kann ich nicht mehr so oft trainieren. Ich schaffe das höchstens drei- bis viermal in der Woche anstatt wie früher sieben- bis neunmal. Eines wird sich nicht ändern: Ich bleibe erst mal bei meinen Eltern in Zehlendorf wohnen. Eine eigene Wohnung könnte ich mir nicht leisten. Und für einen Job neben der Uni fehlt mir die Zeit.

Anmerkung der Redaktion: Da sich das Studium von Sophie inzwischen in eine andere Richtung entwickelt hat, verzichten wir anders als in der ursprünglichen Version des Textes hier auf ihren vollen Nachnamen.

- Protokolliert von Tilmann Warnecke.

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