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Etat der Rüstungsforschung gestiegen: „Schussgeräte“ aus den Hochschulen

Deutsche Hochschulen forschen auch für das Bundesverteidigungsministerium - teilweise im großen Stil. Seit dem Jahr 2010 haben sich das Budget und die Zahl der Forschungsaufträge an Unis und außeruniversitäre Institute verdoppelt.

Das Bundesverteidigungministerium gibt deutlich mehr Geld für Rüstungsforschung an Hochschulen und außeruniversitären Instituten aus als noch vor wenigen Jahren. Das berichten die „Süddeutsche Zeitung“ und der Radiosender NDR Info aus einer vertraulichen Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken im Bundestag.

Seit dem Jahr 2010 sind demnach 390 Millionen Euro für 700 Aufträge an öffentliche Forschungseinrichtungen geflossen, also jährlich doppelt so viel wie in den Jahren 2000 bis 2010. Seither seien 120 Aufträge mit einem Volumen von über 28 Millionen Euro an Hochschulen gegangen. Außeruniversitäre Einrichtungen hätten 588 Aufträge mit einem Gesamtvolumen von 360 Millionen Euro bekommen. Finanziert worden seien Forschungen „an Drohnen, Geschossen und Militärrobotern“, an „intelligenter Munition, Handfeuerwaffen, Funktechnologien“ sowie „an nichttödlichen Schuss- und Wurfgeräten“, berichtet die „SZ“ in ihrer Montagsausgabe (hier geht es zum Artikel). Im vergangenen November war durch Recherchen der „SZ“ und des NDR bekannt geworden, dass deutsche Hochschulen auch im Auftrag des Pentagon militärdienliche Forschung betreiben. Seit dem Jahr 2000 flossen demnach mehr als zehn Millionen US-Dollar an 22 deutsche Hochschulen.

Den größten Anteil bekam die Universität Hannover

Aus dem deutschen Verteidigungsetat hat die Universität Hannover in den vergangenen vier Jahren den größten Anteil der Mittel bekommen, 5,8 Millionen Euro, berichtet die „SZ“. An die Universität Kiel seien drei Millionen Euro geflossen und an die Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg 2,2 Millionen Euro. Insgesamt bekamen dem Bericht nach 41 Hochschulen Geld für Rüstungsforschung vom Ministerium.

Kai Gehring, Sprecher für Wissenschaft der Grünen im Bundestag, erklärte am Montag, Rüstungsforschung „in dieser Dimension“ sei „angesichts der Sicherheitslage Deutschlands und Europas unangemessen“. Auch müsse das Verteidigungsministerium seine „Geheimniskrämerei“ beenden.

Ob auch Berliner Hochschulen Geld vom Verteidigungsministerium bekommen haben, blieb offen. Allerdings hat die FU im Jahr 2011 nach einer früheren Darstellung des Verteidigungsministeriums 78 000 Euro für zwei wehrtechnische Vorhaben bekommen. Worum es sich dabei handelte, konnte oder wollte die FU-Pressestelle damals auf Anfrage des Tagesspiegels nicht ermitteln. Die Hochschulen dürfen aufgrund einer Verschwiegenheitspflicht Details über Rüstungsforschung auch nicht verraten.

"Forschen nur zu zivilen Zwecken" - und für die Bundeswehr

In Deutschland haben über ein Dutzend Hochschulen Zivilklauseln unterschrieben, mit denen sie sich selbst verpflichten, nur zu zivilen Zwecken zu forschen. Dazu gehören auch die Unis Tübingen, Konstanz, Frankfurt am Main, Rostock und Göttingen, die dem Bericht nach Rüstungsforschung für die Bundesregierung betreiben. Einen Konflikt sieht das Verteidigungsministerium aber nicht. Im veröffentlichten Teil der Antwort auf die Anfrage der Linken vom März erklärt es: „Die Freiheit von Forschung und Lehre ist ein hohes Gut.“ Auch das Bekenntnis zur Bundeswehr sei im Grundgesetz verankert.

Zivilklauseln sind umstritten. Sie gelten als Eingriff in die Forschungsfreiheit. Erst recht, da Forschungsergebnisse sich später auch militärisch nutzen lassen, wenn sie gar nicht mit Blick auf das Militär entwickelt wurden („dual use“), wird argumentiert. Am Fachbereich Politik- und Sozialwissenschaften der FU waren Studierende vor einem Jahr mit einem Antrag auf eine Zivilklausel gescheitert.

Akademien und DFG: Wissenschaft soll sich selbst regulieren

In ihren Empfehlungen zu „Wissenschaftsfreiheit und Verantwortung“ haben die Nationale Akademie und die DFG sich vor einem Monat auch zu „sicherheitsrelevanter Forschung“ geäußert. Den Wissenschaftlern wird empfohlen, mögliche Risiken zu bedenken und zu minimieren. Gesetze seien wenig hilfreich, vielmehr müsse sich die Wissenschaft selbst regulieren.

Anmerkung der Redaktion: In der ersten Version hieß es fälschlicherweise, die Universität Heidelberg bekomme die meisten Mittel für Rüstungsforschung aus dem Verteidigungsetat. Das ist falsch. Die Universität Heidelberg bekommt keine Mittel aus dem Verteidigungsministerium. Die größte Summe ging an die Universität Hannover. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen

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