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Schön praktisch. Handtaschen sind für Frauen zu Statussymbolen geworden. Männer haben historisch ein ambivalentes Verhältnis zur Handtasche. Aktuell kündigt sich ein Comeback der Herrenhandtasche an – im Jutebeutel der Hipster und dem Messenger-Bag.

© Reuters

Evolution der Handtasche: Liebling der Frauen

Vom mittelalterlichen Säckchen zum Luxusgut: Die Geschichte der Handtasche ist lang – und geht weiter. Offensichtlich finden auch Männer wieder mehr Gefallen am Tragen von Taschen.

Sie kann klein sein oder groß, weich oder hart, am Henkel getragen werden oder am Riemen über der Schulter, sie kann mit glänzenden Goldkettchen verziert sein oder schlicht und elegant daherkommen: Die Handtasche ist ein Ding für Frauen. Nicht wenige Damen sind bereit, sich für ihre Lieblinge in halsbrecherische Unkosten zu stürzen. Für eine normale Henkeltasche von Louis Vuitton legt frau 600 Euro aufwärts auf den Ladentisch; 16-mal-25-Zentimeter-Chanel-Täschchen sind ihr 3000 Euro wert, und für die Klassikerin der Klassischen, die Kelly Bag von Hermès, zahlt die Kundin – Wartezeit inklusive – ab 3800 Euro aufwärts.

Dass Taschen Kultobjekte für Frauen sind und insgesamt eher das weibliche Geschlecht symbolisieren, ist nicht immer so gewesen. Die früheren Zeiten kannten Beutel und Säckchen von Männern wie Frauen getragen, und über die längste Zeit in der Geschichte trug man Taschen recht praktisch am Gürtel oder auch als Umbindetaschen unter der ausladenden Kleidung. Natürlich gab es Unterscheidungen nach Geschlecht, zum Beispiel was die Form und Motive von Stickereien auf Beuteln und Börsen angeht. Aber sehr strikt war diese Grenze nicht, wie man beispielsweise im unlängst erschienenen Band „Taschen. Eine europäische Kulturgeschichte 1500 bis 1930“ gut sehen kann. Die reich bestickten Jagdtaschen, wie sie die Herren des Adels im 17. und 18. Jahrhundert verwendeten, würden heute gut und gerne als Damenhandtaschen durchgehen.

Mit prall gefüllten Geldbeuteln und Geldtaschen demonstrierte ein aufsteigendes Bürgertum ab dem 16. Jahrhundert Reichtum und Wohlstand. Frauen trugen diese Beutel an langen Bändern, die am Rock herabhingen, bei Männern waren sie direkt am Gürtel befestigt. Der Unterschied der männlichen und weiblichen Trageweise hatte vor allem funktionale Gründe, erklärt der Kostümforscher Johannes Pietsch, der das Thema untersucht hat und kürzlich eine Ausstellung zur Geschichte der Handtasche am Bayrischen Nationalmuseum in München kuratierte: Die Herren trugen kurze Hosen, da wären die herabhängenden Beutel unpraktisch gewesen, bei den Damen machten sie sich aber gut und repräsentativ am Rocksaum. Der Begriff „Beutelschneider“ stammt daher, dass Diebe die offen getragenen Taschen von Gürteln und Bändern abzuschneiden pflegten.

Ein Behältnis für Stickzeug - noch ohne Henkel

Dreier Stationen in der Modegeschichte bedurfte es, um aus der Tasche für beide Geschlechter langsam die reine Damenhandtasche zu machen. Erste Vorläufer waren die „Arbeitsbeutel“ des Biedermeier. Das 18. Jahrhundert sah die Damen gerne mit ihnen gemäßer Handarbeit beschäftigt, ihr Stickzeug und was es sonst bei sich zu haben galt, trugen die Frauen damals in Körbchen oder bestickten Zugbeuteln mit sich. Als dann auch noch in der Mode enge Chemisenkleider aus hauchdünnem Musselin aufkamen, blieb keine Wahl mehr, als die Beutel in die Hand zu nehmen oder am Arm zu tragen.

Einmal dort gelandet, blieb das Täschchen dort. Aus dem biedermeierlichen Arbeitsbeutel wurde später – Schritt zwei auf dem Weg zur Handtasche – das „Reticule“. Der französische Begriff stammt vom lateinischen „reticulum“ – Netz –, wurde aber bald schon in „ridicule“, also „lächerlich“ umgetauft, denn einen richtigen Gebrauchswert hatten die Täschchen noch nicht. Oft als Netz gewoben oder aus Stoff genäht, erfreuten sie sich in den 1820er Jahren großer Beliebtheit, kamen zwischenzeitlich wieder aus der Mode, um regelmäßig immer wieder aufzutauchen. Formen des Ridiküls halten sich bis heute.

Es dauerte dann noch einige Zeit, bis der Damentasche auch Henkel wuchsen. Dieser dritte und letzte Schritt auf dem Weg lief parallel zum Aufkommen von Reisetaschen. Johannes Pietsch nennt die Eisenbahn als eigentliche Geburtshelferin der Handtasche. Die bürgerlichen Damen reisten alleine, das Handgepäck, das sie im Zugabteil bei sich haben wollten, brauchte zum besseren Tragen starre Henkel. „Daraus entwickelte sich um 1875 endgültig die Handtasche, weil die Damen sich daran gewöhnt hatten, immer eine Tasche am Henkel mitzutragen“, erklärt Pietsch.

Eine kurze Episode: die Handgelenktasche

Die Herren – zumindest ihre Taschen – blieben bei dieser Entwicklung auf der Strecke. Sobald das Ridikül zum modisch weiblichen Accessoire aufgestiegen war, war die kleine und die verzierte Tasche für den Mann passé. Zudem stellte die bürgerliche Mode des frühen 19. Jahrhunderts den Mann unters Diktat der klaren Sachlichkeit. Er trug nun dunkles Tuch und klare Formen, nichts Besticktes mehr, keine Spitzen, keinen Schmuck. Und keine Handtasche. Die Männermode heute steht immer noch in dieser bürgerlichen Tradition, in gewisser Weise sei sie dort stehen geblieben, wo die Französische Revolution endete, meint Johannes Pietsch. „Als die Handtasche zum modischen Accessoire wurde, haben die Männer aufgehört, Taschen zu tragen, und das zieht sich durch bis heute.“

Im 20. Jahrhundert erlebte die Handtasche dann ihren großen Boom, aus dem kleinen Ridikül wurden große Ikonen. Einige große stilbildende Taschendesigner wie Louis Vuitton, Hermès, Gucci und Prada gingen aus dem Sattlergewerbe hervor und stellten ursprünglich luxuriöses Reisegepäck her, bevor sie dann klassische Handtaschenformen entwarfen, die sie in Variationen bis heute immer wieder aufgreifen, wie etwa die Hermès in den Formen Bolide, Trim oder Plume, die Vuitton Noe oder die Chanel 2.55.

Kleinere Herrentaschen dagegen sind immer noch die Seltenheit und in südlichen Ländern eher vertreten als in Nordeuropa. Hier gab es in den 1980er Jahren einmal eine kurze Mode der Herrentasche mit Handschlaufe, sie war aber schnell als biedermännisch oder auch als „Detlev“, also als schwul verschrien. Männer haben deutliche Probleme mit kleinen Taschen.

Der Stoffbeutel der Hipster als Herrenhandtasche

Doch nichts muss so bleiben, wie es ist. Dass die Handtasche als Symbol für Weiblichkeit und Objekt weiblichen Begehrens gilt, hat viel mit Modeinszenierungen zu tun. Und dass wir Attribute wie klein, weich, glänzend, rund und bunt für „weiblich“ halten und groß, hart, matt, eckig und dunkel für „männlich“, ist zwar vordergründig eine Sache der objektiven Beschreibung, folgt im Grunde aber einem „Gender-Skript“, also einer symbolischen und metaphorischen Geschlechtsbedeutung, die wir den Dingen geben.

Daher könnte der Handtasche für den Mann durchaus eine Zukunft beschieden sein. Als Messenger Bags gehören Taschen ja mittlerweile zur Grundausstattung des virilen young urban style. Auch im beliebten Hipsterstoffbeutel kann man eine Art Handtasche für den Mann entdecken. Zudem scheinen Marken wie Boss, Gucci, Armani, Dolce und Gabbana irgendetwas im Schilde zu führen. Die Ecken an manch teuren Herrentaschen runder, das Leder wird etwas weicher und glänzender, der Shopper für den Mann wird klassischerweise an Henkeln gehalten.

In allem historischen Wandel bleibt etwas gleich und nahezu ewig an der Tasche: Sie ist – für beide Geschlechter – ein höchst persönlicher Gegenstand. Sie ist das Behältnis, in dem wir aufbewahren und mit uns nehmen können, was zu uns gehören soll. Der Rest ist kulturelle Auslegungssache. In der Modegeschichte jedenfalls ist nichts unmöglich, meint Kurator Johannes Pietsch: „Keiner kann vorhersagen, was die Zukunft bringt. Es kann durchaus sein, dass irgendwann auch die Herren die bestickte Handtasche wieder entdecken.“ Die Geschichte der Tasche ist also noch lange nicht zu Ende.

„Taschen. Eine europäische Kulturgeschichte 1500 bis 1930“ und „Taschen 20.–21. Jahrhundert“, Hrsg. Renate Eikelmann, Bayerisches Nationalmuseum München, 2013. – Anna Johnson: Handtaschen. Die Geschichte eines Kultobjekts; Ullmann-Verlag, 2005; 2013 neu aufgelegt

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