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Promoviert und praxiserfahren. Die Voraussetzungen für eine FH-Professur machen die Bewerbersuche schwer.

© HWR Berlin/Klaus Lange

Fachhochschulen: Als Professorin umworben

Fachhochschulen bemühen sich um potenzielle Nachwuchskräfte aus Universitäten und Unternehmen. Gefragt sind speziell Frauen - sie sind bisher unterrepräsentiert.

„Sie kommen zu einem sehr günstigen Zeitpunkt, denn alle Hochschulen in Deutschland haben erheblichen Bedarf an neuen Professoren.“ Es gibt wohl kaum etwas, das junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Deutschland lieber hören würden. Denn trotz der Nachwuchsprogramme, die in den vergangenen Monaten für sie aufgelegt wurden, sind ihre Karriereaussichten noch immer nicht rosig. Tatsächlich aber war dieser Satz unlängst in Berlin zu hören. Andreas Zaby, Präsident der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) und Vorsitzender des bundesweiten Hochschulverbundes UAS7, umwarb wissenschaftliche Mitarbeiterinnen von Unis und Managerinnen aus Berliner und Brandenburger Unternehmen.

Die Fachhochschulen haben „große Nöte“, ihre frei werdenden Professuren zu besetzen, sagte Zaby vor gut 80 Interessentinnen. Im laufenden und im kommenden Jahr werden allein in Berlin 160 FH-Professuren ausgeschrieben, weil die Stelleninhaber in den Ruhestand gehen oder neue Stellen entstehen. Zu der Infoveranstaltung hatten die Frauenbeauftragten der HWR, der Beuth-Hochschule und der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) eingeladen.

Speziell an Frauen richtet sich der Aufruf, weil sie als hoffnungsvolles, aber in vielen Bereichen unterrepräsentiertes Reservoir an qualifizierten Nachwuchskräften gelten. Teilweise müssen Bewerbungsverfahren wiederholt werden, wenn sich nicht mindestens eine Frau beworben hat. Außerdem bilden die Fachhochschulen kaum eigenen wissenschaftlichen Nachwuchs aus, weil sie bislang nicht das Promotionsrecht und weniger Haushaltsmittel für wissenschaftliches Personal unterhalb der Professur haben.

"Zukunftssicherung für Fachhochschulen"

Neue Professorinnen und Professoren zu gewinnen „ist Zukunftssicherung unseres Hochschultyps“, sagt auch Karim Khakzar, Präsident in Fulda und Sprecher der Gruppe der FHs in der Hochschulrektorenkonferenz (HRK). Der Mangel ziehe sich durch alle Fächergruppen. In den Ingenieurwissenschaften und der BWL konkurriere man traditionell mit der freien Wirtschaft und deren Gehältern, derzeit noch verstärkt durch die in Deutschland boomende Konjunktur. Und in Gesundheits- und Pflegeberufen sowie in der sozialen Arbeit bestehe ein grundsätzliches Nachwuchsproblem, weil die Akademisierung vor allem an den Fachhochschulen laufe und es zu wenige Promovierte gebe.

Wie gut ist das Angebot, das die Fachhochschulen machen können? Die an die HWR Eingeladenen jedenfalls sind freudig überrascht, als potenzielle Professorinnen umworben zu werden. „Ich fühle mich willkommen“, sagt Karola Bastini (34), die nach ihrer BWL-Promotion und einem Ausflug in die Wirtschaft akademische Rätin an der Universität Duisburg-Essen ist. Für sie sei eine FH-Professur eine gute Alternative zu einer Juniorprofessur an der Uni, um die sie sich ebenfalls bewirbt. Eine promovierte Werkstoffexpertin, die in der Industrie arbeitet, beklagt „verstopfte Karrierewege“ in ihrem Unternehmen. „Jetzt gucke ich weiter und finde es toll, wie man hier ermuntert wird, sich wirklich auf den Weg zu machen“, sagt die 38-Jährige.

Es gibt "vier K.o.-Kritierien"

Leicht wird der Weg für die meisten nicht, auch wenn anders als an der Uni in aller Regel keine Habilitation verlangt wird. „Vier K.o.-Kriterien“, ohne die es nicht geht, zählt Sünne Andresen auf, die Frauenbeauftragte der HTW: Unabdinglich sind ein zum Fachgebiet der Professur passendes Studium, eine Promotion und mindestens fünf Jahre Berufserfahrung nach dem akademischen Abschluss, davon drei Jahre außerhalb der Hochschule. Nachweisen müssen die Bewerber auch Lehrerfahrung sowie eine besondere Befähigung zum wissenschaftlichen Arbeiten – und neben der Dissertation weitere wissenschaftliche Publikationen.

Die geforderte Doppelqualifikation wird zur doppelten Crux. Postdocs von der Uni fehlt in aller Regel die Unternehmenspraxis, und erfahrenen Praktikern fehlen die Promotion und die Lehrerfahrung. Mit einem jetzt von der HRK empfohlenen Bund-Länder-Programm soll den Fachhochschulen genau dabei geholfen werden.

Der HRK-Senat fordert Mittel, mit denen die FHs eigene Professoren-Programme aufbauen können. Damit sollen Postdocs von den Unis auf eine Teilzeitstelle an der FH wechseln und gleichzeitig in einem Unternehmen beruflich qualifiziert werden beziehungsweise dort anwendungsorientiert forschen, sagt Zaby. Gefragt seien drei- bis sechsjährige Brückenprogramme. Ebenso notwendig seien spezielle Promotionskollegs und hochschuldidaktische Qualifizierungen für hoch qualifizierte Berufspraktiker.

Gefragt ist an FH Berufspraxis - doch das bringen nicht alle mit

Auch vom Wissenschaftsrat wird in der kommenden Woche eine Empfehlung zum Nachwuchsproblem der Fachhochschulen erwartet. Aus dem Gremium ist zu hören, dass man „Brücken und Krücken“ auf dem Weg zur FH-Professur, die die geforderte Berufspraxis von drei Jahren unterschreiten, ablehnen will.

Droht etwa das Modell einer Berufspraxis light oder eines Betriebspraktikums für künftige FH-Professoren? „Im Gegenteil, wir wollen die Qualität hochhalten, indem wir den Kreis derer erweitern, die die hohen Anforderungen an eine FH-Professur erfüllen“, sagt HRK-Vizepräsident Karim Khakzar.

Die Berliner Frauenbeauftragten machen potenziellen Bewerberinnen, die schon eine Promotion mitbringen, Mut: Wenn noch einige Monate im Unternehmen fehlen, solle man ruhig schon antreten, denn die Verfahren seien langwierig, sagt Sünne Andresen. Und bei der Lehrerfahrung zählt, wenn man in der Ausbildung im Unternehmen oder in der Schulung von Mitarbeitern engagiert ist. Aber auch Lehraufträge an Fachhochschulen seien mit einem einschlägigen Studium und erster pädagogischer Erfahrung leicht zu bekommen.

Ein Monatsgehalt von 5288,67 Euro - das löst Raunen aus

Geld von Bund und Ländern fordert die HRK auch für eine Informationskampagne über Karrieremöglichkeiten an FHs. In Berlin haben sie schon mal aus Bordmitteln angefangen. „Sie werden verbeamtet!“, ruft Sünne Andresen aus. Bis zum 50. Lebensjahr ist das möglich. Das Monatsgehalt von aktuell 5288,67 Euro brutto für die Professorenstelle der mittleren Besoldungsgruppe W2 löst im Saal der HWR immerhin ein kleines Raunen aus. Zaby lobt die Hochschulen als familienfreundliche Arbeitgeber, die Professur als „weitgehend selbstbestimmt, was die zeitliche Einteilung angeht“. Nicht zu vergessen die „vielfältigen Forschungsmöglichkeiten“, die Fachhochschulen bieten.

Die Fachhochschule – ein Paradies für Managerinnen, die endlich durchstarten wollen, und für prekär beschäftigte Postdocs? Die Gehaltsunterschiede zu Universitätsprofessoren, die rund 1000 Euro mehr bekommen, und erst recht zur freien Wirtschaft können die Fachhochschul-Vertreter nicht wegdiskutieren.

Hinzu kommt die mit 18 Semesterwochenstunden hohe Belastung in der Lehre, doppelt so viel wie an den Unis. „Das ist nicht wenig, besonders am Anfang“, gibt Andresen zu. „Aber bislang haben es noch alle geschafft.“ Und wer sich in der Forschung engagiert und Drittmittel einwirbt, kann sein Lehrdeputat während des Projekts verringern. Eine wissenschaftliche Mitarbeiterin von der Universität Potsdam sagt: „Lieber 18 Stunden als FH-Professorin unterrichten, als mich weiterhin auf befristeten Stellen an der Uni zu verkämpfen.“

Lesen Sie hier auch ein Interview zur Situation an Berlins Fachhochschulen.

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