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Fehlender Durchblick. Bund und Länder konnten sich auf mehreren "Bildungsgipfeln" nicht darüber einigen, woher zusätzliche Milliarden für die Bildung kommen sollen.

© dpa

Finanzierungskonzepte: Gold für die Bildung

Wie fließt mehr Geld in Kitas, Schulen und Unis? Experten machen Vorschläge: von der Reichensteuer bis zu Studiengebühren.

Wird Deutschland zur „Bildungsrepublik“? Das glauben offenbar nur noch wenige. Erst unlängst ergab eine repräsentative Umfrage von Forsa im Auftrag der Bildungsgewerkschaft VBE, 79 Prozent der Bürger gingen nicht davon aus, dass Bund und Länder bald deutlich mehr für Bildung ausgeben. Dabei waren 84 Prozent der Ansicht, Bund und Länder gäben bislang nicht genug Geld für Bildung aus.

Als Angela Merkel im Sommer vor zwei Jahren eine „Bildungsreise“ antrat und schließlich die Ministerpräsidenten zum „Bildungsgipfel“ einlud, gab es einen ehrgeizigen Beschluss. Bis 2015 sollten die Ausgaben für Bildung von 6,1 Prozent am Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2007 auf sieben Prozent steigen. Doch wie die zusätzlichen Milliarden aufgebracht werden sollen, steht bis heute noch immer nicht fest. Die Länder verweisen auf ihre desolate Haushaltslage.

Was könnte getan werden, damit Merkels „Bildungsrepublik“ doch noch Realität wird? Der Tagesspiegel hat Bildungsexperten der Oppositionsparteien, der GEW und aus der Wissenschaft gebeten, die Finanzierungslücke von den Kitas bis zur Weiterbildung zu beziffern und Vorschläge zu ihrer Deckung zu machen.

Ulrich Thöne, Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW)

Deutschland gibt Jahr für Jahr gut 40 Milliarden Euro zu wenig für die Bildung aus. Das hat vor zwei Jahren eine Studie des Bildungsökonomen Roman Jaich im Auftrag der GEW und des DGB ergeben – selbst wenn die Finanzminister die ganze Zeit damit beschäftigt sind, mit kreativer Haushaltsrechnung nachzuweisen, die Lücke sei viel kleiner. Die Realität? Kommunen stellen das Krippenprogramm in Frage. Der Ausbau der Kindertagesstätten und Ganztagsschulen kommt zu zögerlich voran. Häufig werden Abstriche bei der Qualität des Angebots gemacht. Der Grund: Es mangelt an Geld und qualifizierten Fachkräften. Die Steuersenkungspolitik hat Bund, Länder und Kommunen seit dem Jahr 2000 jährlich im Schnitt gut 40 Milliarden Euro gekostet. Wir meinen: Der Spitzensteuersatz muss erhöht sowie eine Vermögens- und Transaktionsteuer eingeführt werden. Nur dann kommen wir der „Bildungsrepublik“ näher.



Rita Nikolai, Leiterin der Nachwuchsgruppe „Education and Transitions into the Labour Market“ am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB)

Die Höhe der Deckungslücke im Bildungswesen ist bekannt: Nach Berechnungen des Bildungswissenschaftlers Klaus Klemm müssten Bund, Länder und Kommunen bis 2015 zusätzlich 12 Milliarden Euro in Bildung investieren. Höhere Bildungsausgaben sind nicht alles. Aber für viele anstehende Reformen wie Krippenausbau, Senkung der Zahl junger Menschen ohne Schul- und Berufsabschluss, Anhebung der Zahl der Studienanfänger oder höhere Weiterbildungsquoten ist mehr Geld nötig. Dafür muss man nicht unbedingt neue Abgabeninstrumente schaffen, wie etwa den diskutierten Solidarbeitrag auf hohe Einkommen. Zunächst sollten wir sichern, dass die durch zurückgehende Schülerzahlen frei werdenden Ressourcen auch in den Bildungshaushalten der Bundesländer bleiben. Ebenso gilt es, bereits bestehende Einnahmemöglichkeiten zu optimieren. Der Bundesrechnungshof beziffert die entgangenen Einnahmen durch den ermäßigten Mehrwertsteuersatz auf rund 24 Milliarden Euro für das Jahr 2008. Warum schaffen wir also nicht den reduzierten Mehrwertsteuersatz ab?

Priska Hinz, bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion und Mitglied des Haushaltsausschusses im Bundestag

Um den OECD-Durchschnitt bei den Bildungsausgaben zu erreichen, müssten jährlich mindestens 20 Milliarden Euro zusätzlich aufgebracht werden. Dann könnte ein Rechtsanspruch auf einen qualitativ hochwertigen ganztägigen Kita-Platz geschaffen werden. Ganztagsschulen könnten flächendeckend ausgebaut werden. An den Hochschulen gäbe es bessere Studienbedingungen. Erwachsene könnten Bafög beantragen, damit Weiterbildung leichter wird. Um das zu erreichen, wollen wir aus den frei werdenden Mitteln des Solidarpaktes einen Bildungssoli machen. Bis 2019 könnten dadurch rund 50 Milliarden zusätzlich in Bildung fließen. Außerdem müssen Länder und Kommunen steuerlich entlastet werden, damit sie mehr in Bildung investieren können. Deshalb wollen wir unter anderem das Ehegattensplitting abschmelzen (Entlastung Länder/Kommunen: etwa 2,5 Milliarden), den Spitzensteuersatz auf 45 Prozent erhöhen (Entlastung Länder/Kommunen: etwa 1,3 Milliarden) und die Senkung des Mehrwertsteuersatzes für Hotels rückgängig machen (Entlastung Länder/Kommunen: etwa 500 Millionen). Außerdem wollen wir die Erbschaftssteuer so reformieren, dass die Länder erhebliche Zusatzeinnahmen erzielen.

Ludger Wößmann, Professor für Bildungsökonomie, Universität München und am Ifo-Institut München

Man mag es nicht hören, aber eine akute „große Krise“ der Bildungsfinanzierung gibt es in dem Sinne nicht. Durch die sinkenden Geburtenjahrgänge sind die finanziellen Ressourcen pro Bildungsteilnehmer gerechnet zuletzt sogar gestiegen. Um qualitativ hochwertige frühkindliche Bildung für benachteiligte Kinder zu finanzieren, sollte die Hochschulbildung verstärkt durch Studiengebühren finanziert werden. Werden diese mit einkommensabhängig rückzahlbaren Krediten kombiniert, dann treffen sie diejenigen, die von der höheren Bildung profitieren. Denn seien wir einmal ehrlich: Für einen Platz an der Uni zahlt man üblicherweise weniger als für einen Kindergartenplatz. Macht das Sinn?

Ernst Dieter Rossmann, Sprecher der Arbeitsgruppe Bildung und Forschung der SPD-Bundestagsfraktion

Das Ziel bleibt, entsprechend internationalen Maßstäben die Bildungsausgaben spätestens 2015 auf sieben Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen. Dafür muss eine jährliche Lücke von mindestens 20 Milliarden Euro geschlossen werden. Die wesentlichen Bildungsleistungen werden von den Ländern finanziert. Diese müssen die demografische Rendite durch rückläufige Schülerzahlen für die Bildung erhalten. Sie müssen für Bildung umschichten und sie brauchen zehn Milliarden zusätzlich durch Bundesentscheidungen. Im Klartext: Die konservativen Länder müssen ihre Blockade gegen die Vermögens- und Erbschaftssteuer für die Bildung aufgeben. Der Bund kann zu einer sozial gerechten Einnahmeverbesserung für die Bildung beitragen, indem er den Spitzensteuersatz auf 49 Prozent erhöht. Außerdem sollte er eine Börsenumsatz- bzw. Transaktionssteuer einführen, also eine kleine Mehrwertsteuer auf alle Finanzgeschäfte. Die zur Währungssicherung obsoleten Goldschätze der Bundesbank sind zum Grundstock einer Bund – Länder – Bildungsstiftung zu machen.

Die Hälfte der Mittel muss in einen zehn-Jahres Masterplan in die Ganztagsschule sowie in Kitas fließen. Ein Viertel müssten die Hochschulen für bessere Lehre und Forschung bekommen. Ein weiteres Viertel flösse in die Erwachsenenbildung.

Rosemarie Hein, Sprecherin für Allgemeine Bildungsfragen der Linken im Bundestag

Die Hans-Böckler-Stiftung hat in einer Studie aufgezeigt, dass es jährlich mindestens 37 Milliarden Euro mehr bei den öffentlichen Bildungsausgaben bedarf. Noch nicht eingerechnet sind die Sanierung der Bildungsgebäude und Mittel für eine deutliche Erhöhung der Bildungsbeteiligung – die wir aber dringend benötigen. Noch nicht eingerechnet ist zudem eine Strukturreform der Ausbildungsförderung, damit zum Beispiel Studierende, die auf Förderung angewiesen sind, endlich nicht mehr mit einem Schuldenberg in den Beruf starten müssen. Die Bundesregierung muss ihre Steuergeschenke an Lobbyverbände, etwa für das Hotelier-Gewerbe, einstellen. Außerdem fordern wir die Wiedereinführung der Vermögenssteuer als Millionärssteuer, eine gerechte Erbschaftssteuer, eine Finanztransaktionssteuer sowie eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes für Bezieher hoher Einkommen.

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