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Schneller Umweg durchs All. Der Raumgleiter trennt sich von der Startrakete und fliegt in 90 Minuten bis nach Australien.

© DLR

Flugzeuge der Zukunft: Abgehoben

Die Flugzeuge der Zukunft sollen leicht und sparsam sein. Langstreckenflieger könnten sogar mit Raketen auf Kurs gebracht werden.

Der Flugverkehr wird weiter zunehmen, trotz Luftverkehrsabgabe und verschärfter Umweltauflagen. Schätzungen der EU-Kommission zufolge wird er sich bis 2020 verdreifacht haben, verglichen mit dem Jahr 2000. Die Ingenieure arbeiten deshalb an Flugzeugen, die sicherer sind, weniger Lärm machen und weniger Treibstoff verbrauchen.

„Bei Passagierflugzeugen wird es künftig einige technische Durchbrüche geben“, sagt Björn Nagel vom Institut für Lufttransportkonzepte und Technologiebewertung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Hamburg. „So werden verstärkt Kohlefasern als Baumaterial benutzt, um die Flugzeuge leichter zu machen und den Treibstoffverbrauch zu senken.“ Die Boeing 787 und der Airbus A350 bestehen bereits großteils aus solchen Fasern. Zudem arbeiten die Ingenieure an Flügeln, die weniger bremsende Luftwirbel entstehen lassen. „Bei Segelflugzeugen gibt es bereits solche Laminarflügel“, sagt Nagel. „Aber Segelflieger sind langsam, für das hohe Tempo, das Strahlflugzeuge erreichen, sind Laminarflügel viel schwerer zu konstruieren.“

Auch neue Triebwerkstypen wird die Zukunft bringen. Die Techniker arbeiten unter anderem am „offenen Rotor“, bei dem die antreibenden Propeller nicht wie bei heutigen Strahltriebwerken umschlossen sind, sondern frei liegen. Offene Rotoren ähneln äußerlich den Propellermotoren älterer Flugzeuge. Sie bestehen aus einem Turbinentriebwerk, das zwei hintereinander liegende Propeller antreibt, die sich gegenläufig drehen. „Dadurch erzielen offene Rotoren einen bis zu 30 Prozent geringeren Treibstoffverbrauch als derzeitige Triebwerke, aber sie neigen zu größerem Lärm“, sagt Nagel.

Ein Konzept, das noch viel weiter in die Zukunft greift, ist der „Spaceliner“, an dem Forscher am DLR-Institut für Raumfahrtsysteme in Bremen arbeiten. Der Spaceliner ist als extrem schneller Passagiertransporter geplant, der in 90 Minuten von Europa nach Australien fliegen kann. Oder in 60 Minuten von Europa nach Amerika. „Mit diesem Konzept koppeln wir uns bewusst von den allgemeinen Trends im zivilen Passagiertransport ab und weichen auf Raumfahrttechniken aus“, sagt Martin Sippel, der die Entwicklungsarbeiten leitet.

Der Spaceliner ähnelt im jetzigen Entwurf den heutigen Spaceshuttles. Er besteht aus zwei Teilen: einem Raumgleiter mit etwa 40 Metern Spannweite, in dem 50 bis 100 Passagiere sitzen, und einer 70 Meter langen Rakete, der sogenannten Boosterstufe. Der Raumgleiter ist an der Boosterstufe befestigt. Beim Start zünden beide gleichzeitig und steigen als Gespann in den Himmel. Wenn die elffache Schallgeschwindigkeit erreicht ist, koppelt die Boosterstufe ab und folgt der Erdanziehung, zurück nach unten. Der Raumgleiter hingegen beschleunigt weiter. Er erreicht seine maximale Geschwindigkeit, etwa 23 000 Kilometer pro Stunde, in hundert Kilometern Höhe. Dann werden die Triebwerke abgeschaltet und der Raumgleiter fliegt antriebslos bis zum Zielflughafen. Dabei kann er den halben Globus umrunden, indem er auf der Erdatmosphäre „hüpft“. Er tritt etwas in die Atmosphäre ein, prallt von ihr ab, fliegt ein Stück durchs All und tritt wieder in die Atmosphäre ein. Das Ganze wiederholt sich mehrfach, bis der Spaceliner schließlich in einen normalen Gleitflug übergeht und das letzte Stück zum Zielflughafen segelt.

In der Zwischenzeit wird die Boosterstufe geborgen, denn sie soll wiederverwertet werden. Wie das genau das erfolgen kann, dazu gibt es bislang nur Überlegungen. Denkbar ist, dass sie aus eigener Kraft, mit Triebwerken, zur Startbasis zurückfliegt. Oder sie wird in der Luft von einem großen Unterschallflugzeug eingefangen und zur Basis geschleppt.

So aufwendig die Vorbereitungen auch sind, der Flug selbst soll klimaneutral sein. Das wollen die Ingenieure erreichen, indem sie den Raketenflieger mit einem Gemisch aus Wasserstoff und Sauerstoff betanken, das im Triebwerk zu Wasser verbrennt. Den Wasserstoff wollen sie mit Hilfe von Solarstrom aus der Elektrolyse von Wasser gewinnen. Sippel ist überzeugt, dass man auf diese Weise genug Treibstoff herstellen kann, um einen regulären Flugbetrieb des Spaceliners aufrechtzuerhalten: „Die Anlagen haben wir heute noch nicht, aber machbar ist das.“

Allerdings ist diese Treibstoffmischung hochexplosiv. Eine Starterlaubnis in dicht besiedeltem Gebiet, wie bei normalen Flughäfen, gilt als aussichtslos. Auch die Lärmbelastung auf den ersten Kilometern ist immens. „Deshalb wird der Spaceliner abseits starten müssen, zum Beispiel von Plattformen im Meer“, sagt der DLR-Wissenschaftler. Die Landung hingegen ist deutlich leiser, denn der Raumgleiter setzt bei Unterschallgeschwindigkeiten im Segelflug auf.

Bis die ersten Passagiere mit dem Spaceliner um den Globus rasen, sind noch einige Hürden zu nehmen. Bis dahin werden noch mindestens 25 Jahre vergehen, schätzt Sippel. Eines der Probleme, die die Ingenieure meistern müssen, ist die Kühlung des Raketenfliegers. Wenn er aus dem All in die Erdatmosphäre eintritt, erhitzt sich seine Außenseite sehr stark. Der Rumpf soll darum von porösen Keramikkacheln bedeckt sein, die auf ihrer Innenseite mit Wasser in Kontakt stehen. Wenn sich die Kacheln beim Flug erhitzen, tritt das Wasser durch die Poren nach außen, verdampft auf der Oberfläche und hält so die Kacheln kühl. „Der Vorteil dieser Technik ist, dass immer genau so viel Wasser durch die Poren nachkommt, wie an der Oberfläche verdampft; dadurch wird die Außenseite des Fliegers nie wärmer als 100 Grad Celsius“, erläutert der Ingenieur.

Neben der Kühlung sind weitere Probleme zu bewältigen: eine Flugsteuerung, die den Überschallflug innerhalb und außerhalb der Atmosphäre meistert, zuverlässige und langlebige Raketentriebwerke, die sich für den Passagiertransport eignen, und eine weltweite Infrastruktur für bemannte Routineflüge ins All, die es zurzeit nicht gibt.

Ohnehin wird der Flieger kein Massentransportmittel sein. Er bietet sich nur für Ultralangflüge an. „Die Flugpreise werden voraussichtlich denen im Weltraumtourismus entsprechen, zumindest anfangs“, sagt Sippel. Auch wenn die Ticketpreise dann bei mehreren Hunderttausend Euro liegen – verglichen mit den Entwicklungskosten ist das wenig. Sie werden auf einige zehn Milliarden Euro geschätzt.

So viel Geld lässt sich nur in Kooperation mit anderen Ländern und der Industrie aufbringen. Die dürfte aber nur einsteigen, wenn sich die Investitionen irgendwann amortisieren. Um das herauszufinden, soll demnächst eine Marktanalyse gestartet werden.

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