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© ddp

Forschen: Europas Labor im All

Großer Tag für die europäischen Weltraumforschung: Am Donnerstag soll die Raumfähre "Atlantis" mit dem "Columbus"-Forschungsmodul starten. Dieses wird an die Internationalen Raumstation ISS angebracht.

Von Rainer Kayser, dpa

Am morgigen Donnerstag soll eine neue Epoche der europäischen Raumfahrt beginnen: Die Raumfähre „Atlantis“ startet mit dem Weltraumlabor „Columbus“ an Bord zur Internationalen Raumstation ISS. Jahrelang haben Wissenschaftler überall in Europa auf diesen Start gewartet, der sich jüngst noch einmal durch Probleme mit den Treibstofftanks der Raumfähre verzögert hatte. Nun fiebern sie ihren Versuchen entgegen.

„Bald fliegt unser Experiment“, freut sich Christoph Egbers von der Technischen Universität Cottbus. Unter seiner Leitung haben Forscher das Experiment „GeoFlow“ entwickelt, das den Wissenschaftlern Erkenntnisse über die Strömungen im Erdkern liefern soll. „Nur in der Schwerelosigkeit ist es möglich, solche Strömungen in einem realistischen Modell zu untersuchen“, sagt Egbers.

„Columbus“ ist das Kernstück der europäischen Beteiligung an der ISS. Innerhalb von zehn Jahren sollen in dem Labor Tausende von Experimenten unter anderem in den Bereichen Medizin, Biologie, Materialwissenschaften und Flüssigkeitsdynamik gemacht werden. Bei einem Durchmesser von 4,5 und einer Länge von 6,9 Metern bietet das 13 Tonnen schwere, tonnenförmige Weltraumlabor insgesamt 75 Kubikmeter Platz.

Bis zu drei Astronauten können gleichzeitig in dem Labor arbeiten. Die Experimente sind dabei in zehn schrankförmigen Bauelementen an den Außenwänden des Moduls untergebracht. Aus Gewichtsgründen konnte die Raumfähre zunächst allerdings nur vier Experimentalschränke mit Columbus zusammen ins All befördern, weitere Versuchseinrichtungen folgen dann bei künftigen Shuttle-Missionen zur ISS.

Ursprünglich sollte alles noch größer ausfallen. Als die Europäische Weltraumbehörde Esa Mitte der 1980er Jahre das Columbus-Programm ins Leben rief, sollte das Weltraumlabor noch eine Länge von 20 Metern haben. Neben dem an die ISS angekoppelten Modul waren außerdem zwei frei fliegende Experimentierplattformen vorgesehen, von denen eine neben der Station herschweben, die zweite sogar auf einer unabhängigen Umlaufbahn kreisen sollte, die über die Pole der Erde führt. Mit einem eigenen kleinen Raumfahrzeug sollten die europäischen Astronauten von der Weltraumstation zu Servicearbeiten auf den Experimentierplattformen fliegen.

Doch schnell zeigte sich, dass die Kosten die Möglichkeiten bei weitem überstiegen. Übrig blieb nur das zudem stark geschrumpfte Labormodul. Aber auch der Bau dieses Moduls erwies sich als schwierig. Immer wieder musste die Organisation der beteiligten Unternehmen an die Wünsche der 17 Esa-Staaten angepasst werden. Insgesamt waren schließlich unter der Federführung von EADS Space Transportation in Bremen 41 Firmen aus 14 Ländern an Entwicklung und Bau des 880 Millionen Euro teuren Weltraumlabors beteiligt.

Schon im Oktober 2004 sollte Columbus ins All fliegen. Doch dann kam die „Columbia“-Katastrophe: Die US-Raumfähre „Columbia“ zerbrach am 1. Februar 2003 beim Wiedereintritt in die Atmosphäre, sieben Astronauten kamen ums Leben. Die bemannte Raumfahrt der USA kam für mehr als zwei Jahre zum Stillstand, entsprechend verzögerte sich auch der weitere Aufbau der Raumstation. Bei EADS nutzte man die Verzögerung, um Columbus noch einmal zu modernisieren. So wurden neue Computer eingebaut.

Schwieriger war die Situation für die Forscher, die ihre geplanten Experimente immer wieder verschieben mussten. Mitarbeiter wanderten ab, Fördermittel verfielen. Und immer wieder galt es, das Design der Experimente an neue Erkenntnisse anzupassen.

Verständlich also, dass die Wissenschaftler nun ungeduldig auf den Beginn ihrer Versuche warten. Doch bevor es losgehen kann, muss das Labor erst einmal betriebsbereit gemacht werden. Zwei Tage nach dem Start erreicht die Raumfähre die ISS. Zwei weitere Tage dauern die Vorbereitungen für das Ankoppeln von Columbus.

Dazu gehört auch ein Außeneinsatz von zwei Astronauten, einer von ihnen ist der Deutsche Hans Schlegel. Dann kann es losgehen: Mit dem 15 Meter langen Roboterarm der ISS heben die Raumfahrer das Columbus-Modul aus der Ladebucht und bringen es in die Andockposition. Ein weiterer Außeneinsatz ist nötig, um zwei externe Experimente außen am Columbus-Modul zu befestigen.

Nach Abschluss der Montagearbeiten kehrt die Raumfähre mit ihrer Besatzung zur Erde zurück. Drei an Bord der ISS bleibende Astronauten schalten dann in mehreren Wochen Stück für Stück die einzelnen Experimentiereinrichtungen ein und prüfen ihre Betriebsfähigkeit. Erst danach übernimmt das Columbus-Kontrollzentrum im deutschen Oberpfaffenhofen die Kontrolle über das Weltraumlabor. Insgesamt 75 Wissenschaftler und Ingenieure stehen dort bereit, um die europäischen Experimente auf der ISS zu steuern und zu überwachen.

Der große Vorteil liegt jedoch darin, Astronauten experimentieren zu lassen. „Wenn wir bei unserem Experiment auf etwas Interessantes stoßen, kann ein Astronaut – wie ein Laborassistent auf der Erde – die Einstellungen verändern“, erläutert Egbers, „so können wir uns Bereiche, in denen sich die Strömungen plötzlich verändern, genauer anschauen.“

Doch die Nutzung einer bemannten Station hat auch Nachteile. „Die Sicherheitsbestimmungen sind extrem hart“, beklagt etwa der Schweizer Augusto Cogoli. „Bei Arbeiten mit Flüssigkeiten und biologisch aktiven Substanzen ist eine dreifache Umhüllung vorgeschrieben, die Experimente erschwert.“

Trotzdem überwiegen auch für Cogoli die Vorteile. „Von den medizinischen Forschungen werden auch die Menschen auf der Erde profitieren.“ Und schließlich könne man nur auf der ISS Erfahrungen über Langzeitaufenthalte im All gewinnen. „Irgendwann werden Menschen zum Mars fliegen und sogar noch weiter“, sagt der Wissenschaftler. „Die Raumstation ist unser erster Schritt zur Eroberung des Weltalls.“

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