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Forschung: Wagenräder zu Joghurtbechern

Zehntausend Mal dünner als ein menschliches Haar: Diese Nanomaterialien machen Kunststoffe stabiler.

Ein ganz kleines Rad drehen Sigurd Höger und Mitarbeiter vom Kekulé Institut für Organische Chemie der Universität Bonn. Wie die Forscher im Magazin „Angewandte Chemie“ (Band 117) berichten, ist ihnen erstmals die Herstellung eines Moleküls geglückt, das die Form eines Wagenrads hat. Das symmetrische Gebilde ist nur sieben Nanometer groß.

Mit seinen sieben Millionstelmillimetern Größe ist das Rad ist etwa zehntausend Mal dünner als ein menschliches Haar. Allerdings gibt es in der Nanowelt noch viel feinere Strukturen. „Vorwiegend produziert diese die Natur selbst“, sagt Höger und verweist auf das ringförmige Benzolmolekül. Doch für technische Anwendungen sind oft größere Strukturen gefragt. Diese bauen die Bonner Chemiker nach dem Baukastenprinzip aus kleineren Elementen auf, aus Benzolmolekülen und organischen Gruppen mit Kohlenstoff- oder Sauerstoffatomen.

Warum haben die Bonner Forscher ausgerechnet ein Molekül gebaut, das Nabe, Speichen und Radkranz hat. „Die Wagenradstruktur gibt dem Molekül die nötige Steifigkeit“, sagt Höger. „Wir wollten ausprobieren, ob wir ein organisches Molekül mit einer solchen Symmetrie überhaupt hinkriegen.“ Nun da sie es geschafft haben, können sie mit den Winzlingen einiges anstellen. Sie können die Partikel mit Kunststoffen verrühren, mit Polystyrol etwa, dem Material, aus dem auch Joghurtbecher gefertigt werden.

Als Zusatz für Kunststoffe dienen bisher vor allem anorganische Materialien, Plättchen aus Tonerde etwa. Kompositmaterialien nennt man solche aus verschiedenen Komponenten zusammengesetzten Werkstoffe. Die Mischung aus Tonerde und Polymeren ergibt sehr steife, feste und hitzebeständige Materialien. Was die genaue Rolle der Zusatzstoffe ist, habe man noch nicht richtig verstanden, sagt Höger. Wichtig sei sicherlich, dass beim Verrühren der Tonerde-Moleküle geladene Teilchen, Ionen, entstehen.

So dienen die scheibenförmigen Nanopartikel, die das Team um Höger herstellt, auch als Modell, um herauszubekommen, was einen guten Füllstoff ausmacht. Die chemischen Eigenschaften lassen sich gezielt verändern, je nachdem, welche organischen Gruppen an die Radspeichen gehängt werden. Ob sich aber mit dem Zusatz von Wagenradmolekülen auch so gutes Material herstellen lässt wie bei der Verwendung von Tonerde, muss sich erst zeigen.

„Vielleicht werden die Joghurtbecher ja stabiler“, sagt Höger. Doch die Anwendungsmöglichkeiten reichen noch weiter. So ließen sich Nanopartikel in Gummilösungen rühren, aus denen Reifen gemacht werden. Das könnte den Abrieb verringern. Wenn ein solcher „Supereffekt“ aufträte, wäre es an der Zeit, an die Produktion im Großmaßstab zu denken. „Dann würde es auch darum gehen, die Nanopartikel möglichst kostengünstig herzustellen“, erklärt Höger.

Doch das ist noch Zukunftsmusik. Vorerst geht die Grundlagenforschung im Bonner Labor weiter. Zunächst sollen die Räder vergrößert werden, indem weitere Gruppen angehängt werden. So könnte eine spinnenähnliche Struktur entstehen. Letztlich fühlen sich die Chemiker aber nicht auf die Radstruktur festgelegt. „Wir können auch Drei- oder Vierecke ausprobieren“, sagt Höger. Hauptsache, die Winzlinge sind steif genug und lassen sich gut vernetzen.

Paul Janositz

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