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Fortsetzung der Exzellenzinitiative: Kluge Regeln für das Selbstverständliche

Der Wettbewerb um universitäre Spitzenleistungen braucht neue Spielregeln, schreibt Peter-André Alt, Präsident der Freien Universität Berlin, in einem Beitrag für den Tagesspiegel.

Zunächst einmal ist das eine gute Nachricht: Bund und Länder haben sich geeinigt, die Exzellenzinitiative nach 2017 fortzuführen. Alles andere wäre eine Fehlentscheidung gewesen. Erfreulich ist auch, dass diese Weichenstellung jetzt erfolgt und nicht erst in einem Jahr. Denn das hätte für die Universitäten eine Verlängerung des Schwebezustands bedeutet, in dem sich das Verfahren seit geraumer Zeit befindet. Dass das Bundesministerium für Bildung und Forschung ebenso wie die Länder ihre Rolle als Taktgeber ernst nehmen, ist ein positives Signal.

Die Tücken weiterer Regelungen liegen allerdings im Detail. Anders als vor neun Jahren beginnt man nicht am Nullpunkt. Die Interessen der gut hundert deutschen Universitäten sind extrem unterschiedlich und kaum zur Deckung zu bringen. Die 2005 vorherrschende Erwartung, dass der Exzellenzwettbewerb finanzielle Spielräume eröffnen würde, hat sich für viele Universitäten nicht erfüllt. Manche sind knapp vor dem Ziel gescheitert, nach jahrelanger Arbeit an Anträgen und Projekten. Anderen misslang 2012 die Verlängerung, so dass sie sich nun mit Auslaufplanungen für nicht mehr bezahlte Großprojekte plagen.

Ein Wettbewerb, der es allen recht macht, wäre ein Widerspruch in sich

Eine weitere Gruppe bilden die Universitäten, die 2012 erstmals gefördert wurden und jetzt eine Fortsetzung für ihre gerade angelaufenen Vorhaben wünschen. Und schließlich sind da solche Hochschulen, die – wie die Freie Universität Berlin – seit zwei Perioden in den drei Linien des Exzellenzprogramms finanziert werden, was ihnen neue Spielräume für Investitionen verschafft, aber auch Verpflichtungen im Hinblick auf die Karrieren des hoch qualifizierten Nachwuchses auferlegt hat.

Eins ist klar: Ein Wettbewerb, in dem man es allen recht machen kann, wäre ein Widerspruch in sich. Manche stellen sich vor, dass die 2,7 Milliarden Euro, die man für eine ausreichend finanzierte neue Runde benötigt, auf alle 100 Universitäten nach Größe verteilt werden. Jede erhielte zwischen zehn und 30 Millionen Euro zusätzlich, könnte investieren, wie sie wollte – und es gäbe keinen Streit über die Prinzipien der Auswahl. Das Antragsschreiben erübrigte sich ebenso wie der jährliche Leistungsbericht, die Reisekosten für internationale Gutachter könnte man sparen, die nörgelnden Leitartikler dürften sich anderen Themen zuwenden. In diesem Fall siegt das Prinzip Gießkanne über den Gedanken des profilbildenden Wettbewerbs, und die Freunde des Breitensports setzen sich gegen die ewig trainierenden Rekordjäger endgültig durch.

Sie kommen nicht mehr nur als Touristen zu uns, sondern als Forscher

Will man aber vernünftigerweise auf Gießkannenförderung verzichten und den Wettbewerb weiterentwickeln, dann empfiehlt sich ein Blick zurück. Was ist überhaupt geleistet worden? Die Erträge der ersten beiden Förderlinien gelten als weitgehend unumstritten. Die Nachwuchsförderung im Bereich der Doktorandenprogramme – Graduiertenschulen – und die Spitzenforschung in neuen, disziplinenübergreifenden Formaten – Exzellenzclustern – haben erhebliche Wirksamkeit entfaltet. Junge Wissenschaftler aus Oxford, Harvard und Stanford, die sonst nur als Touristen nach Deutschland kamen, arbeiten jetzt während ihrer produktivsten Lebensphase an unseren Universitäten. Die Kooperation mit der Wirtschaft und den herausragenden regionalen Forschungseinrichtungen hat neue Dimensionen gewonnen. International wird Deutschland als Wissenschaftsstandort endlich wieder wahrgenommen. Die einseitige Fixierung auf die USA als Durchlauferhitzer für die individuelle Forschungslaufbahn ist durchbrochen. Andere Länder wie Frankreich, Spanien, Israel und Japan folgten dem Vorbild unserer Exzellenzinitiative und organisierten ähnliche Wettbewerbe.

In den Zukunftskonzepten ging es nicht um goldene Wasserhähne

Umstrittener ist die Bewertung der Erträge, die im Rahmen der dritten Förderlinie – Zukunftskonzepte – erzielt wurden. Wer hier die Gutachter durch ein stimmiges Modell überzeugte, durfte den Status der Exzellenzuniversität für sich in Anspruch nehmen. Zwischen 40 und 80 Millionen Euro gab es, verteilt auf fünf Jahre, für die Universitäten, die erfolgreich waren. Kritiker monierten, dass diese Mittel verschenkt seien, weil sie allein dem Reputationsgewinn und einem Zuwachs an symbolischem Kapital dienten.

Wer so argumentiert, der verkennt, dass Zukunftskonzepte für kluge Modelle mittelfristiger Planung ausgezeichnet werden und nicht für die Anschaffung goldener Wasserhähne in den Labors. Klug sind universitäre Strategien dann, wenn sie auf Investitionen und nicht auf bloßen Verbrauch von Ressourcen setzen. So hat die Freie Universität mithilfe der Förderung aus dem Zukunftskonzept seit 2007 ihr zusätzliches Drittmittelaufkommen ohne die Exzellenzgelder von 56 auf 114 Millionen Euro verdoppelt.

Über den Kreis der Spitzenforscher hinaus profitieren auch Studierende

Manche der Forschungsplattformen, die wir für die Vorbereitung neuer Projekte einrichteten, konnten die ihnen zufließenden Gelder durch Einwerbungen von ergänzenden Mitteln verzehnfachen. Das wurde auch durch die verbesserte Zusammenarbeit mit Instituten der Max-Planck-Gesellschaft, der Helmholtz- und Leibniz-Gemeinschaft sichergestellt. Im Übrigen beschränken sich die Resultate nicht auf einen kleinen Kreis arrivierter Spitzenforscher. Zahlreiche neue Erkenntnisse aus Clustern und Nachwuchsgruppen finden Eingang in die akademische Lehre und landen damit direkt bei den Studierenden. Hoch qualifizierte Absolventen der Berliner Fachhochschulen profitieren ebenfalls. Mit der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft betreibt die Freie Universität im Rahmen des archäologischen Clusters Topoi die Förderung gemeinsamer Doktoranden.

Gute Ideen auch ohne Finanzierung?

Wer angesichts solcher Befunde behauptet, die dritte Förderlinie habe nichts gebracht, täuscht sich erheblich. Ebenso täuscht sich, wer glaubt, dieselben Effekte wären auch ohne Finanzierung, nur mit guten Ideen zu erzielen. Wissenschaftliche Innovationen, internationale Wirkung origineller Konzepte, Anwendungsreife von Versuchsergebnissen und Patentierungen wegweisender Erfindungen – das alles verlangt einen erheblichen Vorlauf auf experimenteller wie theoretischer Basis. Ohne Anschubfinanzierung geht hier gar nichts. Und die regulären Universitätsbudgets sind so knapp geschnitten, dass gesonderte Aktivitäten aus ihnen keinesfalls gefördert werden können.

Wo wäre anzusetzen, wenn es um die Fortführung des Exzellenzwettbewerbs geht? Allen Beteiligten ist klar, dass eine bloße Wiederholung der bisherigen Programmlinien keinen Sinn macht. Erforderlich bleibt ein sinnvoller Ausbau der einzelnen Maßnahmen. Ein Schwerpunkt könnte die Förderung regionaler Kooperationsmodelle sein, in deren Rahmen Universitäten und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen gemeinsame Strategien für die Berufung von Spitzenpersonal, für Nachwuchsförderung, internationale Aktivitäten und Firmengründungen entwickeln können.

Dieses Format dürfte gern auch Partner aus dem Kreis der Fachhochschulen einschließen. Denkbar wäre eine doppelte Programmlinie für Grundlagenforschung und für anwendungsbezogene Projekte. Ein weiterer Vorschlag: Es sollten universitäre Governance-Konzepte ausgezeichnet werden. Wer es schafft, mit den ihm übertragenen Zusatzmitteln besonders effizient umzugehen und eine möglichst breite Wirkung zu erzielen, darf besondere Förderung erwarten.

Exzellenzfonds von Bund und Ländern, damit Unis sicher planen können

Dringend einzuschließen ist die Lehre, wie Bund und Länder zu Recht fordern. Modelle zur Synchronisierung von Top-Forschung und akademischem Unterricht verdienen zusätzliche Finanzierung. Und nicht zuletzt benötigen wir einen auf Stiftungsbasis angelegten Exzellenzfonds, in den Bund und Länder einzahlen, damit die Universitäten langfristige Planungssicherheit gewinnen.

Nur so kann sichergestellt werden, dass wir die Diskussion über das Für und Wider der Exzellenzförderung nicht alle drei Jahre neu führen. Arthur Schopenhauer hat einmal notiert: „Ein neuer Gedanke wird zuerst verlacht, dann bekämpft, bis er nach längerer Zeit als selbstverständlich gilt.“ Die deutsche Exzellenzinitiative hat jetzt die Chance, in die Phase der Selbstverständlichkeit einzutreten.

Peter-André Alt

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