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Freie Sicht: Die Bestenauslese muss besser werden

Die Zulassungsbescheide für das Wintersemester sind in den meisten deutschen Hochschulen verschickt. Es ist zu hoffen, dass das neue, von Ministerin Schavan begleitete Verfahren einheitlicher Termine die Friktion der zurückliegenden Jahre vermeiden hilft.

Gleichwohl wird es Beschwerden geben, weil das ein oder andere nicht klappt. Mag sein, dass dann alles noch einmal diskutiert wird.

Warum hört man nichts von solchen Problemen aus anderen Nationen? – Die Antwort ist einfach: Deutschland hat ein klassisches Berechtigungswesen. 1972 hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass die Teilhaberechte studierfähiger Bürger nur eingeschränkt werden dürfen, wenn alle Studienkapazitäten ausgeschöpft wurden. Damit erhielt der Staat und nicht die Universitäten die Verantwortung für die Studienzulassung. ZVS und Kapazitätsverordnung waren geboren. Zwangsbewirtschaftung. Nur das Abitur zählte. Deutschland hatte sich aus verfassungsrechtlichen Gründen international isoliert. Bestenauslese auf der Grundlage von Abinoten mit einem aber durchaus respektablen Vorhersagewert.

Demgegenüber zum Beispiel England: universitäre Auswahlentscheidungen aufgrund individueller Leistungsprofile und Empfehlungsschreiben aus den Schulen. Oder Frankreich: Trennung des Hochschulbereichs in einen offenen mit Zugang für jeden Inhaber eines Bakkalaureats, Eignungsauswahl während des Studiums nach einem zweijährigen Probezyklus vor dem Eintritt in die Hauptphase und Grandes écoles als Eliteeinrichtungen für leistungsfähige Bewerber, die bereits einen Hochschulabschluss haben.

Der Unterschied zu Deutschland wird klar: Hier Vertrauen auf Abiturnoten bei der Verwaltung des Studienplatzmangels, dort studienbezogene Zusatzkriterien. Das ist in Deutschland inzwischen auch möglich. Aber: Viele Universitäten scheuen den riesigen Zusatzaufwand, wenn sowieso aus rechtlichen Gründen die Abiturnote dominant bleiben muss.

Zwei Züge rasen gewissermaßen aufeinander zu: die demografische Abwärtsentwicklung (jeder wird gebraucht werden) und der wachsende Eignungsdruck (aber nicht jeder ist geeignet). Ein klassisches Dilemma, für das es Auflösungen gibt: mehr Studienplätze schaffen, Studienarten stärker differenzieren und an Eignungsgruppen orientieren, Studierfähigkeit verbessern vor und nach dem Übergang in den Hochschulbereich. Und: Hochschulen öffnen für qualifizierte Berufstätige. All das ist in den letzten Jahren politisch angelegt worden. Hoffentlich wissen die Wähler es zu schätzen, hoffentlich wird der Pfad nicht verlassen trotz Finanzkrise und hoffentlich nutzen Universitäten und Studieninteressierte die neuen Möglichkeiten.

Der Autor ist Erziehungswissenschaftler und schreibt jeden dritten Montag über aktuelle Themen und Debatten.

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