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FREIE Sicht: Die Pädagogik wird global

Man muss über die Grenzen zweier Jahrhunderte zurückschauen, um pädagogische „Erfindungen“ aufzuspüren, die – in Deutschland entstanden – Weltkarriere gemacht haben. Fröbels Kindergarten gehört dazu, der in der anglophonen Welt auch häufig genauso heißt, oder eines der ersten sozialpädagogischen Betreuungsangebote, wie man heute sagen würde, das Hamburger „Rauhe Haus“ aus dem 19.

Man muss über die Grenzen zweier Jahrhunderte zurückschauen, um pädagogische „Erfindungen“ aufzuspüren, die – in Deutschland entstanden – Weltkarriere gemacht haben. Fröbels Kindergarten gehört dazu, der in der anglophonen Welt auch häufig genauso heißt, oder eines der ersten sozialpädagogischen Betreuungsangebote, wie man heute sagen würde, das Hamburger „Rauhe Haus“ aus dem 19. Jahrhundert, das der japanische Kaiser kopieren ließ. Manche sagen auch, das deutsche Universitätsmodell des 19. Jahrhunderts sei überall nachgeahmt worden, was nur teilweise stimmt – die Harvard University wurde bereits 1636 gegründet –, aber auch die weniger rühmliche antiautoritäre Erziehung der 70er Jahre hat zumindest eine ihrer Wurzeln in Deutschland. An der etwa zeitgleichen Reaktualisierung von Neills „Summerhill“ an verschiedenen Orten der Welt zeigt sich jedoch, dass seit einigen Dekaden pädagogische Orientierungen durchaus im globalen Maßstab auch an anderen Stellen entstehen.

Verstärkt durch internationale Vergleichsuntersuchungen vom Typus Pisa entstehen unversehens implizite Bildungsstandards weltweit. Denn: Wer Leistungen vergleichend messen will, muss davon ausgehen, dass auch Schule vergleichbare Ziele verfolgt in Mathe, erster Fremdsprache, Naturwissenschaft oder in der Fähigkeit, lesen und schreiben zu können. Also: Die Globalisierung von Erziehungsnormen, von Bildungsstandards, aber auch von Organisationsformen (siehe Bologna-Prozess) ist längst in vollem Gange. Deutschland ist nicht mehr die pädagogische Ideengeberin für die Welt, sondern Ziele, Inhalte des Unterrichts, Methoden und Organisationsformen von Bildung entstehen vielerorten, werden manchmal zufällig, manchmal strategisch rezipiert.

So wird – gezielt oder ungezielt – der Weg zu einem Weltbildungssystem angetreten, und kluge Bildungspolitiker werden fragen: Was hat sich in Japan bewährt, was ist vorbildlich in Kanada, welche chinesischen Erfahrungen sind übertragbar, und welche Entwicklungen in diesem oder jenem Land sollte man besser nicht nachahmen?

Grund genug für mich, in den kommenden Monaten auf der Welt Ausschau zu halten nach den besten Beispielen für Erziehung und Bildung aus allen vier Himmelsrichtungen, durchaus nach Exotischem zu schauen, nach Vorbildern, nach Fehlentwicklungen oder Zukunftsträchtigem. Die Reihe wird beginnen mit den japanischen Jukus, den privaten Nachhilfeschulen, ohne deren Besuch japanische Jungen und Mädchen wenig Chancen haben auf eine zukunftssichere „Bildungskarriere“. Auf dann! In drei Wochen in Tokio!

Der Autor ist Erziehungswissenschaftler und schreibt jeden dritten Montag über aktuelle Themen und Debatten. In der kommenden Zeit blickt er auf das Bildungswesen im Ausland.

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