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FU Berlin: Der Fall Scharenberg

Ein 42-jähriger Lehrbeauftragter an der Freien Universität soll nicht Juniorprof werden. Reaktionen auf offenen Brief.

In einem offenen Brief an den Präsidenten der Freien Universität Berlin, Dieter Lenzen, setzen sich rund 200 deutsche und internationale Wissenschaftler für den Berliner Amerikanisten Albert Scharenberg ein. Der 42-jährige Lehrbeauftragte am John-F.-Kennedy-Institut der FU sollte dort zum Wintersemester auf eine Juniorprofessur berufen werden. Die Berufungsliste, auf der Scharenberg an Platz eins stand, wurde jedoch im Mai vom damaligen Vizepräsidenten Klaus Hempfer abgelehnt und nicht an den Wissenschaftssenator weitergeleitet.

Die Unterzeichner, unter ihnen prominente Altlinke wie die FU-Emeriti Elmar Altvater und Wolf-Dieter Narr sowie etwa auch Micha Brumlik von der Universität Frankfurt a.M., appellieren an das Präsidium, die Entscheidung zu überdenken. Sie äußern die Vermutung, dass Scharenbergs Scheitern etwas mit seiner Mitgliedschaft im Kuratorium der PDS-nahen Rosa-Luxemburg-Stiftung zu tun haben könnte. Wenn „Professuren nach politischer Opportunität besetzt“ werden sollten, wäre das „verheerend für die Freie Universität“ und „gänzlich mit dem an Exzellenz orientierten Anspruch und dem freiheitlichen Geist der FU unvereinbar“, heißt es in dem offenen Brief, der in der Montagsausgabe dieser Zeitung als Anzeige abgedruckt war.

Das FU-Präsidium weist den Vorwurf der politischen Opportunität „aufs Schärfste zurück“, heißt es in einer Erklärung. Der offene Brief entbehre jeder Grundlage. Vielmehr sei das Zustandekommen der Entscheidung in der Berufungskommission rechtlich beanstandet worden: Ein Mitglied der Kommission und ein Gutachter seien Scharenberg gegenüber befangen gewesen, und dies hätten sie verschwiegen. Das solle nun „eingehend auf dienstrechtliche Konsequenzen überprüft werden“. Jedenfalls sei das Präsidium, das die Rechtsaufsicht hat, verpflichtet gewesen, die Berufungsliste zurückzugeben. Aus der Universität ist zu hören, dass die Vorsitzende der Kommission, die Politologin Margit Mayer, Scharenbergs Habilitation betreute.

Hempfer: "Dahinter stecken Kreise, die der FU im Wettbewerb schaden wollen"

Der ehemalige Vizepräsident der FU, Klaus Hempfer, nennt weitere Gründe für die Ablehnung Scharenbergs: Auf eine Juniorprofessur sollten Nachwuchswissenschaftler möglichst zeitnah nach ihrer Promotion berufen werden. Nach einer ungeschriebenen, aber an allen deutschen Unis befolgten Faustregel sollten sie höchstens 35 Jahre alt sein. Scharenberg aber könne mit seinen 42 Jahren nicht den „wissenschaftlichen Ertrag“ vorweisen, der eine Ausnahme gerechtfertigt hätte, sagt Hempfer. In seiner vierjährigen Amtszeit als Vizepräsident habe er „mehrfach Listen zurückgegeben, wenn die Kandidaten in Relation zu ihrem Alter keine entsprechenden wissenschaftlichen Arbeiten geschrieben hatten“. Bei solchen Kandidaten könne „nicht davon ausgegangen werden, dass sie noch eine erfolgreiche Karriere als Hochschullehrer einschlagen können“. In dem offenen Brief heißt es dagegen, Scharenberg könnte „aufgrund seiner vorliegenden Arbeiten sozusagen aus dem Stand habilitiert werden“.

Das Politische werde von den Briefschreibern „hochgespielt“, sagt Hempfer, der sich einst in der „Notgemeinschaft“ an der Freien Universität engagierte. Die Notgemeinschaft war bis 1990 eine Gruppe konservativer Professoren, die die FU gegen den Einfluss linker Hochschullehrer und -gruppen verteidigen wollte. Hinter dem Brief stünden offenbar „interessierte Kreise“, die der FU im Elitewettbewerb schaden wollten, so Hempfer. Es könne kein Zufall sein, dass er wenige Tage vor der Entscheidung am kommenden Freitag erschienen sei. -ry

Studierende des John-F.-Kennedy-Instituts veranstalten am morgigen Mittwoch um 14 Uhr eine Diskussion mit Albert Scharenberg und der Vizepräsidentin Ursula Lehmkuhl (Lansstraße 7-9, Dahlem).

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