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Ganztags lernen. Wenn alle mitmachen, wird das soziale Lernen besser gefördert, heißt es.

© dapd

Ganztagsschule: Nur ein Drittel lernt nachmittags

Die Zahl der Ganztagsschulen steigt, aber die Zahl der Schüler, die ihre Vorteile nutzen, stagniert. Und zu wenige Schulen haben ein verpflichtendes Nachmittagsangebot, kritisiert die Bertelsmann-Stiftung.

Berlin - Die Zahl der Schüler in Deutschland, die das Angebot von Ganztagsschulen nutzen, steigt nur langsam. Zwar bot im Schuljahr 2010/11 jede zweite Schule bundesweit Unterricht und Arbeitsgruppen am Nachmittag an – acht Prozent mehr als im Vorjahr. Doch daran teilgenommen hat mit 28,1 Prozent nur ein knappes Drittel der Schüler, ein Anstieg um nicht einmal zwei Prozent. Das ergab eine Studie des Deutschen Jugendinstituts (DJI) im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung, die am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde. Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann-Stiftung, forderte einen Rechtsanspruch. „Jedes Kind in Deutschland sollte die Möglichkeit haben, eine gebundene Ganztagsschule zu besuchen.“

An diesen Schulen ist der Unterricht auch am Nachmittag für alle Kinder verpflichtend. Bislang haben allerdings nur 12,7 Prozent der Schüler Zugang zu einer solchen Schulform, die Studien zufolge besonders das soziale und kognitive Lernen ermöglicht. Der flächendeckende Ausbau der gebundenen Ganztagsschulen wäre für die Länder mit einem enormen finanziellen Aufwand verbunden. Sie müssten insgesamt jährlich 9,4 Milliarden Euro zusätzlich investieren, errechnete der Essener Bildungsforscher Klaus Klemm für die Bertelsmann-Stiftung. Auf Nordrhein-Westfalen kämen Zusatzkosten von zwei Milliarden Euro zu, auf Bayern von 1,7 Milliarden. Früheren Studien zufolge scheiterte die Einführung eines verpflichtenden Nachmittagsunterrichts häufig am teuren Ausbau von Schulkantinen.

Berlin müsste nach Klemms Berechnungen Mehrkosten von jährlich 387 Millionen Euro aufbringen. Die Stadt steht nach Sachsen und dem Saarland beim Ganztagsschulausbau bundesweit an dritter Stelle. 83,3 Prozent der allgemein bildenden Schulen in Berlin boten im vergangenen Schuljahr ganztägigen Unterricht an (2009/10: 71,8 Prozent), im Bundesschnitt sind es 51,1 Prozent. Und knapp die Hälfte der Berliner Schüler nutzt diese Angebote auch, immerhin 22,3 Prozent sind dabei an einer gebundenen Ganztagsschule.

Der Autor der Studie, Bildungsforscher Thomas Rauschenbach, kritisierte den Wildwuchs der Schulformen, übergreifende Konzepte und Qualitätsstandards fehlten. Der bisherige Ausbau der Ganztagsschulen sei „eine Reise in die Zukunft ohne klares Ziel“, sagte Rauschenbach.

Der weitere Ausbau sei „machbar und auch bezahlbar“, erklärte der bildungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Ernst Dieter Rossmann. Eine Finanzierung könne aber nur mit einer Änderung des Grundgesetzes gelingen, die es Bund und Ländern ermöglichen würde, im Schulbereich dauerhaft zu kooperieren. Ein Fortbestehen des Kooperationsverbots würde die Finanzierung der Serviceagenturen „Ganztägig lernen“ gefährden, die von der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung mitbetrieben werden, warnte deren Geschäftsführerin Heike Kahl. Bis 2014 sind sie als derzeit einziges Bund-Länder-Programm in der Schulentwicklung gesichert.

Anmerkung der Redaktion: Der Name des Bildungsforschers Thomas Rauschenbach (Direktor des Deutschen Jugendinstituts) wurde gegenüber der ersten Fassung korrigiert. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.

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