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Methanhydrat sieht aus wie Eis und ist brennbar.

© Marum/Universität Bremen

Gashydrate: Eisiger Schatz aus der Tiefe

Methanhydrate im Ozeanboden gefährdet das Klima. Nun wollen Ingenieure das Gas kontrolliert nach oben holen - und dabei gleich noch das Treibhausgas Kohlendioxid loswerden.

Bis zu zehn Billionen Tonnen „Methaneis“ lagern weltweit im Meeresgrund am Rand der Kontinente. Wie berichtet droht an der Ostküste der USA Methanhydrat auf einer Fläche von etwa 10 000 Quadratkilometern aufzutauen. Erste Anzeichen dafür fanden amerikanische Forscher über seismische Analysen vor der Küste von North Carolina. Wie sie im Fachblatt „Nature“ schreiben, könnte durch das freigesetzte Methan der Klimawandel beschleunigt werden.

„Methanhydrat ist eine feste Verbindung aus Methangas und Wasser, die aber nur unter hohem Druck und bei tiefen Temperaturen stabil ist“, erläutern Benjamin Phrampus und Matthew Hornbach von der Southern Methodist University in Dallas. Ihre Messungen hätten ergeben, dass im untersuchten Küstengewässer genau diese Stabilität nicht mehr gewährleistet sei. Die Ursache dafür sehen sie in Verlaufsänderungen des Golfstroms. Dadurch gelangte wärmeres Wasser an die Methanhydrate, was zu einem Zerfall führen könnte. Das Tauen des „Methaneises“ lässt auch die küstennahen Hänge im Meer instabil werden. Es drohen Hangrutschungen, die sogar das Potenzial hätten, Tsunamis auszulösen.

„Das Phänomen ist vermutlich nicht auf die US-Ostküste beschränkt“, schreiben die Wissenschaftler. Es wäre unwahrscheinlich, dass der westliche Nordatlantik weltweit das einzige Gebiet mit veränderlichen Meeresströmungen sei. Konkrete Belege für ein globales Abtauen der Methanhydrat-Lagerstätten gibt es aber noch nicht.

Blasen am Meeresboden. Steigt die Wassertemperatur oder sinkt der Wasserdruck, entweicht das Gas aus den Lagerstätten im Meeresgrund.
Blasen am Meeresboden. Steigt die Wassertemperatur oder sinkt der Wasserdruck, entweicht das Gas aus den Lagerstätten im Meeresgrund.

© MARUM/Universität Bremen

Gleichwohl interessieren sich nicht nur Klimaforscher für die gigantischen Gaslager. Da in ihnen mehr Kohlenstoff gespeichert ist als in allen Erdöl- und Kohlevorkommen der Erde, sind sie auch potenzielle Energiequellen, die seit Jahren untersucht werden. „Mit dieser Erkundung ist man schon sehr weit“ sagt Klaus Wallmann, Methanhydrat-Experte am Forschungszentrum Geomar in Kiel. Optimistische Schätzungen gehen von mehr als zehn Billionen Tonnen Methanhydrat aus. Besonders reiche Vorkommen gibt es um Japan und Alaska, entlang der nord- und südamerikanische Pazifikküste, vor Indien, Westafrika und im Schwarzen Meer.

Auf zahlreichen Expeditionen holten Forscher wie Wallmann immer wieder Methanhydrat mit den Greifarmen von Tauchbooten an die Oberfläche – und lernten viel über die weißen, leicht entzündlichen Eisklumpen. Dank des hohen Drucks in etwa 200 Metern Wassertiefe schließen fünf bis sechs Wassermoleküle ein Methanmolekül in einem stabilen Käfig ein. Steigt die Temperatur über vier Grad oder lässt der Druck nach, zerfallen die Eiskäfige. Allein ein Kubikmeter Methanhydrat ergibt dabei die 164-fache Menge an nutzbarem Methangas und etwa 800 Liter Wasser.

Gerade weil Methanhydrate so empfindlich auf höhere Temperaturen reagieren, sehen Klimaforscher in ihnen eine tickende Bombe. Denn erwärmen sich die Meere infolge des Klimawandels nur um wenige Grad, könnten die Gashydrate instabil werden und Methan in die Atmosphäre aufsteigen, wo es rund 25-mal klimaschädlicher ist als die gleiche Menge Kohlendioxid. Allerdings geben Geomar-Forscher um Arne Biastoch, die die Stabilität der Methanhydrate in dem vom Klimawandel besonders betroffenen Arktischen Ozean analysiert haben, vorerst Entwarnung: „Die Gashydrate lösen sich mit einer zeitlichen Verzögerung auf, so dass eher in 200 bis 300 Jahren mit Folgen zu rechnen ist.“

Womöglich kann ein Teil der Vorkommen zuvor kontrolliert nach oben geholt werden, um sie als Rohstoff zu nutzen. „Noch in diesem Jahr wird in Alaska ein interessantes Verfahren für die Gasgewinnung aus Methanhydraten getestet“, sagt Wallmann. An der Prudhoe-Bucht treibt das US-Energieministerium zusammen mit dem Energiekonzern ConocoPhillips Bohrungen bis in 800 Meter Tiefe. Dort lagert eine dicke Sandschicht, die mit eisigen Methanhydraten gefüllt ist. Um das Gas zu gewinnen, wird Kohlendioxid (CO2) nach unten gepresst. „Gasförmiges CO2 reagiert spontan mit den Methanhydraten und verdrängt das Methan aus den Wasserkäfigen“, erläutert Wallmann. Den freien Platz nehmen dann die Kohlendioxidmoleküle ein.

„Das Konzept ist sehr reizvoll“, sagt Scott Dallimore vom Geologischen Dienst Kanadas. Denn so wird zugleich Methan gefördert und das Treibhausgas Kohlendioxid eingelagert. Sowohl der Klimaschutz als auch Förderunternehmen könnten von dieser Methode profitieren. Und zwar langfristig, da die Kristallkäfige, die sich um das CO2 schließen, bei steigenden Temperaturen stabiler sind als das natürliche Methanhydrat.

Wallmann verfolgt das Vorhaben mit großer Spannung. Besonders interessant sind die Methanfördermengen. „Pro Tag und Bohrung sind etwa 100 000 Kubikmeter nötig, um wirtschaftlich zu sein“, schätzt er. Von diesem Wert lagen alle Förderversuche, die seit 2002 unternommen wurden, noch sehr weit entfernt. Doch sollten die Firmen künftig auch für das Verpressen von CO2 finanziell belohnt werden, könnte die Wirtschaftlichkeit bereits bei geringeren Förderquoten erreicht werden.

Noch weiter auf dem Weg als die Amerikaner sieht Wallmann die Japaner. Ihre Anstrengungen sind nur verständlich, denn der rohstoffarme Inselstaat importiert bisher relativ teures Erdgas, das mit Tankern oft über tausende Kilometer herangeschafft werden muss. „Im Meeresboden um Japan gibt es Vorkommen, die den nationalen Erdgasbedarf etwa 100 Jahre lang decken könnten“, sagt der Geomar-Forscher. Dazu gehören Lagerstätten im Nankai-Becken etwa 50 Kilometer vor Japans Ostküste. Nach einigen Testbohrungen könnte schon im kommenden Jahr die erste Pilotförderung beginnen.

Die Gewinnung auf offener See und in etwa 1200 Metern Wassertiefe stellt jedoch eine größere technische Herausforderung dar als die Alaska-Bohrung, die derzeit an Land im Dauerfrostboden vorangetrieben wird. Statt CO2 in den Untergrund zu pumpen, werden die japanischen Ingenieure die Methanhydratschichten direkt anzapfen. Allein durch das Bohrgestänge, das bis zur Meeresoberfläche reicht, wird der Druck lokal stark abfallen. Diese Entlastung kann genügen, um das eingeschlossene Methan verdampfen zu lassen – um es dann aufzufangen. „Mit dieser Methode erreicht man die höchsten Ausbeuten“, sagt Wallmann. Förderraten von bis zu 40 000 Kubikmetern pro Tag hält er für möglich. Damit könnte das japanische Pilotprojekt als erstes weltweit nahe an die Wirtschaftlichkeit heranreichen.

Dennoch hält Wallmann eine großtechnische Förderung von Methanhydraten zuerst an Land für machbar, und zwar bereits in diesem Jahrzehnt. Vergleichbare Offshore-Anlagen könnten nach 2020 folgen.

Doch der Schatz in der Tiefe birgt auch Probleme. „Den größten Teil der Vorkommen wird man mit heute verfügbarer Technik nicht abbauen können“, dämpft der Forscher allzu große Hoffnungen. Hinzu kommen Risiken der Förderung. So gilt es, empfindliche Ökosysteme an den Meeresböden vor einem ungezügelten Methanraubbau zu schützen. Schon jetzt befinden sich Meeresforscher im Wettlauf mit den Explorationsprojekten. Gerade von der einzigartigen Tier- und Pflanzenwelt in großen Wassertiefen ist bis heute nur wenig bekannt. Und was nicht bekannt ist, kann auch nicht wirksam geschützt werden. Zudem könnten durch Pannen bei der Förderung größere Methanmengen freigesetzt werden als in den kommenden Jahrzehnten durch die Erwärmung der Meere überhaupt zu erwarten wären. Dieses Gas würde die Erderwärmung noch weiter vorantreiben.

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