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Ein Porträtfoto Eberhard Lämmerts.

© Mike Wolff

Gedenken an Eberhard Lämmert: Germanist und Zauberer

Am ersten Todestag Eberhard Lämmerts gedachte die Freie Universität Berlin ihres ehemaligen Präsidenten - und seiner "institutionellen Fantasie".

Berlins Wissenschaftssenator Peter Glotz (SPD) sitzt 1978 beim „Tunix“-Kongress der studentischen Spontiszene in der Technischen Universität Berlin und schreit ins Mikrofon. Neben ihm der Präsident der Freien Universität, Eberhard Lämmert, feinsinnig lächelnd. Ein typisches Bild des Germanisten und Wissenschaftsmanagers, der Konflikte stets „geduldig und eloquent, fair und offen moderierte“, wie sich der heutige FU-Präsident Peter-André Alt jetzt bei einer Gedenkfeier für Eberhard Lämmert erinnerte. Lämmert war über Jahrzehnte mit der FU verbunden, zuerst von 1961 bis 1970 als Professor für Deutsche Philologie, dann wieder ab 1976 als ihr Präsident und Professor – und weit über seine Emeritierung 1992 hinaus.

Lämmerts "überdachte Literaturwissenschaft"

Vor einem Jahr ist Lämmert 90-jährig gestorben, zu seinem Todestag am 3. Mai kamen Weggefährten, Schülerinnen und Schüler zusammen, um sich über „institutionelle Fantasie“ und „überdachte Literaturwissenschaft“ auszutauschen. Mit diesen Begriffen umriss Lämmerts einstige Assistentin Barbara Naumann, heute Professorin für Literaturwissenschaft an der Universität Zürich, Grundzüge in seinem Wirken. Als Lämmert 1976 gebeten wurde, aus Heidelberg an die FU zurückzukehren, um ihr Präsident zu werden, verband er die Zusage mit einer Forderung: Die Universität müsse die Professur des 1971 verstorbenen Peter Szondi für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft (AVL) und damit das für Szondi gegründete Institut verstetigen. Darin verband sich Lämmerts Engagement für die Literatur der im Nationalsozialismus Verfolgten, zu denen Szondi als Jude gehörte, mit seiner Mission, die nationalistische Ausrichtung seines Faches zu überwinden und neu zu justieren. Dies gelang ihm in vielfacher Hinsicht, schon seine Dissertation über „Bauformen des Erzählens“ von 1955 wurde ein Standardwerk der neuen Literaturwissenschaft.

Stipendien und Stellen herbeigezaubert

Bis in seine späten Jahre verhalf Lämmert seinem Fach und vor allem dessen Personal „auch im handfesten Sinn zur Überdachung“, wie Barbara Naumann berichtete. „Wie herbeigezaubert“ habe er für Stipendien und Stellen gesorgt. Als streitbarer Gründungsdirektor des Berliner Zentrums für Literatur- und Kulturforschung widersetzte er sich Mitte der 90er Jahre einer Ansiedlung am nördlichen Stadtrand, indem er kurzerhand Räume in der Jägerstraße in Mitte mietete. Der zuständige Senator musste ihn gewähren lassen. Lämmert sei eben „als Präsident stets Literaturwissenschaftler und als Literaturwissenschaftler stets Präsident gewesen“, sagte Naumann.

Lämmerts Nachfolger im Präsidentenamt, der Jurist Johann W. Gerlach, erinnerte an Neuerungen, die Lämmert an der Freien Universität etablierte, etwa die Frauenforschung. Und Peter-André Alt sprach bewegt von Lämmerts Leistung, die FU aus „heilloser Zerrüttung, Dauerstreiks und Gesinnungsterror von links und rechts“ herausgeführt zu haben.

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