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Patienten des Uniklinikums in Seoul, die sich mit Mers angesteckt haben könnten, werden in Zelten isoliert.

© AFP

Gegen Mers & Co helfen nur gute Gesundheitssysteme: Eine Seuchen-Feuerwehr allein nützt nichts

Politiker und Forscher sind sich einig, dass die Welt schlecht auf die nächste große Seuche vorbereitet ist. Auf dem G7-Gipfel in Elmau wird daher unter anderem über "Weißhelme" beraten, eine Art Seuchen-Feuerwehr. Doch das allein nützt nichts. Es müssen auch Gesundheitssysteme gestärkt werden. Und kein Staat darf sich abschotten. Das zeigt das Beispiel Mers.

Drei Tage reichten. Während ein 68-jähriger Südkoreaner Mitte Mai wegen einer Atemwegserkrankung im Krankenhaus behandelt wurde, löste er einen Dominoeffekt aus. Er steckte medizinisches Personal sowie andere Patienten an. Angehörige, die bei der Pflege halfen oder einfach nur zu Besuch waren, infizierten sich ebenfalls. Noch bevor feststand, dass der Mann von einer zweiwöchigen Reise durch die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain, Katar und Saudi-Arabien das Coronavirus Mers mitgebracht hatte, konnte es 24 andere Menschen befallen. Inzwischen sind zwei von ihnen gestorben. Fast 700 Kontaktpersonen sind in Quarantäne. Ein 44-Jähriger blieb nicht freiwillig zu Hause und schleppte das Virus über Hongkong nach China.

Es ist der größte Ausbruch außerhalb des Nahen Ostens. Ob dies darauf hindeutet, dass das Virus nun leichter von Mensch zu Mensch übertragen werden kann, und wie gefährlich die Situation wirklich ist, ist unklar. Denn mal wieder fehlt, was in einer potenziellen Notsituation nicht fehlen darf: Transparenz. Kein Forscher und keine Gesundheitsbehörde außerhalb Südkoreas kann bisher Daten zum Erbgut des Erregers abrufen und sich ein eigenes Bild machen – obwohl die Ärzte vor Ort sicher entsprechende Proben genommen haben.

Wenn sich ab Sonntag die Regierungschefs der sieben größten Industrienationen in Elmau treffen, werden sie unter anderem darüber beraten, welche Lehren sie aus der Ebola-Epidemie ziehen. Sie wollen nicht wieder von irgendeiner Seuche überrascht werden, die letztlich bis in ihre Länder vordringen könnte. Nachdem die internationale Hilfe viel zu spät in Westafrika ankam, soll es künftig zum Beispiel „Weißhelme“ für die Seuchenbekämpfung geben – gut ausgebildete Experten, die schnell entsandt werden können. Auch die Weltgesundheitsversammlung hat beschlossen, eine „Global Health Emergency Workforce“ zu bilden.

Wenn niemand die Epidemie bemerkt, rückt auch keine Seuchen-Feuerwehr an

Eine solche Feuerwehr ist wichtig, doch sie bewahrt die Welt nicht vor der nächsten Pandemie. Ebola konnte sich in Guinea vier Monate lang ausbreiten, bevor irgend jemand davon Notiz nahm und die WHO alarmierte. Das Virus wurde unbeabsichtigt in Krankenstationen, durch Hebammen und Heiler weitergetragen. Niemand isolierte die Kranken. Niemand kümmerte sich um die Art und Weise, wie die Toten beerdigt wurden. Niemand rechnete damit, dass es Ebola sein könnte.

Nicht auszudenken, wenn in einem solchen Umfeld ein Virus Fuß fasst, das neu, tödlich und leicht übertragbar ist. Bevor auch nur ein einziger Helfer eintrifft, wäre es längst außer Kontrolle. Noch dringender ist es daher, selbst in den ärmsten Ländern funktionierende Gesundheitssysteme aufzubauen. Das kostet Zeit und Geld und Geduld. Die Ergebnisse kann man nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt imagefördernd präsentieren. Sie sind abhängig von den Partnern vor Ort, von ihrem politischen Willen. Als ein Schritt nach vorn gilt das afrikanische Zentrum für Seuchenkontrolle, das im Sommer mit elf Mitarbeitern und einem Budget von sieben Millionen Dollar startet. Das ist nicht mehr als ein Anfang. Um erfolgreich zu sein, wären mindestens 300 Mitarbeiter und 60 Millionen Dollar jährlich nötig, schätzen Experten.

Abschottung hilft nicht dabei, neue Erreger zu verstehen

Niemand kann voraussagen, wo die nächste Pandemie beginnt und welches Virus sie verursachen wird. Mers, das wahrscheinlich vom Kamel auf den Menschen übertragen wird, bleibt ein Kandidat. Kein Grund zur Panik, sagen Forscher wie Christian Drosten von der Universität Bonn angesichts der Mers-Fälle in Südkorea. Vermutlich verlaufe die Infektion bei den meisten Menschen mild. Und Coronaviren könnten sich relativ schlecht an einen neuen Wirt anpassen. Trotzdem gibt es noch viel zu viele offene Fragen.

Dass es in den vergangenen drei Jahren kaum vorwärtsging, liegt nicht an knappen Ressourcen. Vielmehr hat sich Saudi-Arabien, das die meisten der mehr als 1150 Fälle zu beklagen hat, von Anfang an abgeschottet. Mühsam geschmiedete Forschungsallianzen sind seit dem Tod des Königs auseinandergebrochen. So kann man keinen neuen Erreger verstehen.

Es liegt aber auch am fehlenden Mut von Forschern, ihre Rohdaten zumindest in einer Krise zu teilen, statt nur auf eine Veröffentlichung in großen Fachjournalen zu schielen. Egal, ob es um Ebola oder Mers oder ein anderes Virus geht.

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