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Geisteswissenschaften: Mendelssohns Erben

Kollegium Jüdische Studien an der Humboldt-Universität gegründet

Historiker arbeiten an einer Datenbank zu jüdischen Unternehmen in Berlin, eine Kulturwissenschaftlerin untersucht „die Rolle des Juden in DEFA-Filmen“, Ethnologen erkunden „jüdische Räume“ in Berlin und Budapest: Diese und andere Projekte an der Humboldt-Universität kommen jetzt im Kollegium Jüdische Studien zusammen. Geleitet wird das Kollegium von der Kulturwissenschaftlerin Christina von Braun und von Julius Schoeps, Direktor des Moses-Mendelssohn-Zentrums in Potsdam. Beide werden nach ihrer Emeritierung an der HU beziehungsweise an der Universität Potsdam im Herbst Seniorprofessuren antreten.

„Die Shoa wird immer wieder die Betrachtungsweise bestimmen“, sagte von Braun am Montagabend bei der Eröffnung des Kollegiums. Im Mittelpunkt stehen solle jedoch das, was den deutsch- jüdischen Kontext über Jahrhunderte aufrechterhalten hat. Modellhaft untersucht werde dabei das deutsch-jüdische Leben in Berlin und Preußen. Diese Geschichte, die im 18. Jahrhundert mit Moses Mendelssohn, dem Begründer der jüdischen Aufklärung, begann, „wollen wir fortschreiben“, sagte Schoeps.

Zu den ersten Projekten des Zentrums gehört die Erfassung der Hebraica-Sammlung der Unibibliothek. Hierfür beantragen von Braun und Schoeps eine Förderung bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Der Bestand der hebräischen Schriften ist vollständig erhalten – im Gegensatz zur Sammlung der Staatsbibliothek, die der nationalsozialistischen Bücherzerstörung und Kriegsschäden zum Opfer fiel. Auch ein Graduiertenkolleg zur Erforschung jüdischen Lebens in Berlin beantragt das Kollegium bei der DFG.

Die Gründung des Kollegiums stehe in der Tradition der 1870 gegründeten Berliner Hochschule für die Wissenschaft des Judentums, sagte Festrednerin Susannah Heschel. Die Professorin für Jüdische Studien am Dartmouth College (New Hampshire) erinnerte an ein Forschungsthema der Hochschule – die Islamwissenschaft. Abraham Geiger, einer der Gründungsdozenten, war bereits 1833 mit seinem Essay „Was hat Mohammed aus dem Judentume aufgenommen?“ europaweit bekannt geworden. Eine Reihe weiterer jüdischer Orientalisten habe ein ganz anderes Bild vom Islam gezeichnet, als es unter nichtjüdischen Forschern verbreitet war.

Die jüdischen Wissenschaftler seien der These vom fanatischen, intoleranten Islam entgegengetreten, sagte Heschel. Für sie sei der Islam eine Schablone gewesen, um dem deutschen Publikum das Judentum vorzustellen – über die Konstruktion des beide Religionen verbindenden „ethischen Monotheismus“. Für das deutsch-jüdische Selbstverständnis habe dies eine große Rolle gespielt: Durch die Orientalisten lernten die deutschen Juden das Judentum als Ursprung des Christentums und des Islams kennen. Daran zu erinnern sei wichtig, wenn man heute darangehe, die deutsch-jüdischen Studien wiederaufzubauen.

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