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Geld für Bildung vom Bund: Warmer Regen für die Hochschulen

Der Bund steckt sechs Milliarden Euro in die Bildung – nun ist bekannt, wohin sie fließen. Was bringt das Ganze?

Mit sechs Milliarden Euro will der Bund die Länder bei der Bildung entlasten – so steht es im Koalitionsvertrag. Doch monatelang wurde gerungen, wie dieses Versprechen umgesetzt wird. Jetzt steht das Ergebnis fest: So übernimmt der Bund komplett die Finanzierung des Bafögs. Auch soll das Grundgesetz geändert werden, damit sich der Bund an der Finanzierung von Hochschulen beteiligen kann.

Wie sollen die Bildungsmilliarden verteilt werden?

Von den sechs Milliarden sollen fünf für Hochschulen und Schulen verwendet werden, eine für Kitas. Der Kern des Pakets besteht aus der kompletten Übernahme der Bafög-Finanzierung durch den Bund. Bisher trägt der Bund 60 Prozent der Mittel, die Länder 40 Prozent. Durch die Übernahme werden die Länder um 1,17 Milliarden Euro pro Jahr entlastet. Das frei werdende Geld sollen die Länder für ihre Hochschulen und Schulen verwenden. 500 Millionen Euro pro Jahr will der Bund zudem ab 2016/17 zahlen, um die Fördersätze für Schüler und Studierende beim Bafög zu erhöhen. Für die Kitas stockt der Bund das Sondervermögen Kinderbetreuung von 450 Millionen Euro auf bis zu einer Milliarde Euro auf. Der Festbetrag an der Umsatzsteuer soll 2017/18 zugunsten der Länder jeweils um 100 Millionen Euro steigen.

Berlin rechnet nach Auskunft der Finanzverwaltung allein beim Bafög mit einer Netto-Entlastung von rund 60 Millionen Euro im Jahr. Durch die Aufstockung beim Sondervermögen Kinderbetreuung kämen einmalig rund 26 Millionen Euro hinzu. Die Länder profitieren auch davon, dass der Bund im Vorgriff auf das Bundesteilhabegesetz einen höheren Anteil an der Wohnkostenunterstützung übernimmt. Berlin rechnet hier mit 70 Millionen Euro Entlastung.

Wird das Geld in den Ländern auch wirklich Schulen und Hochschulen zugute kommen?

Jürgen Zöllner (SPD), Vorstand der Stiftung Charité und früher Berlins Wissenschaftssenator, nennt die Einigung zwar einen „guten Durchbruch“. Aber der Erfolg werde daran zu messen sein, ob die neuen Spielräume durch die Bafög-Entlastung tatsächlich der Wissenschaft zugute kommt. Da sei durchaus Skepsis geboten. Vor Journalisten hatte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) am Dienstag erklärt, natürlich sei die Zweckbindung „nicht justiziabel“. Aber es sei nun mal eine Verabredung: „Wir gehen davon aus, dass sie eingehalten wird.“ Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz fügte hinzu, es gebe ein „Vertrauensverhältnis“ zwischen Bund und Ländern. Außerdem sei „die Not in der Bildung so groß, dass es gar nicht anders geht“.

Aber nicht nur Zöllner ist skeptisch. Hinter den Kulissen sagen Kenner, Finanzminister könnten den Haushalt ohne Mühe so manipulieren, dass eine Erhöhung für Bildung formal enthalten ist, ohne dass dorthin dann wirklich Geld fließt. Der Berliner SPD-Bundestagsabgeordnete Swen Schulz forderte ein „Monitoring“. Die Länder müssten nachweisen, wohin das Geld geflossen ist.

Wie Berlin von dem Geld profitiert

Was bedeutet die Einigung für Berlin?

Für Berlin ist die Einigung „ein Knaller“, sagte Schulz. Denn weil Berlin sehr viele Studierende aus der ganzen Republik aufnimmt, hat es auch viele Bafög-Empfänger, wird also stärker entlastet, als es bei einer alleinigen Umverteilung von Umsatzsteuerpunkten der Fall gewesen wäre. Profitieren könne Berlin auch vom neuen Grundgesetz, wenn die Formulierung so durchkommt, wie sie nun vorgeschlagen wird: Bund und Länder können in Forschung und Lehre in Fällen von „überregionaler Bedeutung“ zusammenwirken. Berlin hat eine lange Reihe solcher Fälle, in denen eine Bundesfinanzierung in Betracht käme. Allerdings gehen Kenner davon aus, dass SPD und Grüne versuchen werden, genau diesen Passus wegzuverhandeln, um auch regionalen Hochschulen mit Bundesmitteln aufzuhelfen.

Für den Präsidenten der TU Berlin, Christian Thomsen, ist klar, wohin die Bafög-Millionen fließen müssen. „Vor allem die Gebäude der Hochschulen aus den 70er Jahren sind marode, vielerorts stehen Asbestsanierungen an.“ Ebenso sanierungsbedürftig seien viele Schulgebäude. Den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) forderte Thomsen deshalb auf, „das Geld vollständig an genau die Bildungseinrichtungen durchzureichen, denen die Bafög-Entlastung zusteht.“ Der Präsident der Humboldt-Universität, Jan-Hendrik Olbertz, fügte hinzu, dass auch der Landeszuschuss der Hochschulen dringend erhöht werden müsse. „Wir sind bundesweit nicht mehr konkurrenzfähig, die Unis im Süden bieten weitaus bessere Bedingungen.“

Die Berliner Wissenschaftsverwaltung nannte es am Dienstag „verfrüht“, konkrete Maßnahmen zu benennen. Baumaßnahmen bei den Hochschulen würden wie der Ausbau der Kitas „oben auf der Agenda“ stehen. Finanzsenator Ulrich Nußbaum begrüßte die Einigung auf Anfrage. Er wollte sich aber nicht dazu äußern, ob er garantieren könne, dass wirklich alles frei werdende Geld in die Bildung fließen werde.

Was ist jetzt für das Bafög zu erwarten?

Dass der Bund das Bafög komplett übernimmt, sieht Achim Meyer auf der Heyde, Generalsekretär des für die Auszahlung der Förderung zuständigen Deutschen Studentenwerks, zunächst positiv. Die Länder hätten in den vergangenen Jahren eine Erhöhung der Sätze „blockiert“: „Dieses Hickhack ist jetzt vorbei.“ Künftige Forderungen könnten nun auch gezielter als bisher beim Bund vorgetragen werden. Gleichwohl gibt es für Meyer auf der Heyde heikle Punkte. So zum Beispiel bei der Frage, zu welchen Anteilen das Bafög als Darlehen und als Zuschuss gewährt wird. Bisher müssen Bafög-Empfänger die Hälfte wieder zurückzahlen, die andere Hälfte erhalten sie als Zuschuss. Das Verhältnis könne der Bund jetzt als alleiniger Träger einfacher zuungunsten der Studierenden ändern.

Auch die Erhöhung der Bafög-Sätze zum Wintersemester 2016/17 komme „sehr spät“. Dann werde es sechs Jahre lang keine Erhöhung gegeben haben. Wie stark die Sätze steigen, ist ohnehin offen. Wanka sprach lediglich von einer "substanziellen" Erhöhung. Das Studentenwerk forderte bereits 2013 eine Steigerung der Bedarfssätze um zehn Prozent sowie der Elternfreibeträge um 7,5 Prozent. Dazu würden die 500 Millionen Euro aber nicht ausreichen. Vielmehr bräuchte man nach Berechnungen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung allein 699 Millionen Euro, um eine zehnprozentige Bedarfsatzsteigerung mit einer etwas niedrigeren Erhöhung der Elternfreibeträge um fünf Prozent zu koppeln.

Wie geht es mit Hochschulpakt und Exzellenzinitiative weiter?

Der Bund will auch die großen Programme Hochschulpakt und Exzellenzinitiative weiterfinanzieren, ein zusätzliches Drei-Milliarden-Euro-Paket wird geschnürt. Als „ausgesprochen kreativ“ lobt Berlins Ex-Senator Jürgen Zöllner, dass das Bundesministerium sich dabei Luft verschafft, indem die ursprünglich im Drei-Milliarden-Paket vorgesehenen Mittel für den Hochschulpakt von 1,315 Milliarden Euro in den Topf der sechs Milliarden Euro verschoben wurden. Das Ministerium kann so mit Mitteln aus dem Drei-Milliarden-Topf seinen überdehnten Haushalt entlasten, aber eben auch inhaltliche Akzente bei der Verstetigung der Exzellenzinitiative setzen.

Ein Teil der drei Milliarden wird in die außeruniversitäre Forschung fließen, deren um drei Prozent wachsende Mittel der Bund allein übernehmen will. Wie viel Geld für die universitäre Spitzenforschung übrig ist, hängt davon ab, welche Summen für existierende Programme verwendet werden. Insider rechnen mit rund 500 Millionen Euro für die Uniforschung. Auch wird damit gerechnet, dass der Hochschulpakt aufgestockt werden muss, da die Kultusminister in ihrer jüngsten Prognose von einer anhaltend hohen Zahl von Studienanfängern bis 2020 ausgehen.

Was bedeutet die Vereinbarung für die künftigen Bund-Länder-Finanzbeziehungen?

Mit der Übernahme der Komplettfinanzierung des Bafög,und der schrittweisen Übernahme der Kosten der Unterkunft für Hartz-IV-Empfänger beginnt eine Entflechtung der komplizierten Finanzierungsstrukturen der drei föderalen Ebenen. Das schafft klarere Verantwortlichkeiten bei Bund, Ländern und Kommunen und neue Finanzspielräume für Länder und Kommunen. Auch die Erhöhung des Umsatzsteueranteils der Gemeinden und die Anhebung der Kita-Unterstützung sorgt für mehr Finanzkraft vor Ort.

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