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Wissen: Gemeinsam für Bildung

„Treffpunkt Tagesspiegel“ im Hotel Intercontinental: Bund und Länder sollen enger zusammenarbeiten

„Die Föderalismusreform ist ein großer und ernst zu nehmender Fehler in der deutschen Bildungs- und Wissenschaftspolitik.“ Dies habe er schon als Kultusminister in Sachsen-Anhalt vertreten, sagt Jan-Hendrik Olbertz, Präsident der Humboldt-Universität. Bildung als nationale Aufgabe „darf nicht in Länderzuständigkeiten zerrieben werden“. Olbertz’ Verzweiflung angesichts unzureichender Frühförderung, maroder Schulen und verarmter Hochschulen gipfelt beim „Treffpunkt Tagesspiegel“ am Montagabend im Hotel Intercontinental in dem Ausruf: „Diese archaische Art von Föderalismus dürfen wir nicht weiterbetreiben.“

Doch Olbertz und weitere Bildungsexperten auf dem Podium schöpfen am Ende Hoffnung. Zwar verteidigen Ländervertreter ihre Zuständigkeit für Schulen und Hochschulen und lassen Bundeshilfen nur in Sonderfällen und auf Zeit zu. Anträge zur Reform der Föderalismusreform scheiterten kürzlich bei Parteitagen der FDP und der CDU. Wie stark die Antagonismen in der Bildungspolitik sind, zeigt auch ein Statement von Stefan Kaufmann (CDU), Mitglied im Bildungsausschuss des Bundestages, zur Dreigliedrigkeit. Es entspreche „dem christlichen Menschenbild“, dass Kinder unterschiedliche Begabungen in verschiedenen Schulformen entwickeln. Kopfschütteln auf dem Podium und im gut gefüllten Saal.

In der Frage aber, wie viel Bund die Bildung zumindest bei der Finanzierung braucht, scheint man sich anzunähern. Kaufmann ist sich nicht nur mit dem parteilosen Olbertz, der als Minister CDU-geführten Regierungen angehörte, weitgehend einig: „Wir verschließen uns nicht gegen Projekte, die die Trennung von Universitäten und außeruniversitären Einrichtungen aufbrechen.“ Um kompliziert konstruierte Modellprojekte wie das Karlsruher KIT oder die geplante Fusion von Charité und Max-Delbrück-Zentrum besser abzusichern, „kann es auch zu rechtlichen Änderungen kommen“, sagt Kaufmann. Ulla Burchardt (SPD), Vorsitzende des Bildungsausschusses, sieht das Kooperationsverbot schon kippen. „Im Bundestag gäbe es ohne Fraktionszwang eine Mehrheit dafür.“ Sie hat einen Vorschlag mitentwickelt, für den die Zustimmung beim SPD-Parteitag im Dezember sicher sei. Ein neuer Artikel 104 c im Grundgesetz soll festlegen: „Der Bund kann den Ländern Finanzhilfen für Bildungsausgaben gewähren.“ Alle Länder sollen gleich behandelt, ihre Bildungshoheit beachtet werden. Vereinbarungen können die Länder nur einstimmig fassen. Dies seien „vertrauensbildende Maßnahmen“ für die Ministerpräsidenten, sagt Burchardt.

„Das Kooperationsverbot wird als Hindernis empfunden, es gehört abgeschafft oder gelockert“, fasst Moderator George Turner zusammen. Aber einen Zentralismus wolle niemand.

In den von der Schuldenbremse gebeutelten Ländern und Kommunen wächst der Bedarf für Bundeshilfen. Egon Tegge, Leiter des Hamburger Goethe-Gymnasiums, ist an sich ein erfolgreicher Verwalter des Mangels. Er schuf einen eigenen Arbeitsplatz für jede Lehrkraft und hängte Beamer in alle Klassenräume. Die politisch gewollte Inklusion von Kindern mit Behinderungen jedoch stelle die Schulen vor unlösbare Probleme. „Es fehlen die räumlichen und pädagogischen Voraussetzungen“, sagt Tegge. Auch Lorenz Maroldt, Chefredakteur des Tagesspiegels, sieht die Schulen überfordert, viele seien baulich so heruntergekommen, dass Kinder dort nicht gerne lernen. Zugleich sei der permanente Umbau des Schul- und Hochschulsystems verfehlt. Zumal die Landespolitik nur im Wahlkampf Bildung zur Priorität mache. Beispiel Berlin: Der neue Senat ist gegen das Kooperationsverbot, will sich aber lediglich für eine „neue Kooperationskultur“ einsetzen – nicht gerade eine starke Position, findet Maroldt. Und für die Trennung von Wissenschaft und Forschung in zwei Ressorts fände sich keine inhaltliche Begründung. Olbertz teilt die Empörung. Die Unis stünden mitten im Exzellenzwettbewerb und hätten „keine Kraft, die Folgen dieser Fehlentscheidung zu heilen“. Amory Burchard

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