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"Rassische Prüfung". Einreisende "Volksdeutsche" mussten ein aufwändiges Verfahren über sich ergehen lassen.

© Broschüre

"Generalplan Ost"-Ausstellung in Berlin: Wissenschaft im Dienst der Nazis

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) war eng in die Entstehung des „Generalplan Ost“ in der NS-Zeit verstrickt. Eine Ausstellung zur Beteiligung der DFG macht nun Station in der Topographie des Terrors in Berlin.

Der „Generalplan Ost“, die Planung des NS-Regimes zur Germanisierung der eroberten Gebiete Osteuropas, ist lange Zeit als bloße Phantasterei der SS und ihrer Volkstums-Ideologen abgetan worden. Diese Verharmlosung nahm ihren Anfang in den Nürnberger Prozessen, wo es den Protagonisten des Generalplans, voran Konrad Meyer, gelang, ihren Planspielen den Charakter unpolitischer Grundlagenforschung zu geben. Meyer indessen war alles andere als unpolitisch. Der habilitierte Agrarwissenschaftler trat bereits 1932 im Alter von 30 Jahren in die NSDAP ein und machte unter dem NS-Regime steil Karriere.

Die Wissenschaft im Dienst der Nazis

So wurde er 1936 Vizepräsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Und die DFG ist in die Entstehung des „Generalplans Ost“ eng verstrickt. Im Rahmen des Forschungsprojekts zur Geschichte der DFG zwischen 1920 und 1975, das die Historiker Ulrich Herbert (Freiburg) und Rüdiger vom Bruch (HU Berlin) leiten, kam so auch die Wissenschaftsgeschichte des bis dahin allein unter politischen Aspekten betrachteten „Generalplans“ zutage. Eine kleine, konzentrierte Stelltafelausstellung, die die Indienstnahme der Wissenschaften im Nazi-Reich an eben diesem Beispiel darstellt und die seit 2006 durch zahlreiche Städte tourt, hat nun in der Berliner Topographie des Terrors Station gemacht.

Die Verstrickung der DFG

Es geht also nicht um die Entstehung und Implementierung des im Übrigen durchaus nicht nur Papier gebliebenen „Generalplans“, sondern um die Verstrickung der DFG. Immerhin stellte die Finanzierung der Planung zeitweise die größte Einzelförderung der DFG dar. Meyer, der parallel zum Aufstieg im Staatsdienst und in der DFG auch in der SS Karriere machte, wurde 1939 zum Chef der „Hauptabteilung Planung und Boden“ beim „Reichskommissar zur Festigung deutschen Volkstums“ (RKF) berufen. Er gelangte so an eine Schaltstelle der Ansiedlungs- und Vertreibungspolitik, die die SS nach dem als siegreich vorausgesetzten Krieg umsetzen wollte, aber auch schon während des Vordringens der Wehrmacht an einzelnen Orten und mit der Vertreibung zehntausender Menschen erprobte. „Reichskommissar“ war kein anderer als SS-Chef Heinrich Himmler, der sich diesen Titel selbst ausgesucht hatte.

Nach dem Krieg ließ es sich leicht als unpolitisch darstellen

Der für das NS-Regime kennzeichnenden Ämterkonkurrenz entsprechend waren neben Meyers Abteilung mehrere weitere Dienststellen der an der Ausarbeitung der insgesamt fünf Varianten des „Generalplans“ zwischen 1940 und 1943 beteiligt. Meyer allerdings genoss die Förderung der DFG. Seine Arbeit zielte auf die Schaffung einer Agrargesellschaft in den Weiten des europäischen Ostens unter anderem durch Neuzuschnitt der Ackerflächen und Steigerung der Produktion; Ziele, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg leicht als unpolitische Wissenschaft darstellen ließen, wie sie Meyer alsbald in der Bundesrepublik fortsetzen konnte. Ab 1956 hatte er den Lehrstuhl für Landesplanung und Raumforschung an der renommierten TU Hannover inne. Sogar DFG-Mittel erhielt er erneut, wenngleich in bescheidenem Umfang.

Warum geriet der "Generalplan Ost" aus dem Blick?

Warum der „Generalplan Ost“ derart aus dem Blickfeld geraten konnte, macht Isabel Heinemann (Münster), eine der Autorinnen der Ausstellung und des begleitenden Katalogs, deutlich: Die verräterischen Vokabeln wie „Vernichten“ oder „Sonderbehandlung“ – das NS-Codewort für Ermordung – finden sich in den Planpapieren nicht. Ausbeutung, Deportation und Vernichtung wurden stillschweigend vorausgesetzt. Die Westen der Wissenschaftler, so machten sie nach 1945 glaubhaft, blieben rein.

- Topographie des Terrors, Niederkirchnerstraße 8, noch bis 30. August. Begleitbroschüre unentgeltlich. Mehr unter www.dfg.de/generalplan-ost

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