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Genetik: Bakteriengenom in dem einer Fliege gefunden

DNA-Transfer von Bakterien auf Tiere ist häufiger als angenommen

Forscher haben in der DNA einer Fruchtfliege eine Überraschung entdeckt: etwas, das das gesamte Genom des parasitären Bakteriums Wolbachia zu sein scheint. Kleine Teile des genetischen Materials des Parasiten waren zuvor bereits im Würmern und Wespen gefunden worden.

Die Größe der Insertion in der Fruchtfliege Drosophila ananassae - mehr als eine Million Basenpaare - überraschte die Forscher. Wenn Bakterien-DNA derart häufig in anderen Lebewesen vorkommt, sollten Wissenschaftler vorsichtig sein und sie nicht fälschlich als Kontamination abtun und während einer Sequenzierung verwerfen, warnen sie.

Es war seit längerem bekannt, dass Organismen in der Lage sind, fremde Gene aufzunehmen, so tauschen zum Beispiel Bakterien ihre DNA untereinander aus. Mitochondrien- und Chloroblasten-DNA hat ebenfalls ihren Weg in das Genom mehrzelliger Eukaryonten (zu denen Pflanzen und einige Tierarten zählen) gefunden. Ferner wurden in einem Wurm, der als Pflanzenparasit gilt, Gene eines Bakteriums gefunden, das im Boden Nitrogen fixiert. Der Transfer von Bakteriengenen auf Tiere wurde jedoch als selten erachtet.

Die neue Studie, die in Science (1) veröffentlicht wurde, legt nahe, dass der Genfluss von Bakterien auf tierische Wirte in größeren Umfang und häufiger geschieht als bislang angenommen.

Die Entdeckung legt ebenfalls nahe, dass das Bakteriengenom irgendeinen Vorteil für seinen Wirt mit sich gebracht haben muss. "Wir sprechen hier über einen signifikanten Anteil seiner DNA, die nun vom Bakterium stammt", sagt Julie Dunning Hotopp, Genetikerin am J. Craig Venter Institute in Rockville, Maryland, die die Studie leitete. "Es muss einen Selektionsvorteil mit sich bringen, wenn man soviel zusätzliche DNA mit sich herumträgt."

Genom in einem Genom

Ein Fünftel bis drei Viertel aller Insektenspezies wird von Wolbachia geplagt, die in den Keimdrüsen lebt und von einer Generation Weibchen an die nächste weitergegeben wird. Seine enge Verbindung zu Eizellen eröffnet der Bakterien-DNA viele Möglichkeiten, sich permanent in das Genom des Wirts zu implementieren, sagt Dunning Hotopp, deren Team erwartet hatte, kleine Anteile des Genoms des Parasiten in den Fruchtfliegen zu finden. Ein japanisches Team hatte bereits vor ein paar Jahren ein einzelnes Wolbachis-Gen in einem Käfer gefunden (2) und Dunning Hotopp und ihre Kollegen erwarteten mehr oder weniger dasselbe.

Stattdessen entdeckten sie, dass die Fliege das Genom praktisch als Ganzes aufgenommen hatte. Das Team untersuchte Drosophilae, die nicht akut von Wolbachis befallen waren, und suchte nach 45 aus dem Bakteriengenom ausgewählten Genen. Sie fanden 44. Da diese Gene weit über das Bakteriengenom verteilt liegen, liegt die Vermutung nahe, dass der Rest des Genoms ebenfalls in der Fliege vorkommt.

Mindestens 28 der 45 untersuchten Gene waren in den Fliegen aktiv, wie die Forscher zeigen konnten. Sie wissen bislang nicht, ob diese Gene Proteinen produzieren oder welchen Effekt sie haben. "Sie könnten wesentlich sein", so John Werren, Biologe an der University of Rochester in New York und Mitglied des Teams. Wären die Gene nicht funktional, meint er, wären sie durch Mutation entfernt worden.

Wann die Insertion auftrat, ist nicht zu sagen, da sie aber einmalig für Drosophila ananassae ist, könnte sie aufgetreten sein, nachdem sich die Spezies von anderen Fruchtfliegen abspaltete.

Das Team fand kürzere Stränge der Wolbachia-DNA in Nematoden, Wespen und einem Moskito, woraus sich schließen lässt, dass diese Art DNA-Transfer relativ üblich ist.

Kein Abfall

Durch die Studie sollten alle, die an der Genom-Sequenzierung arbeiten, etwas vorsichtiger werden, meint Ulfar Bergthorsson, Genetiker and er University of New Mexico in Albuquerque.

Bei der Sequenzierung sortieren üblicherweise Computerprogramme bakterielle Gene aus dem ermittelten Code aus, da man bislang davon ausging, dass es sich um schlichte Kontamination handle. Aber der Genfluss von Bakterien auf Insekten sollte Forscher vorsichtiger werden lassen, so Bergthorsson. "Es ist ungerechtfertigt, bakterienartige Gene bei der Sequenzierung auszuschließen."

Da die DNA von immer mehr Organismen entschlüsselt wird, sind sich Forscher sicher, weitere Gene zu finden, die von Bakterien auf Tiere übertragen wurden, speziell Reptilien und Amphibien, sagt Werren. Bakterielle Gene auch in Säugetieren zu finden ist unwahrscheinlich, denn kein Bakterium ist dafür bekannt, ihre Keimzellen zu infizieren.

(1) Dunning Hotopp, J. C., et al. Science doi:10.1126/science.1142490 (2007). (2) Kondo, N., et al. Proc. Nat. Acad. Sci. 99 14280-14285 (2002).

Dieser Artikel wurde erstmals am 30.8.2007 bei news@nature.com veröffentlicht. doi:10.1038/news070827-6. Übersetzung: Sonja Hinte. © 2007, Macmillan Publishers Ltd

Ewen Callaway

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