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Genetik: Luftverschmutzung verursacht Spermienmutationen

Männliche Mäuse, die Großstadtluft atmen, tragen mehr Mutationen.

Wissenschaftler haben herausgefunden, dass Luftverschmutzung Spermienmutationen bei Mäusen, die in Industriestädten aufgezogen werden, verursachen kann. Die Ergebnisse tragen zu der anhaltenden Besorgnis hinsichtlich der Effekte, die Luftverschmutzung auf die Gesundheit und die Fruchtbarkeit des Menschen hat, bei.

Die Mäuse, die in Käfigen in Schuppen, die in Windrichtung zweier Stahlwerke und eines belebten Highways in einer kanadischen Stadt lagen, gehalten wurden, zeigten vermehrt genetische Mutationen im Vergleich zu ähnlich untergebrachten Mäusen, die gefilterte Luft atmeten. Die DNA im Sperma der Mäuse aus der verschmutzten Region trug 60 % mehr Mutationen, mehr Defekte und besaß mehr Basenpaare, die durch das Anhängen einer Methylgruppe modifiziert worden waren. Diese Methylierung genannte Modifikation hat Einfluss darauf, ob ein Gen exprimiert wird.

All diese Modifikationen können, zumindest in der Theorie, die Genexpression und -funktion bei den Nachkommen dieser Mäuse verändern, was jedoch bislang nicht direkt untersucht wurde.

"Es ist wichtig, jetzt den nächsten Schritt zu machen: festzustellen, ob dies auch auf Menschen zutrifft", sagt Jonathan Samet, Epidemiologe an der Bloomberg School of Public Health an der Johns Hopkins University in Baltimore, Maryland.

Schwer atmen

Luftverschmutzung wird beim Menschen mit kardiovaskulären und Atmungsproblemen, Entwicklungsdefekten und Lungenkrebs in Verbindung gebracht. Die Untersuchung des Effekts der Verschmutzung auf das Sperma haben Wissenschaftler jedoch gerade erst in Angriff genommen.

"Es gibt bereits Arbeiten zu Auswirkungen von Verschmutzung auf die Fortpflanzung, sie haben sich jedoch weitestgehend auf die Folgen für eine Schwangerschaft konzentriert, nicht auf die Effekte bei Männern", erklärt Samet.

Epidemiologische Studien haben eine Verbindung zwischen Luftverschmutzung und verminderter Fertilität bei Männern nahegelegt, in derartige Studien spielten jedoch auch Unterschiede im Lebensstil, wie Ernährung und sozialer Status, hinein. Keine dieser Studien wurde mit Menschen aus Hamilton Harbour, Kanada, durchgeführt, wo die Mäusestudien stattfanden.

Frühere Arbeiten haben gezeigt, dass die Nachkommen von Vögeln, die in der Nähe eines Stahlwerks brüteten, mehr DNA-Mutationen ererben als ihre Artgenossen, die in ländlicher Umgebung leben. Daraufhin erbrachten Studien mit Mäusen einen möglichen Grund für dieses Muster. Kanadische Forscher fanden heraus, dass das Ausfiltern verschmutzter Luft das Risiko, genetische Mutationen zu ererben, bei Käfigmäusen, die in der Nähe von Hamilton gehalten wurden, verringerte (1). Der Großteil der verschmutzungsbedingten Mutationen wurde vom Vater vererbt (2).

Für ihre Arbeit, die diese Woche in Proceedings of the National Academy of Science USA (3) veröffentlicht wird, kehrten Carole Yauk von Health Canada und ihre Kollegen nach Hamilton zurück. Dieses Mal untersuchten sie männliche Mäuse auf direkte Hinweise für eine DNA-Schädigung in ihren Spermien.

Schwerer Schaden

Nachdem sie drei Wochen lang die Luft von Hamilton geatmet hatten, zeigten die Mäuse bereits mehr Anzeichen einer genetischen Schädigung als die Mäuse der Kontrollgruppe, die gefilterte Luft atmeten. Nach zehn Wochen war ihre DNA signifikant stärker methyliert als in der Kontrollgruppe. Und 16 Wochen nach Beginn des Experiments wies ihre DNA mehr Mutationen in einer bestimmten Region auf als bei den Kontrollmäusen.

Wie genau die DNA-Schäden verursacht werden, bleibt unklar. "Es ist ein ziemlicher Sprung vom Einatmen verschmutzter Luft zur Schädigung der Keimzellen in den Hoden dieser Mäuse", sagt Christopher Somers, Biologe an der Universität von Regina in Saskatchewan und einer der Autoren der Studie.

Die Wissenschaftler testeten die DNA ebenfalls auf Anzeichen direkter Mutagenese durch eine chemische Komponente, polyzyklische aromatische Hydrocarbone genannt. Obwohl bekannt ist, dass sie Mutationen verursachen und die Luft von Hamilton mit ihnen angereichert ist, gab es keine Anzeichen dafür, dass sie für die Genmutationen verantwortlich waren.

Das könnte bedeuten, dass die Veränderungen eine generellere Reaktion auf diese Art der Verschmutzung sind, sagt Somers. Metallische Verbindungen könnten beispielsweise die Produktion chemisch reaktiver Sauerstoffformen, so genannte reaktive Sauerstoffarten (freie Radikale), befördern. "Sollte dies die Ursache sein, würde man annehmen, dass sie genereller auftritt, nicht nur in der Nähe von Stahlwerken", meint Samet.

(1) Somers, C. M. , McCarry, B. E. , Malek, F. & Quinn, J. S. Science 304, 1008-1010 (2004) (2) Somers, C.M. et al. Proc. Natl Acad. Sci. USA 99, 15904-15907 (2002) (3) Yauk, C. et al. Proc. Natl Acad. Sci. USA 105, 605-610 (2008)

Dieser Artikel wurde erstmals am 13.1.2008 bei news@nature.com veröffentlicht. doi: 10.1038/news.2008.439. Übersetzung: Sonja Hinte. © 2007, Macmillan Publishers Ltd

Heidi Ledford

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