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Genetik: Richtlinien für Gentests an Embryonen benötigt

Experten warnen vor der Verwendung von Tests zur Aufdeckung von Krankheiten, die im Erwachsenenalter manifest werden.

Paare könnten bald eine Technik nutzen, um die genetische Ausstattung ihres Kindes zu wählen, die von Unternehmen im Bereich personal genomics vertrieben wird.

Auf einem Meeting der American Society for Reproductive Medicine in San Francisco warnten Wissenschaftler letzte Woche, dass sie die Verwendung von Gentests für diesen Zweck nicht befürworten können. Wenn die Technologie jedoch weiter voranschreitet, wird die Nachfrage wahrscheinlich sozialethische Bedenken überwiegen. "Wenn die Leute denken, sie können ihre Babies im Alter von einem Jahr, zwei Jahren oder in utero gesünder machen, werden sie es tun", sagt Jacques Cohen, Forschungsdirektor bei Reprogenetics, einem Unternehmen in West Orange, New Jersey.

Fertilisationsmediziner nutzen genetische Analysen bereits, um embryonale Zellen auf spezifische Chromosomenanomalien wie den Verlust ganzer Chromosomen zu untersuchen. Die Analysen helfen den Eltern bei der Entscheidung, welcher Embryo im Zuge einer In-vitro-Fertilisation in den Uterus eingesetzt werden soll. Nun haben Wissenschaftler mit detaillierteren Analysen begonnen, die auf Microarrays basieren, um das Genom des Embryos zu untersuchen. Einige dieser Microarrays enthalten tausende winziger genetischer Marker, sogenannte Single-Nukleotid-Polymorphismen (SNP), die genutzt werden, um die chromosomale Ausstattung des Embryos zu rekonstruieren.

Die "SNP-Chips", die bei diesen Tests verwendet werden, die in den USA verkauft werden und demnächst auch in Großbritannien erhältlich sein könnten, ähneln denen, die Unternehmen verwenden, die persönliche Genomanalysen erstellen. Das heißt, sie könnten potenziell dazu genutzt werden, das Risiko eines Embryos für eine im Erwachsenenalter beginnende Erkrankung - wie Diabetes oder Fettsucht -zu schätzen oder andere Merkmale wie Haar-, Augen- und Hautfarbe zu bestimmen.

Verbände und Regierungen haben noch nicht entschieden, wie sie mit Präimplantationstests für das Risiko solcher Erkrankungen umgehen wollen, da sie bislang nicht möglich waren. Die Human Fertilisation and Embryology Authority (Behörde für menschliche Befruchtung und Embryologie) in Großbritannien zum Beispiel erlaubt Kliniken genetische Präimplantationsdiagnostik, um auf ernste Erkrankungen zu untersuchen, die durch ein einzelnes Gen verursacht werden und im Erwachsenenalter beginnen, wie Krebserkrankungen, und nach Genen zu suchen, die wahrscheinlich, aber nicht sicher Erkrankungen verursachen, wie BRCA1, das Risikogen für Brustkrebs.

Die meisten Erkrankungen, die im Erwachsenenalter manifest werden, wie Diabetes, beruhen jedoch auf multiplen genetischen Faktoren - von denen die meisten immer noch unbekannt sind. Und SNP ermöglichen lediglich eine grobe Schätzung des Erkrankungsrisikos einer Person; sie bestimmen nicht, dass ein Embryo zu einer Person heranwächst, die die Erkrankung tatsächlich bekommen wird.

Reproduktionsgenetiker scheinen sich vorsichtig auf diesem kontroversen Grund zu bewegen. "Wir haben die Information", sagt William Kearnes, Direktor des Shady Grove Center for Preimplantation Genetics in Rockville, Maryland. "Doch dass wir sie haben, heißt nicht, dass wir sie verwenden sollten." Kearnes Center wird ab nächsten Monat SNP-basierte Analysen chromosomaler Anomalien anbieten, jedoch keine Risikoinformationen über komplexe multigenetische Erkrankungen an künftige Eltern weitergeben.

Das wird auch Gene Security Network, ein Unternehmen in Redwood City, Kalifornien, nicht tun, das bereits Microarray-basierte Präimplantationstests für Chromosomenanomalien und bestimmte Erkrankungen an Fertilisationskliniken verkauft. "Jede Erkrankung, auf die wir testen, ist böse, beginnt früh und ist ethisch unkompliziert", erklärt Dave Johnson, Leiter Forschung und Entwicklung.

Alan Handyside, Begründer der genetischen Präimplantationsdiagnostik und Direktor des London Bridge Fertility, Gynaecology and Genetics Centre, entwickelt ebenfalls einen Microarray-basierten Test, der in einigen Monaten in die klinische Testphase gehen soll.

Cohen ist der Meinung, dass die Verwendung von Tests, die heute kontrovers erscheinen, akzeptabler wird, je weiter das Verständnis von der Genetik bestimmter Erkrankungen voranschreitet: "Wenn man die Möglichkeit hatte, dass Risiko seines Kindes für bestimmte Erkrankungen wie Diabetes zu verringern, und man hat es nicht getan, wird einem die Gesellschaft das vorwerfen."

Dieser Artikel wurde erstmals am 19.11.2008 bei news@nature.com veröffentlicht. doi: 10.1038/456288a. Übersetzung: Sonja Hinte. © 2007, Macmillan Publishers Ltd

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