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Am Anfang. Eine Laborantin verfolgt das Wachstum eines Embryos in der Petrischale nach künstlicher Befruchtung.

© dpa

Gentest an Embryonen: "Eine Entscheidung der Eltern"

Experten diskutieren, wann ein Gentest an Embryonen erlaubt werden sollte. Wahrscheinlich wird es nicht mehr als 300 Fälle pro Jahr geben.

Mit drei Exemplaren des Chromosoms 13 ausgestattet zu sein, bedeutet meist den frühen Tod: unmittelbar nach der Geburt oder schon im Mutterleib. Das unterscheidet diese und andere Chromosomenstörungen von der Trisomie 21, besser bekannt als Down-Syndrom. Peter König, Richter am 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs, kennt sich auf Gebiet der Chromosomenstörungen inzwischen gut aus. Er und seine Kollegen haben sich in den Fall des Berliner Fortpflanzungsmediziners Matthias B. vertieft und im Juli dieses Jahres geurteilt, dass der Arzt nicht gegen geltendes Recht verstieß, als er bei drei Paaren nach einer künstlichen Befruchtung die Eizellen vor dem Einsetzen in die Gebärmutter auf eine solche Auffälligkeit untersuchte. Die Paare wünschten sich ein Kind, hatten aber nach leidvoller Erfahrung Angst, es könnte für sie zum wiederholten Mal derart tragisch enden. „Es ging um Fälle, in denen Fehl- oder Totgeburten abzusehen waren“, sagt König.

Er war einer der Gäste in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, wo es am Montagabend um die Frage ging: Führt das Urteil zu einem veränderten Umgang mit Embryonen? Dass die Debatte um die Präimplantationsdiagnostik (PID) nun, einige ruhige Monate nach dem Urteil, wieder aufflammen würde, konnten die Veranstalter kaum ahnen. Zwar hat der Deutsche Ethikrat für Sommer 2011 eine Stellungnahme angekündigt, doch in der Öffentlichkeit war es zeitweise still um das brisante Thema geworden.

Nach Einschätzung von Monika Uszkoreit, Geschäftsführerin des Bundesverbandes der Reproduktionsmedizinischen Zentren, ist es rein zahlenmäßig auch kein „großes“ Thema: „Wir schätzen, dass sich jetzt pro Jahr maximal 200 bis 300 Paare bei uns melden werden, die sich eine solche Untersuchung wünschen.“ Schließlich spreche man hier nicht von Paaren mit Fruchtbarkeitsproblemen, die sich ihren Kinderwunsch nur nach einer In-Vitro-Befruchtung (IVF) erfüllen können. Sondern von Menschen, die um ihr genetisches Risiko wissen und die Prozedur bewusst auf sich nehmen, um unter mehreren befruchteten Eizellen die auswählen zu können, die ihnen die Chance auf ein lebensfähiges Kind gibt.

Mit dem Embryonenschutzgesetz ist die PID nach Ansicht der Richter vereinbar, weil eine der Absichten des Paares und des Arztes in der „Herbeiführung einer Schwangerschaft“ besteht, wie König erläuterte.

Die ehemalige Bundesgesundheitsministerin und Grünen-Politikerin Andrea Fischer gewichtet hier deutlich anders. Wer die PID anwende, der beabsichtige, Embryonen mit Veränderungen zu vernichten. Mit der Bundeskanzlerin Angela Merkel ist sie sich zudem einig, dass es kompliziert sein dürfte, „schwere Fälle“ zu definieren und die Methode darauf zu begrenzen.

Das bestätigte in der Diskussion auch der Mediziner Jens Reich, Mitglied des Ethikrates. Einen Katalog von schweren Krankheiten aufzustellen, bei denen eine PID erlaubt sein soll, wird seiner Ansicht nach schwerfallen. Feststellen lasse sich nämlich nur der genetische Status – doch der sage nicht automatisch etwas über die Schwere des Verlaufs.

Reich zieht daraus allerdings andere Schlüsse als Merkel und Fischer: „Was in die intime Entscheidung eines Paares fällt, sollte Herr Staat nicht regulieren.“ Während Reich sich Entscheidungsfreiheit für die Bürger wünscht, kann König sich vorstellen, dass die Ärzteschaft sich doch um die Aufstellung eines Katalogs von Krankheiten bemüht, bei denen eine PID zulässig sein soll. Seit Jahren weisen die Befürworter ihres Einsatzes darauf hin, dass so „Schwangerschaften auf Probe“, die nach der Pränataldiagnostik mit einem Abbruch enden können, verhindert würden.

Für König ist es nicht plausibel, nach einer IVF die Übertragung aller befruchteten Eizellen zu verlangen, später aber – im Extremfall bis kurz vor der Geburt – eine Abtreibung wegen der Folgen einer Behinderung für die Gesundheit der Mutter zu erlauben. Andrea Fischer sieht hier keinen Wertungswiderspruch, weil es erst mit Eintreten einer Schwangerschaft einen Konflikt zwischen Mutter und Kind geben kann. Doch sie sieht auch die gängige Pränataldiagnostik ausgesprochen kritisch. „Es wird nicht schön sein, in einer Gesellschaft zu leben, die jegliche Art von Behinderung verhindert.“

Schon weil 90 Prozent aller Behinderungen erst im Lauf des Lebens entstehen, wird es dazu nicht kommen. Auch was die Haltung der Gesellschaft angeht, geben Studien Entwarnung. So hat der Berliner Soziologe Wolfgang van den Daele festgestellt, dass die Einstellung der Bürger in den letzten Jahren keinesfalls behindertenfeindlicher geworden ist. Van den Daele hat auch Eltern befragt, die schon ein behindertes Kind haben und nun zur Pränataldiagnostik kamen. „Dass die Eltern entschlossen sind, die Geburt eines weiteren behinderten Kindes abzuwenden, bedeutet keineswegs, dass sie das vorhandene Kind als unerwünscht oder ungewollt ablehnen.“

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