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Gentherapie: Heilen mit dem Aidsvirus

ALD steht für Adrenoleukodystrophie. Die Krankheit ist angeboren und trifft etwa einen von 18.000 Menschen. Ein Forscher-Team vom Inserm-Forschungsinstitut in Paris berichtet über eine neue, spektakuläre Behandlung der ALD.

Der Film „Lorenzos Öl“ brachte 1992 das schwere angeborene Nervenleiden ALD erstmals einer breiten Öffentlichkeit nahe. In „Lorenzos Öl“ kämpft ein Elternpaar um das Leben ihres an ALD erkrankten Sohnes. Sie stoßen auf ein spezielles Olivenöl, das sie nach ihrem Sohn Lorenzo taufen und mit dem sie ihn behandeln. Jetzt berichtet ein Team unter Leitung von Nathalie Cartier vom Inserm-Forschungsinstitut in Paris im Fachblatt „Science“ über eine neue Behandlung der ALD, die nicht weniger spektakulär ist. Die Wissenschaftler behandelten zwei ALD-Patienten erfolgreich mit Gentherapie, als „Fähre“ des heilsamen Gens dienten abgeschwächte Aidsviren.

ALD steht für Adrenoleukodystrophie. Die Krankheit ist angeboren und trifft etwa einen von 18 000 Menschen. Die häufigste und schwerste Variante wird von der Mutter über das X-Chromosom vererbt und betrifft ausschließlich Jungen. Weil die Bauanleitung für das Transporteiweiß ABCD1 fehlerhaft ist, ist der Stoffwechsel in den fettreichen Umhüllungen der Nervenzellen gestört, den Mark- oder Myelinscheiden. Die Folgen sind dramatisch: Die Myelinscheiden zerfallen, Nervenimpulse werden nicht mehr richtig weitergeleitet. Ein wenig wie bei Stromkabeln, denen die isolierende Hülle fehlt.

Die Kinder sind zwischen vier und zehn, wenn die Krankheit ausbricht. Es stellt sich ein allmählicher geistiger und körperlicher Verfall ein. Die kleinen Jungen können erblinden und ertauben, Krampfanfälle erleiden, die Kontrolle über ihre Muskeln verlieren und dement werden. Der Tod tritt nicht selten nach zwei bis fünf Jahren ein.

Um die grausame Krankheit zu bremsen – Lorenzos Öl hat nur begrenzten Wert –, kann Spender-Knochenmark übertragen werden. Zellen aus dem Knochenmark können sich in myelinbildende Zellen verwandeln, die ins Gehirn wandern und das Leiden abschwächen.

Bei ihrer Gentherapie ging Cartier etwas anders vor. Zunächst wurde zwei siebenjährigen Jungen, die keine Spender hatten und bereits erheblich erkrankt waren, Blut abgenommen und aus diesem wurden für die Behandlung geeignete Zellen herausgefiltert. Diese wurden mit „entschärften“ Aidsviren vom Typ HIV-1 infiziert. Dem Erbgut der Viren war zuvor der Bauplan eines intakten ABCD1-Gens eingebaut worden. Dann bekamen die Kinder die genetisch korrigierten Zellen zurück – zuvor waren die „kranken“ Zellen des Knochenmarks durch Chemotherapie zerstört worden.

Die riskante Prozedur glückte. Zwei Jahre danach produzieren die Blutzellen noch immer intaktes Eiweiß, das Nervenleiden ist gebessert. Der Erfolg ist vergleichbar mit dem einer Stammzelltherapie. Aber die Forscher weisen darauf hin, dass noch viel Arbeit vor ihnen liegt, um die Therapie wirksamer, einfacher und billiger zu machen. Hartmut Wewetzer

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