zum Hauptinhalt

Geologie: Regen lässt die Erde beben

Ein regnerisches Wochenende kann bereits ausreichen, um ein Erdbeben auslösen. Dies hat ein deutsches Geologenteam bei der Beobachtung kleinerer Erdbeben-Serien in den bayrischen Alpen herausgefunden.

Sebastian Hainzl von der Universität Potsdam und seine Kollegen fanden heraus, dass der Anstieg des Wasserdrucks in porösem Gestein bei einsickerndem Regen Erschütterungen an Verwerfungen auslösen kann. "Bereits kleinste Veränderungen können große Auswirkungen haben", sagt Hainzls Mitarbeiter Toni Kraft an der Ludwig-Maximilian-Universität in München.

Die Vorstellung, dass Veränderungen des Poren-Wasserdrucks Erschütterungen auslösen können, ist seit längerem bekannt. Aber die ursächliche Beziehung wurde nie nachgewiesen. Generell wurde angenommen, dass viel größere Wassermengen erforderlich sind als jene, die durch Regenfälle entstehen.

Sind große Mengen an Wasser im Spiel, liegen die möglichen Folgen auf der Hand: So kann allein das schiere Gewicht des Wasser Erschütterungen auslösen. Eines der bekanntesten Beispiele ereignete sich 1967 in Westindien, wo das Wasserreservoir, das durch den 1962 fertiggestellten Koyna-Staudamm gebildet wird, ein Erdbeben der Stärke 7 ausgelöst haben soll, bei dem 200 Menschen ums Leben kamen.

Druckänderungen durch Schneeschmelze können ebenfalls Erdbeben auslösen. Regenwasser verursacht aber viel geringere Veränderungen in Masse und Strömung von Grundwasser.

Regenreiche Tage in Bayern

Hainzl und Mitarbeiter beobachteten 2002 Erdstöße unter dem Hochstaufen, einem 1.775 Meter hohen Berg des Staufenmassivs in den Bayrischen Alpen, wo es zu über tausend kleinen Erdbeben pro Jahr kommt. Es zeigte sich, dass die seismische Aktivität im Sommer größer ist - der Jahreszeit, in der das Wetter feuchter ist.

Um zu überprüfen, ob zwischen beiden Gegebenheiten ein Zusammenhang besteht, errechneten die Wissenschaftler, wie sich der Wasserdruck in dem Gestein in Abhängigkeit von der täglich beobachteten Regenmenge ändert. Über die resultierende Veränderung schätzten sie dann die Erdbebenhäufigkeit ab. Die Vorhersagen zeigten gute Übereinstimmung in Anzahl und Stärke der täglichen Erschütterungen.

Insbesondere März und August waren geprägt von schweren Regenfällen. "Danach stieg die seismische Aktivität von ein bis zwei Erschütterungen pro Tag auf bis zu 40 an", berichtete Kraft.

An der Schwelle

Die Forscher meinen, dass die Verwerfungen in dieser Region so unter Spannung stehen, dass schon ein kleiner "Schubs" ausreicht, ein kleines Beben auszulösen.

Könnte dies auch in Regionen geschehen, in denen die Beben stärker und gefährlicher sind? Die Forscher um Kraft gehen davon aus. Die Ergebnisse bestätigen frühere Annahmen, dass es eine Verbindung zwischen seismischer Aktivität und Regenfällen überall auf der Welt gibt. Dies legt nahe, dass die Erdkruste an solchen Orten ähnlich unter Spannung steht wie in den bayerischen Alpen. Mark Zoback, Geophysiker an der Stanford University in Kalifornien, stimmt dem zu: "An den meisten Stellen steht die dünne, brüchige Kruste kurz vor dem Auseinanderbrechen". "Regen kann durchaus ausreichen, ein Beben auszulösen". Er stellt jedoch heraus, dass für die Auslösung eines tieferen Bebens das Wasser viele Jahre sickern muss, so dass es schwierig sein wird, Ursache und Wirkung zu belegen.

Dieser Artikel wurde erstmals am 16.10.2006 bei news@nature.com veröffentlicht. Übersetzung: angusi expert translations. © 2006, Macmillan Publishers Ltd

Philip Ball

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false