zum Hauptinhalt

Geschichte: Alexander öffnete die Welt

Der griechische Einfluss reichte bis Tadschikistan: Altertumsforscher entwerfen ein neues Bild des makedonischen Eroberers.

Hat Alexander der Große darin gebadet und sich entspannt oder hat er sie womöglich gar nicht benutzt? Altertumsforscher des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI) haben in der zentralasiatischen Republik Usbekistan eine tönerne Badewanne ausgegraben, die zum Inventar der Festung Kurgansol gehörte. Eine solche sanitäre Einrichtung, die deutlich von griechischer Lebensart spricht, war den Archäologen aus dieser Weltgegend bislang unbekannt.

Als erste Badewanne in Zentralasien besetzt das Utensil einen Superlativ, der weit über antike Körperpflege hinausweist. Denn der Fundort, ein gewaltiger kreisrunder Bau mit vier Meter dicken Mauern, gehörte mit großer Wahrscheinlichkeit zu einem Kranz von Verteidigungsanlagen, die der makedonische Feldherr nahe am Ende der Welt errichten ließ. Solche Bauten sind zwar in den schriftlichen Quellen erwähnt, Kurgansol aber ist die erste, die ausgegraben wurde – ein archäologisches Glanzlicht aus einem bisherigen Ödland der Archäologie. Sie wurde um 328 vor Christus gebaut, als Alexander in der antiken Landschaft Baktrien drei Jahre lang mit nomadisierenden Reitervölkern kämpfte.

Hier heiratete der Welteneroberer die einheimische Fürstentochter Roxane und läutete damit eine Wende seines gigantischen Vorhabens ein: Zwar war er noch nicht am Ziel – dem Ende der Welt – angelangt, aber aus dem bloßen, vorwärtsdrängenden Eroberer wurde allmählich ein Herrscher über die bekannte (und unterworfene) Welt. Diese Politik setzte er später mit der Massenhochzeit zwischen seinen makedonischen Soldaten und persischen Frauen konsequent fort.

In der aktuellen wissenschaftlichen Diskussion rückt dieser Aspekt immer mehr in den Vordergrund und holt das Alexander-Bild aus der bislang vorherrschenden euro-zentrierten Betrachtungsweise in ein neues Licht: Alexander nicht nur als heroischer Eroberer Asiens, sondern als „Öffner der Welt“. Michael Tellenbach, Direktor des Museums Weltkulturen in Mannheim, präzisiert diese neue Sicht anlässlich der aktuellen Ausstellung „Alexander der Große“: „Niemals zuvor hat es eine solch tiefgreifende Kommunikation zwischen West und Ost gegeben wie zu Alexanders Zeiten. Er hat die Welt verändert, indem er die Welt geöffnet hat.“ Eben nicht nur erobert, sondern erforscht, beschrieben und angenähert.

Bislang aber gab es kaum Nachrichten aus den östlichen Randgebieten des Alexander-Reichs über diese Öffnung der Welt, die man durchaus eine frühe Globalisierung nennen kann. Nach dem Zerfall der Sowjetunion haben jedoch die archäologischen Erkundungen große Sprünge gemacht und liefern immer mehr und aussagekräftige Funde aus dem antiken Zentralasien. Französische Archäologen gruben im heutigen Ai Khanoum in Nordafghanistan eine griechische Stadt mit Theater und Gymnasium, korinthischer Säulenhalle, aber persischen Wohnhäusern aus. Sie wurde um 300 vor Christus erbaut, ihr griechischer Name ist unbekannt.

Die Archäologen des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI) legten neben der Festung Kurgansol in Usbekistan den Oxos-Tempel in Tadschikistan frei, der kurz nach der Eroberung der Region durch Alexander errichtet wurde. Über Jahrhunderte blieb dieses Heiligtum, das in Architektur und Kult griechische mit asiatischen Elementen verband, eine wichtige Pilgerstätte Zentralasiens.

In der nordwestindischen Gandhara-Region bekommt Buddha in der Kunst zum ersten Mal ein Gesicht und ähnelt frappant hellenischen Götterbildern. Im zentralasiatischen Kuschan-Reich mischen sich in den ersten drei Jahrhunderten nach Christus in unübersehbarer Weise die unterschiedlichsten Kulturen aus Ost und West. Paradebeispiel dafür ist eine Münze mit einer Buddha-Darstellung, einer Beischrift in baktrischer Sprache und griechischen Buchstaben. Rund 400 Ausstellungsstücke dieser Art haben die Macher der Mannheimer Alexander-Schau zusammengetragen, viele sind erstmals im Ausland zu sehen.

„Alexander zwischen Ost und West – da sind wir mitten im verminten Gelände“, sagt Hans-Joachim Gehrke. Der Althistoriker und Präsident des DAI forderte kürzlich in Mannheim, Alexander aus den gängigen Schubladen zu holen: Für die einen sei er der Heros Europas, für die anderen der letzte Achämenide (Perser). Das Bezugsraster West/Ost, Abendland/Morgenland, Europa/Asien sei ja weit über das rein Geografische hinaus metaphysisch aufgeladen. Das Muster ist jedoch nicht neu, sondern war schon im fünften vorchristlichen Jahrhundert bei den Hellenen angelegt: Griechen/Barbaren, Freiheit/Despotie, Individuum/Masse.

Mit diesem Bild wurde der junge Alexander von seinem Lehrer, dem Philosophen Aristoteles, sozialisiert. Seinen Angriff auf Persien inszenierte der Eroberer als Übergang von Europa nach Asien, er stieß beim Betreten Asiens eine Lanze in den Boden, wallfahrte nach Troja und rühmte seinen Vorfahren Achill – alles Symbole eines Vergeltungsfeldzuges gegen die orientalischen Perser. Nach seinem Sieg jedoch schmückte er sich in Babylon mit der Kleidung und den Insignien der persischen Könige und agierte wie ein altorientalischer Herrscher.

Im Rituellen transferierte Alexander Teile persischer Religiosität in die griechische Götterwelt. Mit der Massenhochzeit versuchte er, eine gleichberechtigte graeco-makedonisch-iranische Reichselite zu schaffen, um so quasi Herrscher der ganzen Welt zu werden. Im Zweifel hatten bei allen Anpassungen an den Orient aber makedonische Interessen Vorrang. Alexander lässt sich von keiner der beiden Seiten vereinnahmen. „Lassen wir ihn also zwischen Ost und West stehen“, rät Gehrke.

Ausstellung „Alexander der Große und die Öffnung der Welt“: Reiss-Engelhorn-Museen, Mannheim, bis 21. Februar (www.alexander-der-grosse-2009.de/).

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false