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Forschen als Beruf. Frauen haben geringere Chancen auf eine Professur - und erst recht, auf eine Professur in der höchsten Besoldungsstufe.

© Jochen Eckel/p-a/dpa

Geschlechtergerechtigkeit: Rollenklischees in der Wissenschaft wirken beharrlich

Die Zahl der Professorinnen steigt zu langsam und Frauen verdienen in der Wissenschaft weniger als Männer. Die Linke fordert harte Maßnahmen für Geschlechtergerechtigkeit.

Noch immer wächst die Zahl von Professorinnen in Deutschland nur langsam. Außerdem verdienen Frauen in der Wissenschaft weniger. Und sie sitzen häufiger auf befristeten Stellen als Männer. Das geht auch aus dem neuen Bericht „Chancengleichheit in Wissenschaft und Forschung“ hervor, mit dem die Wissenschaftsministerinnen und -minister die Entwicklung verfolgen.
Die Linke im Bundestag drängt nun zu mehr Tempo. In einem Antrag fordert sie, Geschlechtergerechtigkeit in der Wissenschaft nun mit einer Reihe von harten Maßnahmen durchzusetzen, darunter verbindliche Quoten und ein großes Entfristungsprogramm mit Dauerstellen, die zur Hälfte mit Frauen besetzt werden sollen. Denn appelliert worden sei an die Hochschulen und außeruniversitären Einrichtungen genug, meint die Fraktion.
In Luxemburg, Finnland und Schweden wurden im Jahr 2013 zwischen 38 und 50 Prozent aller Forschungseinrichtungen von Frauen geleitet. Deutschland bringt es bei den Außeruniversitären im Jahr 2015 bei der Helmholtz-Gemeinschaft nur auf gut 17 Prozent Professorinnen (W3), bei der Leibniz-Gemeinschaft auf gut 20 Prozent, bei der Max-Planck-Gesellschaft auf gut 22 Prozent und bei der Fraunhofer-Gesellschaft auf nur fünf Prozent. Das ist im OECD-Vergleich unterdurchschnittlich.

Professorinnen sitzen häufiger auf schlechter besoldeten Stellen

Auch an den Hochschulen bleibt die Lage traurig. An den schlechter besoldeten C3/W2-Professuren liegt der Anteil von Frauen bei 23,4 Prozent, bei den gut dotierten W3/C4 Stellen nur bei 18 Prozent. Stark vertreten sind Frauen hingegen auf befristeten Professuren: mit 31 Prozent. Weiter diskriminiert werden sie beim variablen Gehaltsanteil: So verdienten W-3-Professorinnen in Niedersachsen zeitweise im Schnitt 37 Prozent weniger als Professoren.
Ursache ist die gesellschaftliche Norm, die eine unterschiedliche Sozialisation von Männern und Frauen nach sich zieht, hat der Wissenschaftsrat in seinen Empfehlungen von 2008 festgestellt: „Geschlechtliche Rollenstereotypien und Klischees besitzen eine große Beharrungskraft und können das Verhalten nicht nur einzelner Personen und Gremien, sondern ganzer Institutionen maßgebend beeinflussen.“ Eng damit verbunden sei „die spezielle Rolle des Mutterbilds in der deutschen Gesellschaft“, die nicht zuletzt durch den „Mutterkult des Nationalsozialismus“ fest verankert sei.

Eine "angeborene Begabung" wird eher Männern zugeschrieben

Führungskräfte rekrutieren gerne ihresgleichen, heißt es in dem Antrag der Linken mit Verweis auf zahlreiche Studien. Das verhindere, „dass Menschen, die nicht weiß, männlich, heterosexuell und körperlich uneingeschränkt sind, mit den gleichen Chancen höhere Posten erlangen und höhere Gehälter erzielen können“. Unter Professoren sei außerdem weiterhin die Vorstellung verbreitet, Wissenschaft verlange eine „angeborene Begabung“, die aber nun einmal besonders bei Männern zu finden sei. Außerdem werde Frauen weiter die überwiegende Verantwortung für die Kinderbetreuung zugeschrieben. Frauen, die wegen ihrer Kinder Teilzeit arbeiten müssten, seien in der Wissenschaft aber chancenlos. Denn dort werde eine „Kultur der nahezu unbegrenzten Verfügbarkeit gepflegt“. So entstehe ein Bild, wonach Frauen und Wissenschaft nicht zusammenpassen.

Die Frauenbeauftragten haben meistens keine unbefristeten Stellen

Für „besonders bedenklich“ hält die Linke es darum, dass die Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten in der Wissenschaft meistens prekär beschäftigt sind „und permanent Gefahr laufen, bei Unliebsamkeit ihre Stelle zu verlieren“. Und ein „Rückschritt“ sei es, dass sich Bund und Länder im April 2016 darauf geeinigt haben, die Rechte der Gleichstellungsbeauftragten an außerhochschulischen Einrichtungen zu beschneiden. Die bisherigen Maßnahmen hält die Linke nicht für besonders wirksam. So seien mit dem Professorinnenprogramm seit 2008 erst 400 Professorinnen berufen worden – weniger als ein Prozent aller Professuren an Hochschulen. Die Einführung von Zielquoten, die Bund und Länder im November 2011 für die außeruniversitären Einrichtungen beschlossen haben, seien zwar ein Schritt. Aber nun müssten verbindliche Zielquoten entwickelt werden, auch für die Hochschulen. Quoten, die nicht eingehalten werden, müssten finanziell sanktioniert werden.

Frauen haben geringere Chancen, sich auf eine Professur zu retten

Die großen befristeten Pakte – die Exzellenzinitiative, der Hochschulpakt und der Pakt für Forschung und Innovation – hätten zwar formal von den beteiligen Institutionen Maßnahmen zur Chancengerechtigkeit verlangt, erklärt die Linke. Aber feste Vorgaben, deren Verfehlen Sanktionen nach sich zieht, habe es auch hier nicht gegeben. Mehr noch, diese Pakte unterminierten das selbstgesteckte Ziel der Chancengerechtigkeit sogar. Denn durch die ausufernde Projektförderung habe sich die Zahl der prekär Beschäftigten deutlich erhöht. Frauen hätten aber die geringsten Chancen, sich auf eine entfristete Professur zu retten. Die Linke will darum mit den befristeten Pakten Schluss machen. Der Hochschulpakt soll auf dem Niveau von 2017 auf Dauer gestellt werden, ebenso der Pakt für Forschung. Mit einer „Entfristungsoffensive“ sollen in zehn Jahren 100.000 neue Stellen geschaffen werden, die Hälfte sollen möglichst Frauen bekommen. Das Professorinnenprogramm soll in seinem Umfang verdoppelt werden.

"Ungerechtigkeiten aufdecken und beheben"

Die Frauenförderpläne, die die Hochschulen bei ihrer Teilnahme an dem Programm schon jetzt vorzeigen müssen, sollen auf ihre Einhaltung überprüft werden. Die finanziellen Ressourcen für die Gleichstellungsarbeit an Hochschulen und an den Außeruniversitären sollen „deutlich“ erhöht werden. Berufungsverfahren sollen transparent gestaltet werden, mindestens 40 Prozent Frauen sollen in den Kommissionen sitzen. Wissenschaftler in Leitungspositionen sollen zu Fortbildungen verpflichtet werden, in denen sie für gesellschaftliche Rollennormen sensibilisiert werden, „um der homosozialen Reproduktion aktiv entgegenzuwirken“. Die Gehaltsstrukturen in den wissenschaftlichen Einrichtungen sollen offen gelegt werden um, „Ungerechtigkeiten aufzudecken und zu beheben“. Der Bundestag wird über den Antrag voraussichtlich im November abstimmen.

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