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Wer psychisch krank ist, braucht unter anderen Vertrauen zu seinen Therapeuten. In der geschlossenen Psychiatrie fällt das manchen Patienten schwer.

© Doris Spiekermann-Klaas

Geschlossene Psychiatrie: Psychisch Kranke nicht wegsperren

Die Tür ist zu, der Zaun hoch, die Besuchszeiten restriktiv. Die Atmosphäre in der geschlossenen Psychiatrie empfinden Patienten mitunter als beklemmend. Das kann ihre Therapie gefährden, legt eine Studie nahe.

Wer sich selbst schaden könnte oder gar Suizidgedanken hat, ist in der geschlossenen Psychiatrie am besten aufgehoben – so lautet eine weitverbreitete Annahme. Doch das führt in die Irre, schreibt nun ein deutsch-schweizerisches Team um Undine Lang von den Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel im Fachblatt „Lancet“. Offene Türen legten den Grundstein für eine vertrauensvolle Atmosphäre während der Therapie und damit für bessere Ergebnisse. Das „Wegsperren“ sei eher ein Reflex der Gesellschaft als am Wohl der Patienten orientiert.

Die Forscher, zu denen unter anderem Andreas Heinz von der Charité gehört, haben Daten von 145 000 Patienten ausgewertet, die von 1998 bis 2012 in 21 deutschen Krankenhäusern behandelt wurden. Die Hälfte der Patienten mit Demenz, Schizophrenie, Persönlichkeitsstörungen, affektiven Störungen wie Depressionen oder Drogenabhängige waren in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen worden. Die Therapie der anderen fand in Tageskliniken statt oder in Einrichtungen, die etwa mit Modellen betreuten Wohnens verschiedene Abstufungen der „Politik offener Türen“ praktizierten.

Ist die Tür offen, erwägen viele nach einem Therapieabbruch die Rückkehr

In beiden Gruppen gab es gleich viele Suizide. Die Zahl der Suizidversuche und derer, die sich heimlich davonstahlen, war in der geschlossenen Psychiatrie höher. Zudem blieben diese Patienten langfristig weg, während sie bei offener Tür öfter freiwillig zurückkehrten. Die geschlossene Psychiatrie erhöhe also nicht die Sicherheit, sondern schaffe eine beklemmende Atmosphäre, die Therapie ins Leere laufen lassen und mitunter Motivation für die „Flucht“ sein könne, schreiben die Autoren. Wie viele Patienten während der nicht genehmigten Abwesenheit andere verletzten, haben sie nicht untersucht. Dafür lagen keine Daten vor.

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