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Wissen: Gestörte Gewässer

Befestigte Ufer und Badestrände schädigen das Leben in Seen und Flüssen

Keine Frage, bei einem Häuschen am Seeufer mit Bootssteg und Badestrand in unmittelbarer Nähe kann man von einer „traumhaften Lage“ sprechen. Die hat natürlich ihren Preis, Seegrundstücke sind jedenfalls ziemlich teuer. Und das nicht nur in Euro, sondern auch in Bezug auf ökologische Folgekosten. Gestaltet der Mensch das Ufer nach seinem Geschmack, verkümmert im flachen Wasser davor das Ökosystem. Das zeigen Mario Brauns und Martin Pusch vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) in Berlin gemeinsam mit ihren Kollegen im „Journal of Applied Ecology“ (Band 48, Seite 916).

Die Forscher haben in drei ostdeutschen Seen die Nahrungsketten analysiert und sich dabei auf die ufernahe Zone bis 1,20 Meter Wassertiefe konzentriert. Alle Seen haben Badestrände, naturnahe Ufer mit Schilfgürteln und Wald, sowie Uferbefestigungen mit Holzpalisaden, aufgeschütteten Steinen oder stählernen Spundwänden. Allerdings sind die Ufer unterschiedlich stark zugebaut. Der Lange See im Osten Berlins hat relativ viele Uferbefestigungen, dagegen sind drei Viertel der Ufer des Grienericksees bei Rheinsberg im Nordwesten Brandenburgs unverbaut. Am Unteruckersee bei Prenzlau sind sogar mehr als 90 Prozent des Ufers relativ natürlich.

Um die Ernährungsgewohnheiten zu entschlüsseln, sammelten die Wissenschaftler Krebse, Asseln und andere Tiere am Ufer und bestimmten den Gehalt von Kohlenstoff- und Stickstoff-Isotopen. Von „Isotopen“ sprechen Naturwissenschaftler, wenn ein Element aus verschiedenen Atomsorten besteht, die sich nur in ihrer Masse unterscheiden. So besteht Kohlenstoff zu ungefähr einem Prozent aus Atomen mit der Masse 13, der überwiegende Teil hat dagegen die Atommasse 12.

Landpflanzen – und damit auch Laub, das von Bäumen ins Wasser fällt – enthalten messbar weniger Kohlenstoff-13 als Wasserpflanzen und Algen. „Die Verteilung der stabilen Kohlenstoffisotope in den Organismen zeigt daher, ob sich diese Tiere eher von Land- oder von Wasserpflanzen ernähren“, erläutert Martin Pusch. Die Stickstoffisotope hingegen zeigen, ob sich die Tiere eher von pflanzlicher oder tierischer Kost ernähren.

Mithilfe der Isotopenanalysen können die Forscher ermitteln, wer wen frisst und mit diesen Informationen Nahrungsnetze aufzeichnen. „Dabei zeigen sich gravierende Unterschiede zwischen den Uferabschnitten“, berichtet Pusch. Im seichten Wasser vor unverbauten Ufern weben viele Arten ihre Nahrungsnetze, die untereinander durch viele feine Maschen verbunden sind. An verbauten Ufern gibt es dagegen deutlich weniger Arten und auch erheblich weniger Verbindungen zwischen ihnen. Noch weniger Arten leben auf dem Sand vor Badestränden, auch die Nahrungsbeziehungen sind dramatisch geschrumpft. „Dort wird das Leben am Seegrund anscheinend weitgehend niedergetrampelt“, vermutet der IGB-Forscher Pusch.

Weil Badestrände nur wenige Prozent des Ufers einnehmen, dürfte der Einfluss auf den gesamten See nicht allzu groß sein. Stärker wirken sich wohl die Befestigungen von Seegrundstücken aus, die beispielsweise am Langen See in Berlin-Köpenick immerhin mehr als 60 Prozent der Uferlinie betreffen. Dort verschwinden die Schilfgürtel, und es fällt weniger Totholz ins Wasser. Dadurch fehlt eine Nahrungsquelle, gleichzeitig verlieren viele Fische ihre Kinderstube, weil ihr Nachwuchs kaum noch Verstecke findet.

Natürlich ist auch Pusch klar, dass die wenigsten zugebauten Ufer wieder renaturiert werden können. Um weiteren Schaden für die Ökosysteme zu verhindern, sollten aber zumindest keine weiteren Uferbereiche mehr erschlossen werden, sagt er. Die noch vorhandenen Schilfgürtel können zum Beispiel mit Holzpalisaden geschützt werden, die Wellen von größeren Schiffen zurückhalten und Sportbooten die Fahrt in die empfindliche Kinderstube der Fische verwehren.

Es gibt noch weitere Ideen. So können vor verbauten Ufern Container mit Schilf im Wasser verankert werden, die Fischen neue Kinderstuben bieten und gleichzeitig die zusammengebrochenen Nahrungsnetze wieder etwas aufbauen. Solche Maßnahmen machen die Ufer auch für den Menschen attraktiver: Entlang eines Schilfgürtels macht ein Spaziergang schließlich mehr Spaß als an einem betonierten Ufer.

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