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Wissen: Gesucht wird die ideale Uni für 40 Prozent HU-Diskussion über

die Zukunft des Studiums

Bald ist die magische 40-Prozent-Marke erreicht: 39 Prozent eines Altersjahrgangs nehmen nach dem Schulabschluss in Deutschland ein Studium auf. Doch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) kritisiert immer wieder, dass die deutsche Bildungspolitik nicht genug für die Akademisierung der Gesellschaft leiste. Tatsächlich sind es im OECD-Schnitt 56 Prozent eines Jahrgangs, die einen Hochschulabschluss anstreben.

Wohin soll in Deutschland die Reise gehen? In der Reihe „Streitgespräche“ an der Humboldt-Universität wollte sich Berlins Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) nicht festlegen. Vor 40 Jahren, als die Bildungsexpansion ihren ersten Höhepunkt erreichte, wäre er nicht so mutig gewesen, in ein SPD-Programm das Ziel zu schreiben, 40 Prozent eines Jahrgangs sollten studieren, bekannte Zöllner. Viel sei schon damit erreicht, dass Bildung und Wissenschaft heute eine so hohe Wertschätzung hätten, dass man in diesen Bereichen trotz der Finanzkrise bisher nicht weiter sparen wolle. 40 Prozent eines Jahrgang an die Hochschulen zu bringen, bedeutete jedenfalls nicht, dass aus allen Studenten auch Wissenschaftler werden müssten.

Schon um das 40-Prozent-Ziel sinnvoll umzusetzen, müsse an den Hochschulen noch viel getan werden, betonte die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz, Margret Wintermantel. Die Realität an den weiterhin krass unterfinanzierten Hochschulen könne nicht länger hingenommen werden: 700 Studierende in eine Anfängervorlesung für Betriebswirtschaftslehre zu pressen, sei „herausgeschmissene Lebenszeit für Studierende und eine Zumutung für die Professoren“.

Bei der Forderung nach mehr Geld für die Hochschulen blieb die Runde nicht stehen. Der Generalsekretär der Studienstiftung des Deutschen Volkes, Gerhard Teufel, möchte das Studium nicht auf eine reine Lernzeit, durchorganisiert durch Module und Leistungspunkte, beschränkt sehen. „Zum Studium gehört auch das Flanieren“, sagte Teufel. Gemeint ist damit Zeit zum Nachdenken, Ruhe, um sich selbst die Welt erklären zu können, Zeit, um ins Ausland zu gehen. Das Flanieren ist für Teufel der Gegenentwurf zum „Bulimiestudieren“. Ben Stotz vom Bundesvorstand des Studierendenverbandes Die Linke.SDS griff das Stichwort auf: Überfrachtete Curricula und der Prüfungsdruck machten Reisen in die Tiefe der Studieninhalte und an andere Studienorte oft unmöglich. Wer Freiräume im Studium fordere, müsse konsequenterweise die Bachelor-Master-Reform infrage stellen.

Die Universität Lüneburg versucht indes recht erfolgreich, die reformierten Studiengänge mit dem Blick über den Tellerrand zu versöhnen. Aber was „Leuphana“-Präsident Sascha Spoun schilderte, dürfte aber an Massenuniversitäten mit 10 000 bis 20 000 Bewerbern im Jahr kaum umzusetzen sein. Vor Beginn des ersten Semesters werden in Lüneburg die Studienanfänger in einer „Startwoche“ mit Themen konfrontiert, die sie an das selbstständige Recherchieren heranführen sollen. Die Abiturienten erarbeiten sich selbstständig Themen wie „die Wirtschaftskrise in einer kleinen Stadt“ oder „Die Zukunft des Theaters“. Sie sollen den Unterschied erkennen zwischen dem fertigen Wissen, das ihnen die Schule geboten hat, und der Erarbeitung neuen Wissens, das sie an der Universität kennenlernen sollen.

Schon ihre Studienbewerber wählt die Uni Lüneburg aufwendiger aus, als die meisten anderen deutschen Hochschulen. In etlichen Fächern müssen die Bewerber an einem Studierfähigkeitstest oder einer Runde von Zulassungsgesprächen teilnehmen. Im Zulassungsverfahren werden auch soziales und politisches Engagement, Auslandserfahrung, Arbeitserfahrung und Fremdsprachenkenntnisse gewertet.

Verliert das Abitur unter solchen Bedingungen seine zentrale Bedeutung für die Hochschulzulassung? HRK-Chefin Wintermantel berief sich auf den Grundsatz, dass das Zeugnis der Hochschulreife nach wie vor die beste Vorhersage für einen Studienerfolg biete. Für Wissenschaftssenator Zöllner ist die starke Stellung des Abiturs sogar „die Voraussetzung für die Wissensgesellschaft“. Im deutschen Abitur habe die Allgemeinbildung ein viel größeres Gewicht als in vergleichbaren Abschlüssen etwa der USA. Uwe Schlicht

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