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Arzt beim Messen des Blutdrucks

© picture alliance / dpa

Gesundheitsrisiko: Unterschätzter Bluthochdruck

Zu hohe Werte werden oft ignoriert – das kann schwere Folgen haben. Bluthochdruck muss nicht sofort mit Medikamenten behandelt werden. Oft hilft schon ein gesünderer Lebensstil.

Bluthochdruck ist für viele Menschen ein Problem, besonders für ältere – und es sollte nicht unterschätzt werden. „Blutdruck ist der Faktor Nummer eins, wenn wir unser Leben erhalten wollen“, sagt Jürgen Scholze von der Medizinischen Poliklinik der Charité auf dem Campus Berlin-Mitte. Fließt das Blut mit zu hohem Druck durch die Gefäße, nehmen sie auf Dauer Schaden, das Risiko für einen Schlaganfall, einen Herzinfarkt, eine Schwäche des Herzens oder der Nieren steigt. Als optimal gelten Werte von höchstens 120 zu 80.

Doch wie hoch ist zu hoch? Im Detail streiten Experten darüber, allen bereits gewonnenen Erkenntnissen zum Trotz. „Wir können keine scharfe Grenze ziehen“, sagte Reinhold Kreutz von der Deutschen Hochdruckliga anlässlich des Welt-Hypertonie-Tages am vergangenen Sonnabend. Die Definition der Weltgesundheitsorganisation ist klar: Ab Werten von 140 zu 90 Millimeter auf der Quecksilbersäule (mmHG) beginnt die Hypertonie. Der obere, „systolische“ Wert steht dabei für die Phase, in der das Herz sich zusammenzieht, der untere, „diastolische“ für dessen Entspannungsphase.

Hoher Blutdruck ist unter Älteren weit verbreitet

Die Mehrheit der Älteren überschreitet die Grenze von 140 zu 90, zumindest wenn sie keine Medikamente nehmen. Sechs von zehn Bundesbürgern im Alter zwischen 60 und 69 Jahren und sogar sieben von zehn über 70-Jährigen leiden unter Bluthochdruck.

In den USA wird heftig darüber diskutiert, ob für die Gruppe der 60- bis 80-Jährigen die Grenze zwischen „gesund“ und „krank“ nicht etwas weniger ambitioniert auch bei 150 zu 90 mmHg gezogen werden darf. Auch die Empfehlungen der European Society of Hypertension und der European Society of Cardiology erlauben Abweichungen vom Zielwert 140 zu 90. Hochbetagte dürfen etwas mehr haben, Diabetiker und Nierenkranke hingegen sollten umgekehrt bereits bei tieferen Werten behandelt werden.

Einig sind sich die Experten aber darin, dass „hoher“ Blutdruck – wo immer er beginnt – nicht sofort mit Medikamenten angegangen werden muss. „Auch bei Patienten, die weitere Risikofaktoren aufweisen, setzen wir zunächst auf Veränderungen des Lebensstils“, sagt Scholze. Neben mehr Bewegung und sparsamem Umgang mit Salz und Alkohol hilft oft auch das Abnehmen. „Leider nehmen sich Ärzte nicht immer die Zeit, auf die Risiken hinzuweisen, die mit Übergewicht einhergehen“, sagt Scholz. Mag sein, dass ihnen auch der Mut dazu fehlt, oder dass sie fürchten, das gute Verhältnis zu ihren Patienten dadurch zu gefährden.

Dass die schiere Präsenz des Doktors den Blutdruck in die Höhe treiben kann, ist inzwischen als „Weißkitteleffekt“ bekannt. Scholz empfiehlt Patienten deshalb, auch zu Hause zu messen, mit geprüften Geräten und in ruhiger, entspannter Atmosphäre. Sind die Werte konstant zu hoch, kommen Medikamente aus fünf Substanzklassen infrage, die eventuell auch erst miteinander kombiniert die erwünschte Senkung der Werte bewirken.

Noch ist hoher Blutdruck nicht heilbar

Doch es gibt vertrackte Fälle, in denen sich der Blutdruck mit Medikamenten nicht gut einstellen lässt. Es klang deshalb verheißungsvoll, als man 2009 lesen konnte, Bluthochdruck sei „heilbar“. Tatsächlich hatten kleinere Studien Erfolge eines Eingriffs gezeigt, bei dem mittels eines Katheters, der in die Schlagader an der Leiste eingeführt wird, Nierennerven verödet werden, um die Aktivität des sympathischen Nervensystems zu reduzieren.

Vor kurzem hat allerdings eine Studie mit 535 Patienten für Ernüchterung gesorgt: Die Kontrollgruppe, die nur einen Schein-Eingriff bekam, hatte sechs Monate später fast genauso profitiert wie die Patienten, die tatsächlich die „renale Sympathikusdenervation“ bekommen hatten. Wie ist das zu erklären? Oliver Vonend vom Zentrum für Nieren- und Hochdruckkrankheiten der Deutschen Klinik für Diagnostik in Wiesbaden glaubt, dass weniger der Eingriff selbst als die bessere Betreuung danach, einschließlich passenderer Medikamente, für den Effekt verantwortlich ist. „Die Studie lässt vermuten, dass die Patienten vor dem Eingriff nicht optimal therapiert waren.“

Auch Scholze wird immer wieder von Hochdruckpatienten konsultiert, bei denen längst nicht alle medikamentösen Trümpfe ausgespielt sind. „Mindestens 70 Prozent dieser vorgeblich ,schwer einstellbaren‘ Patienten können wir doch noch helfen“, sagt der Mediziner. Moderne Kombinationspräparate ermöglichen es zudem, dass viele nur eine Pille nehmen müssen. Das allerdings meist ein Leben lang.

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