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Erwischt. Auch der US-Radsportstar Lance Armstrong dopte mit Epo. Das Foto zeigt ihn 2002 nach einer Doping-Kontrolle.

© Gero Breloer/dpa

Getunte Radfahrer: Epo-Doping: Verboten, riskant – und nutzlos

Das Blutmedikament Epo gilt als besonders leistungssteigernd. Eine Studie belegt nun, dass es mit diesen Gerüchten nicht weit her ist.

Die echten Fans fiebern natürlich mit. Doch Radsportmuffeln kommt eher das Doping in den Sinn, wenn jetzt Tag für Tag die Etappensieger der Tour de France verkündet werden. Und wer an Doping denkt, ist schnell bei „Epo“. Bei Erythropoetin also, dem Eiweiß, das Zellen im Knochenmark anregt, neue rote Blutkörperchen zu produzieren, und es damit auch möglich macht, mehr Sauerstoff in die Muskeln zu transportieren.

Als künstliche Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit ist Doping im Leistungssport verboten. Doch nun ist, pünktlich zum Start der diesjährigen Tour, im Fachblatt „The Lancet Haematology“ eine Studie erschienen, die Zweifel daran aufkommen lässt, dass die bekannteste unter den über 300 Substanzen, die die Welt-Anti-Doping-Agentur als unerlaubt auflistet, den Radlern überhaupt unfaire Vorteile im Wettkampf verschafft.

Gut trainierte Amateure als "Doper"

Jules Heuberger vom Zentrum für Drogenforschung im niederländischen Leiden und seine Kollegen durften ihr Experiment nicht mit Profisportlern und mit hohen Dosen machen. Sie teilten ersatzweise 48 sehr gut trainierte männliche Amateur-Radrennfahrer im Alter von 18 bis 50 Jahren, die alle im Flachland lebten und zuvor kein blutbildendes Höhentraining absolviert hatten, nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen ein. Die eine bekam im Verlauf von acht Wochen acht Mal 5000 bis 7000 internationale Einheiten Erythropoetin unter die Haut gespritzt, wie es in der Medizin etwa bei Patienten mit Blutarmut wegen chronischen Nierenversagens eingesetzt wird, die andere eine Kochsalzlösung.

Alle trainierten zunächst wie üblich privat, zusätzlich im Labor unter Aufsicht der Forscher. Bei allen wurden regelmäßig verschiedene Blutwerte getestet. Dabei zeigte sich, dass die Teilnehmer der Epo-Gruppe nicht nur durchweg höhere Konzentrationen des Blutfarbstoffs Hämoglobin im Blut hatten, sondern auch deutlich besser waren als die Teilnehmer der Vergleichsgruppe, wenn es darum ging, kurzzeitig bis zur Erschöpfung in die Pedale zu treten. Alles wie erwartet also. War dagegen 45-minütiges ausdauerndes Strampeln gefragt, dann zeigten sich nur minimale Unterschiede zwischen den Gruppen.

Maßgeblich fürs echte Leben aber dürfte sein, dass die gedopten Amateure bei einer Art Mini-Tour de France nicht besser abschnitten. Beim 110-Kilometer-Rennen in der Provence und dem anschließenden Anstieg vom Dorf Bédoin aus auf den berühmten Mont Ventoux meisterten die Teilnehmer beider Gruppen den Höhenunterschied von 1610 Metern mit der Steigung von 7,5 Prozent im Schnitt gleich schnell. „Die Studie zeigt, dass der Effekt von Epo auf die Messergebnisse bei geforderter maximaler Leistung klein ist, dass er bei Tests mit submaximaler Leistung praktisch verschwindet und bei einem echten Radrennen nicht erkennbar ist“, resümieren die Forscher.

Viele fühlten sich gedopt, waren es aber nicht - und umgekehrt

Dazu passen auch die Ergebnisse der Befragung, die am Ende der Studie stand: Sechs der 24 Teilnehmer, die Placebo-Spritzen bekommen hatten, lebten in dem Glauben, es sei Epo gewesen. Und nur neun Radler aus der Gruppe der „Gedopten“ fühlten sich auch so, als hätten sie Epo bekommen. Glücklicherweise war das auch nicht an Nebenwirkungen wie erhöhtem Blutdruck und Blutgerinnseln zu erkennen.

Es gibt auch Einschränkungen. Die Forscher haben nur extrem ambitionierte und fitte Laien getestet und dafür das Epo vorsichtig dosiert. Zudem war die Tour de Provence der Freizeitradler kurz. Da Epo sich nach bisheriger Erfahrung auch auf die Erholungsfähigkeit der Sportler auswirkt, würde der Doping-Effekt sich womöglich erst später bemerkbar machen.

Kaum wissenschaftliche Belege für Dopingeffekte

Heuberger und seine Kollegen verstehen ihre Untersuchung als Modellstudie. Insgesamt gebe es viel zu wenig wissenschaftliche Belege dafür, dass Substanzen, die aufgrund von theoretischen Überlegungen, wegen ihres erfolgreichen Einsatzes in der Behandlung Kranker und der persönlichen Erfahrungen von Sportlern als leistungssteigernd gelten, diesem Ruf auch gerecht werden. „Die wissenschaftliche Beweislage hinter dem Doping ist schwach“, schreiben sie.

Speziell der Einsatz von Epo vor Radrennen sei zwar verbreitet, aber nicht durch Belege gestützt, die Nutzung der Substanz im Sport sei deshalb „schlechte Medizin“, so Heubergers Bestandsaufnahme 2013. Der Internist gab zu bedenken, „dass mit dem Erscheinen der Behandlung auf der Verbots-Liste fälschlicherweise klar scheint, sie steigere die Leistungsfähigkeit von Rad-Profis, und so ihr Missbrauch angeregt wird“.

Die Daten, die sie jetzt vorlegen, könnten auch Profi-Radler von der Epo-Spritze abbringen, hoffen die Autoren. Verboten, gesundheitlich riskant und nicht nützlich, das ist keine wirklich gute Bilanz.

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