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Abwärts. Im April geriet im Aostatal ein ganzer Hang in Bewegung.

© dpa

Hangrutsch: Gefahr von oben

Auch in Europa drohen Hänge abzurutschen. Viele werden überwacht und entsprechend gesichert. Doch ein Risiko bleibt.

Nach dem verheerenden Erdrutsch in Ab-e-Barik in Afghanistan haben die meisten die Hoffnung aufgegeben, noch Überlebende zu finden. Mehr als 300 Leichen wurden geborgen, rund 2000 Menschen gelten als vermisst, seit dort nach heftigen Regenfällen am Freitag eine Schlammlawine zu Tal gegangen war.

Die Gefahr durch Erdrutsche besteht keineswegs nur an den spärlich bewachsenen Hängen Zentralasiens, wo es häufiger zu solchen Ereignissen kommt. Auch Europa ist immer wieder davon betroffen. Allerdings sind die Folgen in der Regel weniger dramatisch, weil die gefährdeten Gebiete bekannt sind und Gegenmaßnahmen ergriffen werden. „Trotzdem lassen sich Hangrutsche, gerade im alpinen Raum, nicht hundertprozentig vermeiden“, sagt Roland Eichhorn, Leiter des Geologischen Dienstes am bayerischen Landesamt für Umwelt.

Italien ist besonders gefährdet

Diese Erfahrung machen gerade die Bewohner der Aostatals in den italienischen Alpen. Ende April sind rund 20 000 Kubikmeter Geröll nahe der Ortschaft La Palud zu Tal gegangen. Der Mont-Blanc-Tunnel, dessen Ausfahrt in der Nähe liegt, wurde für zwei Stunden gesperrt. Experten fürchten, dass bald weitere Abbrüche folgen. Messungen zeigen, dass der gesamte Hang instabil ist und sich millimeterweise nach unten bewegt. Der Zivilschutz will nun eine neun bis elf Meter hohe und 750 Meter lange Mauer am Fuß des Berges errichten lassen. Sie soll die Bewegung aufhalten.

In Italien ist die Gefahr durch Hangrutsche besonders groß, sowohl im Alpenraum als auch in den Apenninen. Das geht aus Untersuchungen des EU-Projekts „Safe Land“ hervor. Weiterhin sind Teile Islands, Norwegens und des Balkans bedroht – und die nördlichen Alpen, die nach Deutschland hineinragen.

Ein Hangrutsch werde durch zwei Voraussetzungen begünstigt, sagt Eichhorn. Erstens muss es eine Gleitfläche im Untergrund geben, auf der Erde und Geröll zu Tal rutschen können. Das könne beispielsweise eine Schichtung im Sediment sein oder eine Verwerfung innerhalb des Berges. Zum Zweiten muss die Oberfläche aus porösem Material bestehen. „Dann kann Regenwasser gut eindringen“, sagt der Geowissenschaftler. „Das erhöht einerseits die Masse, andererseits wirkt es wie ein Schmiermittel.“ Die besten Gegenmaßnahmen sind daher, für schützenden Bewuchs auf dem Hang zu sorgen, eventuell eine Entwässerung zu schaffen sowie ein Widerlager am Fuß – wie die geplante Mauer im Aostatal.

Meist kündigt sich ein Hangrutsch an

In vielen Fällen kündigt sich eine Rutschung an, sagt Eichhorn. „An einem schrägen Wuchs der Bäume oder an einem welligen und feuchten Untergrund sieht man oft schon vorher, dass ein Hang langsam nachgibt.“ Hunderte solcher Gefahrenstellen seien im Katalog für Georisiken in Bayern vermerkt. Rund ein Dutzend davon würden intensiv überwacht: Laserinstrumente messen rund um die Uhr die Bewegung, die im Schnitt bei 10 bis 20 Zentimetern im Jahr liegt. „Nimmt die Geschwindigkeit plötzlich zu, wird Alarm ausgelöst“, sagt er. „Es gibt aber auch Bereiche, wo man nichts sieht und wo beim nächsten Platzregen ein Stück des Hangs abgeht“, warnt er. Mit diesem Risiko müsse man leben.

Diese diffuse Gefahr will Oliver Krol besser in den Griff bekommen. Der Forscher vom Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung in Karlsruhe arbeitet an einem Frühwarnsystem, das aktuelle Wetterdaten mit Geländeinformationen verknüpft, wie zum Beispiel: Wie steil sind welche Hänge? Aus welchem Material bestehen sie? Daraus errechnet der Computer in Echtzeit, wie wahrscheinlich ein Hangrutsch ist. Er habe dazu mit dem österreichischen Burgenland kooperiert, sagt Krol. Doch die Daten, die er erhielt, seien nicht aussagekräftig gewesen. Zum erhofften Praxistest kam es nicht mehr, das Forschungsprojekt ist im Herbst ausgelaufen. Nun sucht Krol nach Partnern für ein Anschlussprojekt.

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