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Quälender Juckreiz. Neurodermitis betrifft vor allem Kinder. Doch manchmal haben auch Erwachsene noch mit dem Hautleiden zu tun.

© B. Boissonnet/mauritius images

Hautleiden: Neurodermitis ist besser behandelbar

Die Haut ist trocken, schuppig, gerötet und sie juckt: Moderne Therapien helfen Kindern wie Erwachsenen, mit der Krankheit zurechtzukommen.

Neurodermitis quält viele Kinder. Vor allem die ganz Kleinen sind betroffen: etwa 20 Prozent im ersten Lebensjahr. Fünf bis acht Prozent der Jugendlichen haben Neurodermitis leichter bis schwerer Ausprägung. Auch zwei bis drei Prozent der Erwachsenen leiden noch daran. In schweren Fällen kann künftig ein neuer Wirkstoff aus der Gruppe der Antikörper das Leiden lindern.

Die Haut ist manchmal nur trocken, oftmals aber auch schuppig, gerötet, häufig entzündet und sie juckt oftmals 24 Stunden am Tag. Doch Kratzen macht bei Neurodermitis alles nur noch schlimmer. Für die Betroffenen ist diese chronisch-entzündliche, schubförmig verlaufende Hauterkrankung Tortur und Stigma zugleich. Medizinisch wird die Neurodermitis auch als atopisches Ekzem oder atopische Dermitis bezeichnet.

Der Schutzmantel der Haut wird undicht

Es fängt mit einer Barrierestörung der Haut an. „Der Schutzmantel der Haut ist undicht, so dass Wasser von innen nach außen gelangen kann und sie trockener wird. Zugleich können Bakterien und Allergene durch den defekten Schutzmantel nach innen gelangen“, erklärt der Dermatologe und Allergologe Amir Yazdi vom Universitätsklinikum Tübingen.

Ein Teil der Betroffenen hat eine genetische Anfälligkeit, ausgelöst durch eine Veränderung im Gen für das Strukturprotein Filaggrin, das normalerweise die Haut abdichtet. „Wir nehmen an, dass auch Umweltfaktoren die Barrierestörung mitverursachen“, sagt die Dermatologin und Allergologin Claudia Traidl-Hoffmann von der TU München. Die Feinstaubbelastung sowie Rauchen oder Stress der Mutter während der Schwangerschaft verändern den Steuerungsüberbau der Gene, der festlegt, ob und wie oft einzelne Gene abgelesen und damit bestimmte Stoffe gebildet werden. Eindringlinge in die Haut versetzen einen Teil des Immunsystems in Alarmbereitschaft, eine Entzündung entsteht. Wolle kann infolge der mechanischen Reizung eine Neurodermitis ebenso verschlimmern wie manche Nahrungsmittel, trockene Luft und Herpesvirus-Infektionen.

Laut Traidl-Hoffmann ist es sehr wichtig, andere Allergien festzustellen und Auslösefaktoren zu bestimmen und sie anschließend, so gut es geht, zu vermeiden. Insbesondere bei Kindern steckt manchmal eine Lebensmittelallergie hinter einer Neurodermitis. Nur wenn das Kind bei der Exposition eine allergische Reaktion zeige, könne man sicher sein, dass dieses Nahrungsmittel tatsächlich weggelassen werden sollte. „Labortests, die übers Internet angeboten werden und Immunglobuline bestimmen, sagen überhaupt nichts aus. Auf Basis derartiger Tests durchgeführte Eliminationsdiäten, bei denen all jene Nahrungsmittel weggelassen werden, gegen die die Kinder angeblich allergisch sind, können zu Unterernährung führen“, warnt die Ärztin.

Harnstoff verringert den Wasserverlust

Was hilft den Betroffenen? Grundlage für alles Weitere ist die Basistherapie, die auf jeden Patienten abgestimmt werden muss. Die rückfettende Basistherapie sollte täglich erfolgen. „Harnstoffhaltige Cremes brennen leicht auf der Haut. Der Harnstoff lagert sich in die Haut ein und sorgt dafür, dass der Wasserverlust kleiner ist, die Haut also weniger stark austrocknet. Für Säuglinge und Kleinkinder bis vier Jahre werden wegen des Brennens glyzerinhaltige Cremes verwendet“, erläutert Yazdi.

Eine gute Schulung für Kinder und Eltern beispielsweise bei ärztlichen Neurodermitis-Trainern sei extrem wichtig. „Man muss ihnen genau zeigen, wie sie die Haut pflegen und wie viel und welche Creme sie auftragen müssen“, sagt der Neurodermitis-Experte. Schlauchverbände, die nachts wie ein Strumpf übergezogen werden, wirken stark juckreizstillend. Eine gute Basistherapie kann die gesunden Intervalle zwischen den Schüben verlängern und deren Intensität verringern, bestimmt also den Therapieerfolg maßgeblich.

Die nächste Behandlungsstufe stellen Salben, Cremes und Lotionen mit antientzündlichen Wirkstoffen dar. Bei akuten Schüben sind hochwirksame entzündungshemmende Kortisonpräparate das Medikament der ersten Wahl. „Bei rein äußerlicher Anwendung treten bei den modernen Kortisoncremes kaum Nebenwirkungen auf“, sagt Traidl-Hoffmann. „Es ist wichtig, das Kortison kontinuierlich anzuwenden.“ Denn man sieht es der Haut nicht an, wenn in der Tiefe noch aktive Zellen schlummern, die bei zu schnellem Absetzen von Kortison häufig zum Wiederauflammen der Entzündung führen.

Ein Antikörper hilft bei schweren Fällen

Entzündungshemmende Calcineurin-Inhibitoren wie Tacrolimus-Salbe und Pimecrolimus-Creme sind in ihrer Wirkung etwas schwächer als kortisonhaltige Cremes oder Salben. Sie haben dafür den Vorteil, dass sie auch im Gesicht und für längere Zeit einsetzbar sind. Der Juckreiz verringert sich und die schubfreie Zeit wird länger.

Bei schwerer Neurodermitis kann die Gabe von Ciclosporin A als Tablette oder Kapsel über kurze Zeiträume das Immunsystem unterdrücken. Es wirkt aber sehr ungezielt und kann Nebenwirkungen wie hohen Blutdruck und Nierenfunktionsstörungen haben. Für die Therapie schwerer Neurodermitis wurde ein Antikörper, das Dupilumab, in internationalen Studien getestet. Es wirkt zielgerichtet und verursacht deshalb kaum Nebenwirkungen. „Dupilumab ist sehr vielversprechend. Wir hoffen, dass es in Deutschland bald zugelassen wird“, sagt Traidl-Hoffmann. Eine ganze Reihe ähnlicher Medikamente wird derzeit getestet.

Für die meisten Jugendlichen ist mit Beginn des Erwachsenenalters zumindest der Neurodermitis-Schrecken vorbei. Offenbar gilt das nicht bei schwerer Neurodermitis. Welche Kinder werden zu den Glücklichen gehören, welche nicht? Das soll ein großes Neurodermitis-Register klären. Es wird finanziert von der gemeinnützigen Christine-Kühne-Stiftung für Allergieforschung und Edukation. Bei den teilnehmenden Kindern und Erwachsenen sollen Blutwerte und Hautabstriche Hinweise auf Biomarker liefern. Mit ihrer Hilfe hofft man, den Verlauf der Krankheit besser abschätzen zu können.

Gerlinde Felix

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