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Krankenkassen bezahlen die Hautkrebs-Früherkennungsuntersuchung.

© Imago

Heller Hautkrebs: Zwischen Alarmismus und echter Gefahr

Angeblich ist der helle Hautkrebs der häufigste bösartige Tumor, und die Erkrankungszahlen steigen. Aber zur Panik besteht kein Anlass. Ein Kommentar.

Kleiner Wissenstest: Welche Krebsart ist die häufigste? Lunge, Brust, Darm, Prostata? Falsch, ganz falsch. „Die häufigste Krebsart weltweit“ ist, wie es im Redaktionsdienst eines Krankenhausunternehmens heißt, „der sogenannte helle Hautkrebs.“ Damit das auch jeder mitbekommt, gibt es seit 2011 den Tag des hellen Hautkrebses, begangen am 13.September. Die Zahlen sind immens. Je nach Quelle ist von jährlich 180000 Neuerkrankungen in Deutschland die Rede („Redaktionsdienst Klinikwelt“), von „mindestens 200000“ (Robert- Koch-Institut) oder sogar von 1,3 Millionen Patienten mit hellem Hautkrebs (Gesamtzahl der Erkrankten laut der Krankenkasse Barmer GEK).
Gewarnt wird auch wegen stetig steigender Fallzahlen. „Keine Krebskrankheit nimmt an Häufigkeit so stark zu wie Hautkrebs“, berichtete die Deutsche Presseagentur dieser Tage vom Deutschen Hautkrebskongress in Frankfurt am Main. Eine „steigende Tendenz um jährlich fünf bis sieben Prozent“ meldete die Europäische Hautkrebs-Stiftung 2011 aus Anlass des ersten „Tags des hellen Hautkrebses“ und nannte in ihrer Pressemitteilung die Zahl von 250000 Neuerkrankungen. Zwei Jahre später war die Stiftung dann mit 220000 Neuerkrankungen etwas bescheidener, beharrte aber allen mathematischen Grundregeln zum Trotz weiter auf einer jährlichen Zunahme um fünf bis sieben Prozent.
Wer diese Zahlen zum ersten Mal hört, ist zu Recht verunsichert und wähnt sich vielleicht mitten in einer schleichenden Geschwulst-Epidemie. Beim Blick in Krebsregister, in denen die Zahlen der Erkrankungen und Todesopfer durch Tumoren verzeichnet sind, stellt sich dann eine gewisse Erleichterung ein. Der „helle“ oder „weiße“ Hautkrebs taucht dort in der Regel gar nicht auf. Und das ist keine böse Absicht.
Die Krebsregister haben ihre Gründe. Denn der weiße Hautkrebs erinnert zwar sprachlich an den schwarzen Hautkrebs, das brandgefährliche maligne Melanom. Verglichen mit dem Melanom ist er aber ein eher harmloser Zeitgenosse, den bombastischen Erkrankungszahlen stehen nur wenige Todesfälle durch hellen Hautkrebs gegenüber. Ganz grob geschätzt sind es deutlich weniger als ein Prozent der Erkrankten, die durch ihn zu Tode kommen.
Die Erklärung für die relative Gutartigkeit ist einfach. 80 Prozent des weißen Hautkrebses sind Basalzellkarzinome. Ihnen fehlt die gefährlichste Eigenschaft eines bösartigen Tumors, nämlich das Streuen von Tochterzellen in andere Organe, die Metastasierung. Früher wurden Basalzellkarzinome deshalb präziser und weniger alarmistisch „Basaliome“ genannt. Meist fallen sie als rötliche, schuppende Hautunreinheit auf, die nicht verheilen will.
Ihrem furchterregenden Namen zum Trotz werden Basalzellkarzinome in der Regel problemlos entfernt und damit kuriert. Ähnlich günstig sind die Aussichten beim warzenförmigen Plattenepithelkarzinom der Haut (früher Spinaliom), das die restlichen 20 Prozent der Formen des hellen Hautkrebses ausmacht. Dennoch gilt natürlich: Auch wenn die Heilungschancen hoch sind, sollte man bei verdächtigen Hautveränderungen nicht zögern, zum Arzt zu gehen.
Bleibt die Frage, was es mit der angeblich rapiden Zunahme von Hauttumoren auf sich hat. Ein guter Teil dieser Zunahme ist vermutlich der Tatsache geschuldet, dass wir der Haut heute stärkere Aufmerksamkeit schenken und es auch eine von den Krankenkassen bezahlte Hautkrebsvorsorge gibt. Das treibt die Erkrankungszahlen in die Höhe. Ein gutes Beispiel ist der schwarze Hautkrebs, für den solidere Informationen über tatsächliche Fälle vorliegen als bei der „hellen“ Variante. Danach stieg allein von 1980 bis 2004 die Zahl der am Melanom Erkrankten von 4000 auf etwa 16000, eine Zunahme auf das Vierfache. Gleichzeitig blieb jedoch die Zahl der Todesopfer durch schwarzen Hautkrebs bis heute weitgehend konstant.
Gäbe es eine echte und deutliche Zunahme, müssten die Todesfälle natürlich ebenso ansteigen. Das ist aber nicht der Fall. Deshalb sollte man Meldungen über alarmierend steigende Fallzahlen mit einer gewissen Zurückhaltung zur Kenntnis nehmen. Boshaft dagegen wäre es, zu behaupten, die Mediziner erzeugten ihre Epidemien selbst, um am Ende Tage nach ihnen zu benennen.

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