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Unter dem Felsüberhang Cuncaicha in den peruanischen Hoch-Anden lebten schon Steinzeitmenschen.

© Kurt Rademaker

Hochgebirgsarchäologie: Steinzeitliche Gipfeljäger in eisiger Höhe

In den Anden lebten schon vor 12 400 Jahren Menschen in Höhen über 4000 Meter. Sie suchten nach Obsidian.

Graffiti an den Wänden und Spuren von Ruß an der Decke zeigen: Unter diesem Felsenüberhang haben sich Menschen aufgehalten, rasteten oder suchten Schutz vor Gewittern und richteten sich später anscheinend häuslich ein. Nichts Besonderes, die Jäger der Steinzeit hinterließen in vielen Höhlen und unter Felsüberhängen der Welt ähnliche Spuren. Auch mit einem Alter von 12 400 Jahren ist der Cuncaicha-Felsüberhang keineswegs rekordverdächtig. Wohl aber mit der Wohnlage, die einen tollen Blick über eine schöne Graslandschaft bietet. Die Jäger lebten in 4480 Metern Höhe in den peruanischen Hoch-Anden. Der Archäologe Kurt Rademaker von der Universität Tübingen und seine Kollegen beschreiben im Fachblatt „Science“ (Band 346, Seite 466) die höchstgelegene Siedlung dieser Zeit.

Schwierige Lebensbedingungen

Bereits 2000 Jahre nachdem Menschen die ältesten Spuren in Südamerika hinterlassen haben, lebten sie in den Hochlagen der Anden. Bisher hatte sich niemand vorstellen können, dass Jäger und Sammler die Bedingungen in dieser Höhe so früh gemeistert haben könnten.

Ein Mensch zieht dort nicht einmal 60 Prozent des Sauerstoffs in seine Lungen, die er am Strand des Pazifiks einatmen würde. Um zu überleben, muss er in dieser Höhe doppelt so viele Kalorien schlucken wie sein Kollege unten am Meer. Die Sonne brennt kräftig, die Jäger bekommen viel mehr ultraviolette Strahlung als in der Ebene ab. Auch wenn der Cuncaicha-Felsüberhang in den Tropen liegt, bleibt es in Höhen über 4000 Meter kühl und in der Trockenzeit von April bis November gibt es in klaren Nächten einige Frostgrade. Bäume wachsen dort keine mehr, Feuerholz ist knapp.

Das Gold der Steinzeit - Obsidian

Wie kamen die Jäger überhaupt auf die Idee, in diese Höhen zu wandern? Der Grund könnte Obsidian sein. Das ist ein glasartiges Gestein, das entsteht, wenn die Lava aus einem Vulkanausbruch schnell abkühlt. Bruchstücke haben scharfe Kanten und waren daher in der Steinzeit begehrte Klingen für Werkzeuge und Jagdwaffen. In der Siedlung Quebrada Jaguay an der Pazifikküste des heutigen Peru verwendeten die Fischer der Steinzeit bereits vor 13 000 Jahren das Vulkanglas. Obsidian kommt nirgends natürlich vor, erst 150 Kilometer entfernt und mehr als 4000 Meter höher fanden die Forscher um Rademaker den Rohstoff im 4355 Meter hohen Pucuncho-Becken.

260 von Menschen bearbeitete Obsidianbruchstücke und jede Menge Abfall entdeckten die Forscher dort in einer Steinzeitwerkstatt unter freiem Himmel. Vor 12 800 bis 11 500 Jahren waren die Handwerker zugange. Sieben Kilometer östlich entdeckte Rademaker eine weitere Steinzeitfabrik. Hier fanden die Forscher mehr als 500 Werkzeuge und in der Nähe die Wohnung der Handwerker im Cuncaicha-Felsüberhang in 4480 Metern Höhe. Die Felswände schützten die Steinzeitmenschen vor den aus Westen kommenden Winden und Regenfällen. In drei verschiedenen Labors ließen die Wissenschaftler das Alter von großen, am Felsüberhang gefundenen Tierknochen bestimmen. Die Ergebnisse zeigen, dass dort vor 12 000 Jahren Menschen lebten.

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