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© Thilo Rückeis

Hochschulen: Berlin - Stadt des Geistes

Nach dem Erfolg der FU im "Times"-Ranking: Warum die Hauptstadt eine Hochburg der Kulturwissenschaften ist – trotz Stellenstreichungen und voller Seminare

Wie erklärt sich der Erfolg der Freien Universität im britischen Times-Higher-Education-Ranking? Nach der Einschätzung von über 6000 Professoren aus aller Welt ist die FU europaweit die drittbeste Universität in den Geisteswissenschaften – nach Oxford und Cambridge. Bundesweit liegt die FU auf Platz 1, ebenso wie in den Sozialwissenschaften, dicht gefolgt von der Humboldt-Universität. Studierende quittieren den Ranking-Erfolg im Diskussionsforum von Tagesspiegel-Online allerdings auch mit Unglauben: Sie haben in überfüllten Seminaren gelitten. 

Die Berliner Unis retteten die Geisteswissenschaften im Elite-Wettbewerb

In der Forschung allerdings wird der FU – und auch der HU – immer wieder Exzellenz bestätigt. Aus dem Elitewettbewerb für die deutschen Universitäten ging Berlin 2007 als „Retterin der Geisteswissenschaften“ hervor, wie Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner kürzlich sagte. Nur fünf von knapp 40 Exzellenzclustern, also großen Forschungsvorhaben, wurden bei dem Wettbewerb überhaupt an Geisteswissenschaftler vergeben – zwei davon gingen nach Berlin. Die FU errang ein Cluster in der Emotionsforschung, in dem es um Sprache, Ideologien oder Moden als „Archive und Agenten“ von Gefühlen geht. FU und HU gemeinsam haben eines in den Altertumswissenschaften gewonnen. Die FU konnte zudem zwei geisteswissenschaftliche Doktoranden-Programme durchsetzen, die HU bekam eine sozialwissenschaftliche Graduiertenschule. Ein Doktoranden-Programm bringt fünf Millionen Euro für fünf Jahre, ein Cluster rund 34 Millionen.

Die FU führt auch beim Ranking der Deutschen Forschungsgemeinschaft

Dass die Berliner Geisteswissenschaften in der deutschen Spitze mitspielen, zeigt sich auch im Förderranking der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Das Ranking basiert auf der Höhe der Fördermittel, die die DFG zwischen 2003 und 2006 für Forschungsvorhaben vergeben hat, die Ergebnisse des Elite-Wettbewerbs bildet das Ranking noch nicht ab. Bei den Geisteswissenschaften führt die FU, sie konnte in dem Zeitraum 19,4 Millionen Euro einwerben. Die FU sei eine „Hochburg der geisteswissenschaftlichen Forschung“, lobt die DFG. Tübingen liegt auf Platz 2, die HU auf Platz 7.

Auch außerhalb der Exzellenzinitiative sind die Berliner Unis überaus erfolgreich. Am Donnerstag eröffnet an der FU das Internationale Forschungskolleg „Verflechtungen von Theaterkulturen“. Für sechs Jahre können Theaterwissenschaftlerin Erika Fischer-Lichte und Tanzwissenschaftlerin Gabriele Brandstetter jährlich zehn internationale Fellows einladen. Knapp acht Millionen Euro stellt der Bund dafür zur Verfügung. Die Forscherinnen haben der FU schon früher Millionen eingebracht: Fischer-Lichte leitet den Sonderforschungsbereich „Kulturen des Performativen“. Brandstetter holte 2004 den mit 1,4 Millionen Euro dotierten Leibniz-Preis der DFG. Am Otto-Suhr-Institut fördert die DFG eine Kolleg-Forschergruppe über „Die transformatorische Kraft Europas“ – mit vier Millionen Euro für vier Jahre.

Für ausländische Top-Forscher ist Berlin am attraktivsten

Auch die HU bekommt ein hoch dotiertes Kolleg: Kunsthistoriker Horst Bredekamp und Philosoph John Michael Krois erhalten für vier Jahre 3,1 Millionen Euro, um „Bildaktforschung“ zu betreiben. Mit „Transformationen der Antike“ und „Repräsentationen sozialer Ordnungen im Wandel“ hat die HU zwei geistes- und sozialwissenschaftliche SFB. Für ausländische Stipendiaten der Alexander von Humboldt-Stiftung ist Berlin ohnehin mit Abstand am attraktivsten. Führend ist die FU, die HU steht auf Platz 2, mit Abstand folgen München und Heidelberg.

Der jüngste Erfolg im britischen Ranking ruft indes auch Erinnerungen an die Mittelkürzungen für die Unis hervor, die vor allem die Geistes- und Sozialwissenschaften getroffen haben. Zwischen 2005 und 2009 sollen die drei großen Unis 75 Millionen Euro einsparen – das bedeutet die Streichung von etwa 220 Professuren. Die TU streicht alle grundständigen Studiengänge in den Geisteswissenschaften. An der FU werden Musikwissenschaft und Soziologie abgewickelt, an der HU unter anderem die Ur- und Frühgeschichte.

Ist die gute Platzierung ein Beleg dafür, dass die Unis die Sparwelle gut verkraftet haben? „Die Kürzungen sind noch nicht komplett umgesetzt“, sagt FU-Präsident Dieter Lenzen. Zudem bleiben die Professoren bis zum Ruhestand auf ihren Stellen aktiv. Überfüllte Seminare sieht auch Lenzen als Problem. Gleichzeitig sprächen sie aber für die Beliebtheit und Qualität eines Faches. Große Erfolge in der Forschung zu erzielen und gleichzeitig eine große Studienreform zu stemmen, sei keineswegs selbstverständlich, sagt ein FU-Insider. An der FU zeigten sich bereits erste Erfolge der Umstellung auf Bachelor und Master. Trotzdem sei in der Lehre bei den Geisteswissenschaften noch sehr viel zu tun. Die vom Präsidium gestartete „Lehroffensive“ sei dringend notwendig.

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