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Hochschulen: „Berlins Unis brauchen die Stiftung“

Nur eine starke Spitze strahlt international aus - ein Plädoyer von Ernst-Ludwig Winnacker für die Einstein-Stiftung.

Die Berliner Universitäten sind Problemkinder. Obwohl einzelne Professorinnen und Professoren Spitzenleistungen in Forschung und Lehre erbringen, die sogar Exzellenzcluster und Sonderforschungsbereiche zu tragen imstande sind, fehlt ihnen insgesamt die internationale Sichtbarkeit. Im neuesten Times- Higher-Education-Ranking 2008 finden sie sich in der Gesamtwertung nur im Mittelfeld, weit hinter Heidelberg und den beiden Münchener Universitäten, die es aber allesamt wenigstens noch unter die ersten Hundert geschafft haben.

Universitäten sind Brennpunkte des Wissens und des Willens einer Gesellschaft. Der Umgang mit ihnen und die Wertschätzung, die man ihnen angedeihen lässt, zeigen wie ernst es einer Gesellschaft mit der Wissensrevolution ist. Der Spagat zwischen Massenuniversität einerseits und intellektuellen Spitzenleistungen andererseits ist dabei eine enorme Herausforderung. Das eine ist aber ohne das andere nicht zu haben. Spitze gibt es nicht ohne Breite, und Breite nicht ohne Spitze. Diese Spitze wurde jahrzehntelang vernachlässigt. Die Exzellenzinitiative hat die Mauer des Mittelmaßes durchbrochen. Beseitigt ist sie aber deswegen noch lange nicht.

In Berlin kennt man sich mit Mauern aus. Um so unverständlicher scheint es mir, wenn nun gerade aus den Universitäten so viel Widerstand gegen ein Projekt des Senators Jürgen Zöllner kommt, mit Hilfe einer Stiftung immerhin 35 bis 40 Millionen Euro pro Jahr für die Förderung von Spitzenleistungen zur Verfügung zu stellen. Es geht um die bessere Bezahlung von Spitzenkräften, um das Anlocken und die Repatriierung von Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausland, um die Unterstützung des Besten, das die drei Universitäten und die außeruniversitäre Forschung zu bieten haben.

Von den Bewilligungen des neu gegründeten European Research Council (ERC) her sehe ich, wie wichtig die Gastinstitutionen für eine Entscheidung dafür sind, wo man als Antragsteller am Ende seine Vorhaben durchführen will, oder eben nicht. Sieger beim ERC waren bei immerhin schon zwei großen Auswahlverfahren bislang Institutionen in England, der Schweiz, Israel und den Niederlanden, während Deutschland eher im Mittelfeld auftauchte. Kein Wunder! Eliten sind extrem mobil, fast so mobil wie Geld. Wer also kann etwas dagegen haben, wenn der verantwortliche Senator in Berlin dies erkennt und entsprechend gegensteuern will?

Natürlich ist mir klar, dass die Rektoren und Präsidenten Angst haben, ihre Stromrechnungen und die hohen Lohnkosten in Zukunft nicht mehr bezahlen zu können. Unsere Universitäten, auch die Berliner, sind extrem unterfinanziert. Sie hätten durchaus eine Rettungsaktion von der Art verdient, wie sie jetzt für die Banken gefunden wurde. Hier geht es aber um ganz andere Größenordnungen.

Dass die Universitäten dennoch die Problematik der Finanzierung ihrer Grundausstattung und die Stiftung für die Spitzenforschung gegeneinander abwägen, zeigt mir, dass in Berlin etwas ganz Grundsätzliches im Argen ist. Manchmal sind Extremsituationen auch für etwas gut, nicht nur bei Finanzkrisen. Die Tatsache, dass ein so kleines Bundesland wie Berlin drei große Universitäten finanzieren muss und dazu nicht in ausreichendem Maße in der Lage ist, deutet für mich auf eine Schwäche unseres föderalen Staatswesens. Offensichtlich gibt es Bereiche, die die Bundesländer überfordern, und dazu gehören auch Teile der tertiären Bildung. Über seine vielfältigen Instrumente der Forschungsförderung steckt der Bund schon heute viel, sehr viel Geld in die Forschung an den Universitäten. Vielleicht wäre es aber notwendig, auf der Grundlage von Experimentierklauseln gezielt neue Förderinstrumente zu entwickeln. Der Bund könnte beispielsweise das Volumen der Stiftung von Senator Zöllner durch eine Zustiftung derart vergrößern, dass diese an die von ihr geförderten Personen und Institutionen zusätzliche Forschungsprämien auszahlen kann, die in die Grundausstattung fließen. Er könnte auch eine der drei Universitäten in Berlin ganz übernehmen, analog zur Bund-Länder-Vereinbarung über das ZDF.

Aber zunächst einmal gilt es, sich die Vorteile der neuen Stiftung noch einmal zu vergegenwärtigen. Sie kommt den modernen Wissenschaften entgegen, deren Gegenstände zunehmend komplexer werden, und die daher neuer Arten der Zusammenarbeit bedürfen.

Ich finde es auch sehr wichtig, dass es nicht mehr um eine neue Universität geht, eine „Superuni“, sondern um eine Art Forum, einen Angelpunkt für Spitzenforschung, der allen Interessenten zugute kommt. Dass Senator Zöllner nicht von Anfang an eine Stiftung vorgeschlagen hat, darf ihm nicht angekreidet werden, zumal das Wort „Superuni“ gar nicht von ihm stammt. Er hat immer nur von „Vorschlägen“ gesprochen. Wo etwas völlig Neues entsteht, muss man durchaus laut nachdenken und Verbesserungen anbringen dürfen.

Schließlich kann die Stiftung helfen, die Berliner Universitäten ein wenig näher zusammenzuführen. Es wird Zeit, dass man die Eitelkeiten untereinander ein wenig abbaut. Wettbewerb ist gut, aber man muss sich in Berlin viel besser als bisher überlegen, wo genau er wichtig ist und wo sich Kooperationen lohnen. Das gilt vor allen Dingen auch im administrativen Bereich. Kooperationen sind in diesem Sinne nicht ein Zeichen von Schwäche, sondern von Professionalität.

So überwiegen für mich bei weitem die Vorteile einer solchen Stiftung. Es wurde Zeit, dass jemand auf diese Idee kam. Sie ist aus der Sicht eines auswärtigen Beobachters für alle Beteiligten den Versuch wert, einmal über ihre Schatten zu springen. Sie weiter zu zerreden, dafür ist Berlin und sein Hochschulsystem viel zu schade.

Der Autor ist Generalsekretär des European Research Council (ERC) und war Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG)

Ernst-Ludwig Winnacker

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