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Zwei Frauen in einem Beratungsgespräch.

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Hochschulen: Die Tricks der Unis beim Psychologie-Master

Wie gerecht geht es zu beim Psychologie-Master? Die Plätze sind knapp, Unis stellen Kriterien auf, die nur eigene Bachelor-Absolventen erfüllen.

Barbara Phlix hat das Drama hinter sich. Sie studiert im Master Psychologie an der Uni Göttingen, den Bachelor machte sie in Ulm. Göttingen – Ulm, mit dem Zug sind das ein paar Stunden. Die massiven Mobilitätsprobleme stellen sich für Psychologiestudenten ausnahmsweise mal nicht wegen der Bahn. Sie betreffen auch nicht nur diese eine Süd-Nord-Route.

Im ganzen Bundesgebiet werden Hochschulwechsel beim Übergang in den Master in dem Fach zur Odyssee. Mit einem „irrsinnigen Aufwand“ sei er verbunden, sagt Phlix und: „Es geht dabei nicht gerecht zu.“

"Unendlich schwer, zu bestimmten Unis zu wechseln"

Barbara Phlix ist im Vorstand des Vereins PsyStudents. Zusammen mit drei Kommilitonen erstellt sie die „Masterliste“ und hält sie aktuell – „ohne Gewähr“. Um die Zugangsvoraussetzungen und Auswahlkriterien der Hochschulen für den Master präzise zu dokumentieren, müsste das Team jedes Semester sämtliche Modulhandbücher lesen und vergleichen. „Das schaffen wir nicht“, sagt Phlix.

Die Regeln variieren von Hochschule zu Hochschule, von Land zu Land. Und sie können jederzeit geändert werden, solange sie sich innerhalb landesgesetzlicher Vorschriften bewegen. Der Spielraum ist eine Frucht der Hochschulautonomie und von Bologna. Die Studienreform erlaubt Hochschulen, Schwerpunkte zu setzen. Phlix begrüßt das explizit: „Es ist gut, dass die Masterangebote unterschiedliche Schwerpunkte haben. Das Problem ist, dass es so unendlich schwer ist, zu bestimmten Unis zu wechseln.“

Gesellschaft für Psychologie fordert faire Kriterien

Die hohen Mobilitätshürden erklären sich nämlich nicht nur durch reine Bestenauswahl. Wie die Deutsche Gesellschaft für Psychologie (DGP) feststellt, legen manche Unis für den Masterstudiengang Zugangskriterien fest, „die dazu führen, dass sich die Zulassungschancen der eigenen Studierenden erhöhen“. Das sei etwa der Fall, „wenn bestimmte Studienleistungen in einem speziellen Fachgebiet der Psychologie oder in einem angrenzenden Fach im Bachelor verlangt werden“. Diese würden von den Empfehlungen der DGP „inhaltlich oder vom Umfang so stark abweichen, dass sie in der Regel nicht an anderen Universitäten erworben werden können“.

Den DGP-Appellen und ihres aktuellen Präsidenten Conny Antoni, solche „Kunstgriffe“ zu unterlassen, und der Auswahl „faire Kriterien zugrunde zu legen, die den Empfehlungen der DGP zum Bachelorstudium entsprechen“, müssen Hochschulen allerdings nicht folgen.

Es steht ihnen frei, anders zu agieren. Ein Beispiel: Wer an der Würzburger Julius-Maximilians-Universität im Master Psychologie studieren möchte, muss drei Leistungspunkte in Neuroanatomie nachweisen. „Die benötigten Kompetenzen werden insbesondere im Rahmen des Studienfachs Psychologie mit dem Abschluss Bachelor an der JMU vermittelt“, heißt es in den „fachspezifischen Bestimmungen“ der Uni. Die Nachteile für externe Bewerber verkehren sich für interne Bewerber in Vorteile. „Ich bin ganz froh darüber, sonst hätte ich vielleicht keinen Masterplatz gekriegt“, erklärt eine Studentin aus der Fachschaft. Das Würzburger Vorgehen sei „keine Seltenheit“. Auch könne man trotzdem noch als auswärtiger Student einen Platz erhalten.

Stifterverband: Hochschulen denken "sehr provinziell"

Das stimmt. Doch das Prinzip, für das Conny Antoni einsteht, ist verletzt: Der faire Wettbewerb und die Mobilität der Studierenden würden „behindert“, wenn „Universitäten bei der Ausübung ihres Auswahlrechts Selektionskriterien bewusst einsetzen, um eigene Studierende zu bevorzugen“. Derlei kritisiert auch der stellvertretende Generalsekretär des Stifterverbands, Volker Meyer-Guckel, als „sehr provinziell gedacht – und überhaupt nicht im Sinn von Bologna“. Die Studierendenauswahl sei Kerngedanke des Reformprozesses und – richtig eingesetzt – „eine Riesenchance für die Hochschule“.

In der Praxis hat sich das Auswahlprivileg im Mangelfach Psychologie aber längst in die „unschöne Aufgabe“ verkehrt, „sehr vielen absagen zu müssen“, sagt Matthias Ziegler, Direktor für Lehre und Studium am Institut für Psychologie an der Berliner Humboldt-Universität. Der jährliche Run auf Masterplätze sei „erschreckend“. Um die 80 HU-Masterplätze bewerben sich bis zu 1000 Bachelorabsolventen. Bundesweit sieht es nicht besser aus. Nach DPG-Angaben sind vergangenes Wintersemester für die rund 4300 Masterplätze an Unis etwa 36.000 Bewerbungen eingegangen.

Zehn Prozent stecken nach dem Bachelor beruflich in der Sackgasse

Die hohe Zahl erklärt sich aus Mehrfachbewerbungen, mit denen die rund 4800 Bachelorabsolventen auf Nummer sicher gehen wollen und müssen. Etwa 90 Prozent schaffen so den Übergang. Die restlichen zehn Prozent stecken beruflich in der Sackgasse. Um als Psychologe arbeiten zu können, ist der Master nötig. Dass der Bachelor in der Psychologie nicht als berufsqualifzierender Abschluss gelten kann, bestätigt ein hochschulrechtliches Fachgutachten, das die DGP unlängst in Auftrag gab. Der Psychologie-Bachelor ist also so wenig wertvoll wie ein Bachelor im Lehramt.

Anders als den Pädagogen bleibt den Psychologen aber eine 100-Prozent-Übergangsquote verwehrt. „Die Psychologen sind in der Debatte zu den Übergangsquoten auf der Strecke geblieben“, kritisiert der auf Studienplatzklagen spezialisierte Berliner Anwalt Jürgen Hägele. Die DGP fordert die 100-Prozent-Quote seit Jahren. Vergeblich, Deutschland bleibt hinter EU-Staaten wie Österreich oder Portugal zurück. Die beiden Länder, weiß Conny Antoni, haben „den Anspruch gesetzlich verankert“ und so Druck aus dem System genommen.

Von Christine Prußky

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