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© - Foto: promo

Hochschulen: Joybrato Mukherjee - der jüngste Unipräsident Deutschlands

Der 35-jährige Anglist Mukherjee wurde in Gießen zum Präsidenten gewählt. Damit wird er der Professor mit den indischen Wurzeln der jüngste Leiter einer staatlichen Universität in Deutschland.

„An der Justus-Liebig-Universität ist auch das eigentlich Unmögliche möglich“, kommentiert Joybrato Mukherjee seine Wahl zum Präsidenten der Universität Gießen. Der 35-jährige Anglist, der sich am Mittwoch gegen einen Mediziner und eine Juristin deutlich durchsetzte, tritt im Dezember offiziell sein Amt an. Schon seit März übt er es kommissarisch aus – in Vertretung für den schwer erkrankten Präsidenten Stefan Hormuth, der sich nicht wieder zur Wahl gestellt hatte. Mukherjee wird der jüngste Präsident einer staatlichen Universität in Deutschland.

Unmöglich ist Mukherjees akademische Karriere keineswegs, aber doch außergewöhnlich. Der gebürtige Rheinländer, dessen Eltern in den 60er Jahren aus Indien eingewandert sind, ist seit 2008 erster Vizepräsident in Gießen. 2003 war er dort im Alter von 29 Jahren auf eine Professur für Englische Sprachwissenschaft berufen worden, kurz nachdem er sich an der Uni Bonn habilitiert hatte. Die frühe Präsidentschaft ist der vorläufige Höhepunkt eines rasanten Werdegangs: 1992 hatte Mukherjee sein Studium an der RWTH Aachen aufgenommen, nach zehn Semestern legte er die Magister-Prüfung und das erste Staatsexamen in Anglistik und Biologie ab. Während des Referendariats am Gymnasium in Düren forschte Mukherjee an der Uni Bonn für seine Doktorarbeit und wurde im Jahr 2000 wissenschaftlicher Assistent in Bonn.

„Das Unmögliche möglich zu machen“ erklärte Mukerjee auch zum Motto seiner Präsidentschaft. Das Präsidium werde jetzt die Vorhaben für die zweite Runde des Exzellenzwettbewerbs mit Hochdruck vorantreiben, sagte Mukherjee am Donnerstag dem Tagesspiegel. In nächster Zeit werde entschieden, ob die Uni sich auch wieder um den Elitestatus bewirbt, sagt Mukherjee. Dabei klingt er entschlossen, genau das zu tun.

In der ersten Runde war Gießen mit dem Zukunftskonzept gescheitert, hatte aber ein medizinisches Forschungsvorhaben zum Herz-Lungen-System und die von Mukherjee geleitete kulturwissenschaftliche Graduiertenschule „Center for the Study of Culture“ gewonnen. Die Erfolgsstory für die Natur- und Lebenswissenschaften einerseits und die Geisteswissenschaften andererseits setze sich auch im hessischen Wettbewerb „Loewe“ (Landesoffensive zur Entwicklung wissenschaftlich-ökonomischer Exzellenz) fort, betont der gewählte Präsident.

Am Wahltag erhielt die Uni den Zuschlag für ein Zentrum in der Lungenforschung und für ein Vorhaben in der Chemie. Im ersten Loewe-Durchgang 2008 hatte Mukherjee eine Förderung für den Schwerpunkt „Kulturtechniken und ihre Medialisierung“ errungen. Trotz der notwendigen Profilbildung in beiden Bereichen solle Gießen eine klassische Volluniversität bleiben, sagt Mukherjee, der noch im Promotionsstudium das Nebenfach Genetik belegte. An vielen Unis werde das heute ja anders gesehen: „Aber wir haben einen viel zu wichtigen Bildungsauftrag für alle Fächer.“ Zu Mukherjees eigenen Forschungsschwerpunkten gehören die computergestützte Korpuslinguistik und die angewandte Linguistik, in der er unter anderem südasiatische Varianten des Englischen untersucht.

Sieht sich Mukherjee als Migrant der zweiten Generation, der den Aufstieg geschafft hat? „Es ist mir bewusst, dass ich unter diesem Gesichtspunkt betrachtet werde“, sagt Mukherjee. Allerdings sei sein Migrationshintergrund in seiner akademischen Laufbahn nie ein Thema gewesen. Sein Vater sei beruflich nach Deutschland gekommen – und stamme aus einer Familie von Brahmanen. Damit ist er im indischen Kastensystem ein Angehöriger der obersten Kaste. „Kulturell bin ich deutsch geprägt“, sagt Mukherjee. „Richtigerweise“ hätten ihm seine Eltern vermittelt, „dass man sich einbettet in die Kultur, in der man lebt“. Insofern könne er doch ein Rollenvorbild für Migranten sein.

Sein eigenes Tempo will Mukherjee den Gießener Studierenden in den Bachelor- und Masterstudiengängen nicht abverlangen. Er nehme die Proteste gegen den hohen Leistungsdruck und die Überfrachtung der Curricula sehr ernst. In den Studiengängen sollten künftig „viele Elemente dereguliert und flexibilisiert werden“, sagt Mukherjee. Er wolle für die Studierenden „Freiheitsgrade zurückerobern“. Jeder müsse sein individuelles Tempo wählen und seine eigenen Schwerpunkte setzen können. Als Hochschulleiter wolle er ein „Präsidium der offenen Tür“. Eine Universität sei etwas anderes als ein Unternehmen, sie lebe von der Eigeninitiative, der Kreativität und der Diskussionsfreude jedes Einzelnen. Aber führen will Mukherjee schon, das machte er in seiner Bewerbungsrede klar: „Sprechen Sie und streiten Sie mit uns. Wenn das Präsidium anders entscheidet: Verzeihen Sie uns.“ Amory Burchard

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