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Viele Lehrbeauftragte, die Studierende unterrichten, verzichten bisher auf einen Lohn.

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Hochschulen: Unbezahlbare Lehrkräfte

Berliner Lehrbeauftragte müssen honoriert werden, doch die Universitäten können sich das nicht leisten. Das OSI fürchtet, einen Großteil der Dozenten nicht weiterbeschäftigen zu können.

Das Otto-Suhr-Institut (OSI) der Freien Universität befürchtet, dass eine Initiative des ehemaligen Wissenschaftssenators Jürgen Zöllner zum Fiasko werden könnte. Das Hochschulgesetz schreibt den Unis nach der Novelle vom Mai dieses Jahres vor, Lehrbeauftragte zu bezahlen. Ein Großteil der Dozenten am Politikwissenschaftlichen Institut der FU könnte daraufhin ab dem kommenden Sommersemester nicht mehr beschäftigt werden, sagt Tanja Börzel, geschäftsführende Direktorin des OSI.

Allein 2010/11 wurden 21 Prozent der Lehre am OSI durch unbesoldete Lehraufträge abgedeckt. Schon im laufenden Wintersemester fehlten kurzfristig 60 000 Euro für 59 der insgesamt 86 Lehraufträge und zehn Pflichttutorien, sagt Börzel. Doch im letzten Moment habe das Institut Mittel aus seiner Reserve freigegeben. Das werde sich im Frühjahr nicht wiederholen, ist man am OSI sicher.

Das Wintersemester wurde auch gerettet, weil sich einige Lehrbeauftragte erneut zum Verzicht auf ihre Bezahlung bereit erklärten. Laut Novelle sollen zwar nur noch besoldete Lehraufträge erteilt werden, die Lehrenden können aber nach der Unterzeichnung ihres Vertrages weiterhin auf ihr Geld verzichten. Die Verzichtsoption komme jedoch für den größten Teil der Lehrbeauftragten nicht mehr infrage, sagen Vertreter der Initiative „Kritische Lehre“ am OSI. Als Doktoranden und häufig habilitierte Wissenschaftler müssten sie von ihrer Arbeit als Lehrbeauftragte leben können, ohne auf Nebenjobs angewiesen zu sein.

Wie am OSI könnten in vielen Instituten Seminare gefährdet sein. Müssen die Unis also ihr Lehrangebot herunterfahren? Angesichts knapper Mittel will der Vizepräsident der Freien Universität für Studium und Lehre, Michael Bongardt, „die Bedingungen, nach denen Lehraufträge vergeben werden, genau beleuchten“. Die Studienordnungen müssten auf das vorhandene Hochschulpersonal zugeschnitten werden. Lehrbeauftragte können dann nur noch in sehr begrenztem Umfang ergänzende Seminare anbieten.

An der Humboldt-Uni heißt es dagegen, die Finanzierungsgrundlage für Lehraufträge sei sichergestellt. Es werde damit gerechnet, dass etliche Lehrbeauftragte auch weiterhin ohne Vergütung unterrichten, erklärt die Pressestelle. Darauf hofft man auch an der Technischen Universität. In den wenigen Fällen bislang unbezahlter Lehraufträge an der TU seien die Lehrenden durch eine andere hauptberufliche Tätigkeit finanziell abgesichert.

Unterdessen kämpfen Aktivisten wie die Politikwissenschaftlerin Inga Nüthen für eine bessere Bezahlung der Lehrbeauftragten. Für ihre Seminare erhält sie im Schnitt 30 Euro Stundenlohn, womit jedoch nur die Zeit abgegolten ist, in der sie vor Studierenden steht. Gemessen am Arbeitsaufwand einschließlich Vor- und Nachbereitung und der Korrektur von Hausarbeiten sei das viel zu wenig, sagt Nüthen, in deren Seminaren bis zu 70 Studierende sitzen. Andere Lehrbeauftragte am OSI betreuten bis zu 120 Studenten.

Zahlreiche Initiativen protestieren gegen die prekären Beschäftigungsverhältnisse von Lehrbeauftragten. Die Potsdamer Initiative „Intelligenzija“ fordert mit ihrer jüngsten Kampagne „Sprich“ Betroffene auf, ihre Arbeitsbedingungen transparent zu machen. Die AG Lehrbeauftragte der GEW stellt weitergehende Forderungen: Statt befristeter Lehraufträge sollten sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze geschaffen werden.

Zumindest eine Stimme in der Uni bekommen die Berliner Lehrbeauftragten nun nach der Novelle: Sie gelten jetzt als Universitätsmitglieder mit aktivem Wahlrecht.

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