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Hochschulpolitik: Hier bloggt die Uni

Untätiger Asta, neoliberale Reformen: In Weblogs wollen Berliner Studierende über Hochschulpolitik aufklären

Ob über Privates oder Politik: Blogs sind zu einem der wichtigsten Kommunikationsmittel geworden. Auch an den Berliner Hochschulen sind sie mittlerweile angekommen. Vor kurzem hat die Freie Universität ein zentrales Blogsystem eingerichtet. Lehrende, Studierende und Mitarbeiter sollen dort ihren persönlichen Blog führen und sich untereinander austauschen.

Das ist die Vision. Die Realität sieht momentan noch anders aus. Die Plattform läuft im Probebetrieb und gerade einmal zehn aktive Weblogs sind registriert. Doch abseits der offiziellen Plattform hat sich unter Studierenden bereits eine lebendige Bloggerszene etabliert. Dabei wird nicht über Privates gebloggt, sondern über Hochschulpolitik, von der die Öffentlichkeit in der Regel wenig mitbekommt. „Ein Blog ist dafür das beste Medium“, schwärmt Ronny Patz, Student der Politikwissenschaft und Mitglied der Liberalen Hochschulgruppe (LHG) an der FU. „Es ist schnell, erreicht viele und kostet nichts.“ Im LHG-Blog berichtet Patz vor allem von seiner Arbeit in den Unigremien und im Studierendenparlament.

Studierende bekämen von vielen wichtigen Diskussionen und Entscheidungen, die sie selbst betreffen, nichts mit, sagt der Blogger. „Als Student hatte ich nie etwas aus dem Kuratorium gehört“, erzählt er. Im Februar wurde er dann selbst in das Aufsichtsgremium gewählt. Nach seiner ersten Sitzung bloggte er sofort darüber. Auch im Studierendenparlament und beim Asta verlaufe vieles intransparent, kritisiert Patz. Er veröffentlichte im LHG-Blog die Namen der frisch gewählten Asta-Referenten – die der Asta selbst nicht herausgibt. Elf der 30 neu gewählten Referenten seien bei ihrer Wahl nicht abwesend gewesen, wird im Blog zudem kritisch angemerkt. Diese Zahl sei „sicher zu hoch gegriffen“, entgegnet ein Asta-Sprecher auf Nachfrage.

In den Blogs werden inzwischen auch Kontroversen über die Arbeit des von linken Gruppen dominierten Asta ausgetragen. Patz regte sich anlässlich der konstituierenden Sitzung der neuen Studierendenvertretung über den Rechenschaftsbericht des alten Asta auf. Die „Krönung des Tages“ sei der Bericht des Asta-Vorsitzenden gewesen, „in welchem dieser ausdrücklich schreibt, er habe ,NICHTS’ getan, und dieses auf einer Seite aufführt“, schrieb Patz: „Vielleicht symptomatisch für einen Asta, dessen Referenten jede Unterstützung von Transparenz und Demokratie an der Hochschule als ,Konsumhaltung’ bezeichnen.“ Auf dem Blog der Asta-nahen FU-Fachschaftsinitiativen wurde umgehend die Sicht des Asta dargestellt: „Der Vorsitzende ist zwar juristisch verantwortlich, aber entscheiden tut ganz basisdemokratisch das Plenum der Referate. Wenn also der Vorsitzende ,gar nichts’ tut, so hat er den Auftrag zur vollsten Zufriedenheit erfüllt.“

In den Blogs geht es auch um die große Hochschulpolitik: Studiengebühren, Elitewettbewerb, Bachelor. Erwartungsgemäß wird zum Teil heftige Kritik geübt, auch an der Hochschulleitung um Präsident Dieter Lenzen. So wird auf „FUWatch“ die „neoliberale Deformation“ der FU unter Lenzen gegeißelt, verbunden mit der Hoffnung, der Präsident möge sich endlich „dem ganzen Exzellenz-Gedöns verweigern“.

Können die Blogs etwas daran ändern, dass sich so wenige Studierende für Hochschulpolitik interessieren? Diejenigen, die erreicht werden, beschäftigten sich größtenteils ohnehin mit Hochschulpolitik, sagt Platz. Immerhin tauschen sich bloggende Studierende aus, die politisch vieles trennt. Linke Fachschaftsblogs verlinken Beiträge aus dem LHG-Blog, dieser kommentiert „FUwatch“-Einträge. Auch „die Verwaltung und Professoren am OSI sowie Cedis-Mitarbeiter“ erreiche man.

„Cedis“ ist das Centrum für digitale Systeme der FU. Hier wird an der Einführung des zentralen Blogsystems gearbeitet – und der „FUwatch“-Blog regelmäßig gelesen. „Kritisch“ sei der Blog, sagt Cedis-Leiter Nicolas Apostolopoulos, „zum Teil im positiven Sinne, zum Teil ist er aber auch unobjektiv“. Aber schließlich seien Blogs da, um die eigene Meinung deutlich zu äußern. Können FU-Angehörige auch im zentralen Blogsystem die eigene Uni nach Lust und Laune kritisieren? Was erlaubt sein soll, „ wird momentan zwischen der Unileitung und Cedis diskutiert“, sagt Apostolopoulos. Die Nutzungsbedingungen enthalten bereits einen Passus, der es als „missbräuchliche Nutzung“ definiert, wenn im Blog „das Ansehen der Freien Universität Berlin geschädigt wird oder die Nutzung ihren Interessen entgegensteht“. Die Blogs auf der offiziellen Plattform sollen auch in der Lehre genutzt werden. Cedis führt bereits Dozenten in das Bloggen ein.

Die Humboldt-Uni ist noch in der Planungsphase für ein uniweites Blogsystem. Katrin Lányi vom Computer- und Medienservice rechnet „mit der Realisierung der ersten Blogs in zwei Monaten“. An der Technischen Universität ist momentan kein derartiges System geplant. Auch studentische Blogs, die sich mit Hochschulpolitik beschäftigen, gibt es nicht.

An der HU wird aber auch ohne zentrale Plattform gebloggt, am längsten am Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaften – bereits im August 2003 ging es dort los. Der ReferentInnenrat, wie der Asta an der HU heißt, hat noch keinen eigenen Blog. Studentische Vertreter der „Offenen Linken“ in den Unigremien hatten im vergangenen November einen Blog eingerichtet, in dem anfangs rege berichtet wurde: über die Diskussionen in den Gremien und über allgemeine Hochschulpolitik. Doch seit Anfang März herrscht Funkstille.

Eine Welle neuer studentischer Blogs könnte kommen, wenn die HU das zentrale Blogsystem im Sommer einführt. Doch laut Webmasterin Lányi ist noch nicht geklärt, wer anfangs überhaupt bloggen darf. Man würde die Blog-Plattform „gerne allen Uniangehörigen zur Verfügung stellen“, aber es gebe ein Problem mit den Datenmengen. „Eventuell wird der Blog zunächst nur den Funktionsträgern der Uni zur Verfügung stehen“, so Lányi. Der erste Blogger könnte Christoph Markschies sein. Der HU-Präsident wolle unbedingt seinen eigenen Blog, ist aus der Uni zu hören.

Die Blogs im Internet:

http://fu-blogs.de.vu (Sammlung studentischer Blogs)

http://blogs.fu-berlin.de (zentrales Blogsystem der FU)

www.lhg-berlin.com/fu/news/ (Liberale Hochschulgruppe)

http://astafu.blogsport.de/

www.fachschaftsinitiativen.de.vu http://hu-berlin.blogspot.com/ (HU-Studentengruppen)

www.unaufgefordert.de (HU-Studentenzeitung)

Fabian Reinbold

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