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HU-Präsident Jan Hendrik Olbertz.

© dpa

Humboldt-Uni: Rücktritt vom Rücktritt: HU-Präsident Olbertz im Interview: „Ich habe die Reißleine gezogen“

Jan-Hendrik Olbertz, Präsident der Humboldt-Universität, erklärt, warum er am Donnerstag für eine halbe Stunde zurückgetreten ist.

Herr Olbertz, Sie sind am Donnerstag eine halbe Stunde lang als Präsident der Humboldt-Universität zurückgetreten. Warum?
Dass es nur eine halbe Stunde war, hatte ich nicht vorausgesehen. Es war die Konsequenz aus einer Endlosdebatte über die Fakultätsreform, die uns seit Monaten lähmt. Die beschlossene Vorlage war schon eine Woche vorher in einen Vermittlungsausschuss gegangen, nachdem die wissenschaftlichen Mitarbeiter ein Gruppenveto eingelegt hatten. Die Studierenden waren ebenfalls gegen die Reform, hatten aber kein Veto eingelegt. Ich bat sie, sich den wissenschaftlichen Mitarbeitern anzuschließen, damit wir mit nur einem Vermittlungsausschuss auskommen. Sie wollten jedoch abwarten, wohl um später ihre eigene Bühne zu haben. Der Ausschuss hat sich dann, auch unter studentischer Beteiligung, auf eine neue Vorlage verständigt ...

... wonach die Reform zunächst ohne die Teile abgestimmt werden sollte, die die neuen Leitungsstrukturen betreffen.

Ja, und ich habe zugestimmt, damit wir vorankommen. Es gab aber auch, nicht nur von meiner Seite, den Hinweis, dass es den Präsidenten handlungsunfähig macht, wenn die Vorlage erneut und danach womöglich ein drittes Mal angehalten wird. Immerhin ist im Juli mit großer Mehrheit ein Grundsatzbeschluss über die Fakultätsreform gefasst worden. Jetzt ging es um die Umsetzung, die von zahlreichen Mitgliedern der Universität detailliert vorbereitet worden war. Als die Studierenden mit ihrem Veto gegen den Kompromissvorschlag eine weitere Runde drehen wollten, habe ich die Reißleine gezogen. Es war ein Ordnungsruf, der im Fall der Fälle meine letzte Pflicht gewesen wäre.

Warum haben Sie das Gruppenveto, das ja nur aufschiebende Wirkung hat, nicht einfach eine Sitzung später von der Mehrheit überstimmen lassen?

Es wäre würdelos gewesen, die Studierenden von Sitzung zu Sitzung langsam in die Knie zu zwingen und die Vorlage einfach mit der Mehrheit durchzustimmen. Ich wollte, dass die Studierenden ihre Freiheit verantwortungsvoll nutzen. Und sie hatten schon viel erreicht.

Die Studierenden scheinen nicht überzeugt. Verstößt es nicht gegen die demokratischen Sitten, sie mit dem Rücktritt unter den Druck der ganzen Uni zu setzen?

Ich wollte die Studierenden nicht unter Druck setzen. Sie haben mir später gesagt, dass sie an den Ernst der eingetretenen Konsequenz nicht geglaubt hätten. Wir haben uns noch während einer Auszeit heiter und unverkrampft unterhalten, und stehen uns auch jetzt nicht feindselig gegenüber.

Was wäre passiert, wenn die Studierenden ihr Veto nicht zurückgezogen hätten?

Dann hätte ich meinen Rücktritt ordnungsgemäß gegenüber dem Kuratorium erklärt. Es waren Verhältnisse eingetreten, unter denen ich meine Verantwortung nicht mehr hätte wahrnehmen können.

Ist die HU allzu demokratisch organisiert und darum kaum zu steuern?

Nein, es gibt kein Übermaß an Demokratie. Aber wir sollten unser Regelwerk so ändern, dass es die Spiellust mit formalen Regeln unterbindet. Ich bin absolut für den Minderheitenschutz und für das aufschiebende Gruppenveto. Aber wenn es nur zur Verzögerung eingesetzt wird, verliert es seinen guten Sinn.

Warum sehen auch die wissenschaftlichen Mitarbeiter die Reform so kritisch?

Das hängt mit der Angst zusammen, die ein Reflex auf den Mangel ist. Sie befürchten Stellenkürzungen. Hätten wir mehr Gewissheit bei unserer Grundfinanzierung, wäre das anders. Aber es wird gerade im nächsten Jahr einen harten Verteilungskampf geben, nicht zuletzt um Bundesmittel. Dafür müssen wir Reformfähigkeit beweisen und uns als exzellente Universität adäquat aufstellen.

Was verbessert sich aus Ihrer Sicht mit der Fakultätsreform?

Es geht darum, aus der Partikularisierung unserer Strukturen herauszukommen, die von vielen kleinen Instituten und Lehrstühlen geprägt ist. Dort ist die Neigung zur Selbstreproduktion groß, was schnell zu Stillstand führt. Es ist jetzt schon schwierig, zu übergreifenden Schwerpunkten oder strategischen Weichenstellungen zu kommen. Die Dynamik in der Wissenschaft verlangt aber, dass wir Schwerpunkte auch über Fächergrenzen hinweg setzen, unser Profil schärfen und flexibel bleiben.

Die Dekane und das Präsidium sollen in Zukunft gestärkt werden. Was wirkt an der jetzigen Organisation hemmend?

Auf Fakultätsebene gibt es meist nur wenige Gestaltungsspielräume. Die wichtigsten Entscheidungen werden in den kleinsten Einheiten getroffen und damit auch nur auf sie selbst bezogen. Das wird an der Humboldt-Universität seit vielen Jahren beklagt.

Über diesen Teil der Reform soll noch mal in einer Kommission gesprochen werden. Werden Sie Ihre Pläne umsetzen können?

Ja. In dieser Kommission geht es nicht mehr um die Grundfragen, sondern um Steuerungs- und Beteiligungsprozesse. Da muss nicht jede Einzelheit in meinem Sinn gemacht werden. Die Fakultäten sollen ja gerade mehr Raum bekommen, die Prozesse eigenverantwortlich zu regeln und auszugestalten.

Die Fragen stellte Anja Kühne.

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