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Schreihälse. Nicht immer bekommt derjenige Futter, der am lautesten schreit. Vogeleltern entscheiden eher rational, wer etwas zu fressen erhält.

© Shana M. Caro et al.; Nature Communications

Hungrige Küken: Wer bettelt, kriegt was – aber nicht in jedem Fall

Zuerst die Schwachen oder doch lieber die Fitten? Welche Küken von Vogeleltern gefüttert werden, hängt vom Nahrungsangebot ab.

Ein Wurm und drei aufgesperrte Schnäbel. Wer soll ihn bekommen? Die Reaktion der Vogeleltern sieht recht unterschiedlich aus, wie britische Biologen herausgefunden haben. Manche Vögel bevorzugen beim Füttern die schwächsten Küken, die auch am stärksten betteln. Andere dagegen füttern bevorzugt die Kräftigsten, auch wenn diese nur wenig betteln. Auf welche Signale die Eltern in welcher Form reagieren, hängt offenbar vom Nahrungsangebot des jeweiligen Brutgebiets ab, haben die Forscher festgestellt.

Bietet die Umgebung zuverlässig Nahrung in hoher Qualität, machen sich die bedürftigsten Küken am stärksten bemerkbar und erhalten eine Extraportion. Auf diese Weise kann die gesamte Brut überleben. Bei schlechten und langfristig unsicheren Bedingungen konzentrieren sich die Eltern auf die größten Küken. Damit nehmen sie in Kauf, dass ein Teil der Brut stirbt, vermeiden aber den vollständigen Verlust des Nachwuchses, erläutern Stuart West von der Universität Oxford und Kollegen im Fachblatt „Nature Communications”.

Wer den Schnabel weit aufreißt

Die Nestlinge, die am lautesten betteln und ihren Schnabel am weitesten aufreißen, wenn die Eltern im Nest erscheinen, müssen nicht immer auch die hungrigsten sein. Es wäre auch möglich, dass auf diese Weise gerade die Kräftigsten ihre gute Kondition kundtun, heißt es weiter. Diese Tiere hätten die Energie, ausdauernder als die anderen auf sich aufmerksam zu machen. Das meist als Betteln interpretierte Verhalten könnte also auch ein Qualitätssignal sein. Warum die Küken in manchen Fällen Bedürftigkeit und in anderen Fitness signalisieren und wieso die Eltern darauf so unterschiedlich reagieren, blieb bisher ungeklärt.

Die Forscher untersuchten, wie Vogeleltern und Küken miteinander kommunizieren. Dazu werteten sie 306 Veröffentlichungen aus, in denen über das Brutpflegeverhalten von 143 Vogelarten berichtet wird. Sie berücksichtigten auch Angaben über die Stabilität der Nahrungsversorgung und die Qualität der verfügbaren Nahrung.

Hunderte von Studien - kein allgemeingültiges Resultat

In einer Umwelt mit sicherem und qualitativ gutem Nahrungsangebot bettelten noch hungrige Küken am stärksten – und wurden öfter als die Geschwister gefüttert. In dieser Situation signalisieren die Küken also Bedürftigkeit, die gelindert wird. In weniger günstigen Brutgebieten reagierten die Eltern schwächer auf die typischen Bettelsignale. Stattdessen achteten sie beim Füttern auf körperliche Qualitätsmerkmale wie Größe oder Färbung und bevorzugten diejenigen mit den besten Überlebenschancen. In dieser Lage ist es für den Erhalt der Population vorteilhafter, wenn die Küken statt Bedürftigkeit ihre körperliche Fitness zum Ausdruck bringen.

Da erst jetzt erkannt wurde, dass das Verhalten bei der Brutpflege von den Umweltbedingungen abhängt, lasse sich auch erklären, warum Hunderte von Studien über das Betteln um Futter und die Reaktion der Eltern bisher zu keinem allgemeingültigen Ergebnis geführt haben, schließen die Forscher. (wsa)

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