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Große Kulisse. Das Theater von Didyma wurde am Apollon-Tempel entdeckt. Frühe Funde sind im Pergamonmuseum zu sehen. F: Mauritius

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Wissen: Hymnen auf Apollon

Deutsche Archäologen entdeckten ein antikes Theater im türkischen Didyma

Gesangswettbewerbe sind keine Erfindung des Privatfernsehens. Schon in der Antike gab es zahlreiche sogenannte musische Agone, bei denen es darum ging, sein Gesangstalent, seine Dichtkunst oder tänzerischen Ausdruck unter Beweis zu stellen. Die Feste waren in ganz Griechenland verbreitet. Die wohl bekanntesten, die Panathenäen, fanden jeden Sommer in Athen statt. Manche Teilnehmer müssen wahre Profis gewesen sein, sie stammten aus aller Herren Länder und reisten von einer Veranstaltung zur anderen in der antiken Welt.

Möglicherweise machten sie auch in Didyma Station, einem Heiligtum des Apollon in der heutigen Westtürkei, 120 Kilometer südlich von Izmir gelegen. Denn dort sind, wie das Deutsche Archäologische Institut (DAI) am Montag bekannt gab, deutsche Forscher in diesem Sommer auf Überreste eines Theaters gestoßen. Für die Archäologen löst sich damit ein langjähriges Rätsel. Denn seit langem sind Inschriften bekannt, die von Spielen zu Ehren des Gottes Apollon berichten. Doch Hinweise auf eine Spielstätte wurden erst jetzt entdeckt.

Bisher hatte man in Didyma nur ein Stadion ausgegraben, in dem wohl Sportwettkämpfe ausgetragen wurden. Das Musikfestival vermuteten die Wissenschaftler immer in der Stadt Milet, die etwa 17 Kilometer entfernt von Didyma liegt und selbst ein Theater besaß, das heute zu den berühmtesten Bühnenbauten der Antike zählt.

„Wahrscheinlich haben die sogenannten Didymäen alle vier Jahre stattgefunden“, schätzt Grabungsleiter Andreas Furtwängler von der Universität Halle, der sich noch in der Türkei aufhält. Die Jury, die über die Darbietungen zu urteilen hatte, setzte sich wahrscheinlich aus besseren Familien des nahen Milet zusammen, vermutet der Archäologe. Die Entdeckung des Theaters von Didyma war mehr oder weniger Zufall. Das Team um Furtwängler und Helga Bumke von der Universität Bochum erforscht die komplette Topografie des ehemaligen Heiligtums. Die Archäologen wollen die Standorte der Tempel für die einzelnen Gottheiten genau lokalisieren und zuordnen. „Bereits im vorigen Jahr sind wir dabei auf eine große runde Mauer gestoßen“, berichtet Ulf Weber, wissenschaftlicher Mitarbeiter. „Damals haben wir aber nicht gewusst, was das sein soll.“ Erst in diesem Sommer legten die Archäologen in drei Meter Tiefe steinerne Sitze frei, die sich in einem Rund krümmen und in den Hang gebaut wurden – ein untrügliches Zeichen für ein Theater. „Es muss ein römisches Theater gewesen sein“, sagt Weber, „wir datieren es auf das 1. bis 2. Jahrhundert nach Christus.“

Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatten Forscher Bauteile gefunden, wie sie typischerweise für Brunnenhäuser oder Portale verwendet werden. Aber auch für Bühnenhäuser, die wie ein Riegel vor dem Halbrund der Sitzreihen standen. Bisher konnte man diesen Fund nie zuordnen. Wenn sich herausstellt, dass er zur Theaterfassade gehörte, wird die Datierung noch eindeutiger. Eine Inschrift weist auf den römischen Kaiser Hadrian hin, der von 117 bis 138 n. Chr. regierte. Wer der Stifter des Baus war, ist bislang noch nicht bekannt. „Wir gehen davon aus, dass es jemand aus Milet war, dort gab es viele reiche Familien“, sagt Weber. Viele Schätze des Heiligtums vermuten die Forscher noch unter der Erde. Und so schnell werden sie auch nicht gehoben werden können. Denn an der Ausgrabungsstelle befindet sich ein Dorf, die Bebauung stammt aus dem 18. und 19. Jahrhundert.

„Wir nutzen zwar geophysikalische Methoden wie zum Beispiel Radaruntersuchungen, damit können wir Mauerreste unter der Erde aufspüren“, sagt Weber, aber ihr Alter könne man so nicht bestimmen. Dass viele der alten Häuser jedoch unbewohnt sind, einstürzen und das Erdreich wieder freigeben, erleichtert den Archäologen die Arbeit.

Franzosen, Engländer und Deutsche graben seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts an der Heiligstätte. Einige Funde, darunter Skulpturen, sind auch im Pergamonmuseum in Berlin zu sehen. Seit 1962 forscht das DAI in Didyma. Die Grabungen unter Furtwängler werden von der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und Künste finanziert.

Bislang war das Heiligtum vor allem für seinen großen marmornen Apollo-Tempel bekannt, der mit 60 mal 120 Metern Grundriss zu den besterhaltenen Tempeln der Antike zählt. Außerdem war es als Orakelstätte von regionaler Bedeutung bekannt, viele Privatleute pilgerten in der Antike dorthin und suchten Rat. Oft ging es einfach darum, ob man einer bestimmten Gottheit einen Altar oder Tempel bauen solle.

Die musischen Spiele müssten ein Versuch gewesen sein, den Ort zu einem Anziehungspunkt für Reisende aus ganz Griechenland zu machen, sagt Furtwängler. Ulf Weber glaubt, dass in Didyma das ganze Jahr über ein buntes Treiben geherrscht haben muss. Belegt ist etwa eine Prozession, die im Frühjahr von Milet nach Didyma veranstaltet wurde – mit Musik und Gesang und einigen Zwischenstopps an kleineren Kultstätten am Wegesrand.

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