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Wissen: In der Rush Hour des Lebens

Was bewegt 30- bis 40-Jährige?

Wohl niemals in der Menschheitsgeschichte konnten sich Menschen eine so lange Ausbildungsphase leisten wie die Bürger der Industrienationen heute. Und nie erlebten sie so viele Jahre im Ruhestand. Die Zeit dazwischen ist oft dicht gedrängt, „Rush Hour des Lebens“ werden die Jahre zwischen dem 30. und 40. Geburtstag von Forschern genannt. Neben dem Beruf steht vor allem die Frage der Familiengründung an.

In einem Forschungsprojekt wollen zwei Institutionen sich dieser Phase im Erwachsenenleben jetzt annehmen. „Fertilität und gesellschaftliche Entwicklung“ heißt das Projekt, das die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften und die Leopoldina in Halle bearbeiten. Es wird von der Jacobs-Stiftung mit 1,25 Millionen Euro gefördert.

Neue Daten wollen die Forscher – Demographen, Soziologen, Ökonomen, Mediziner und Historiker – nicht erheben. Die gibt es zu dieser Thematik in Hülle und Fülle. „Was dagegen noch weitgehend fehlt, ist die methodenkritische Reflexion dieses Materials“, sagt Günter Stock, Präsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie. Eine der wichtigsten Fragen der Forscher: Gibt es tatsächlich heute bei einer nennenswerten Zahl von jungen Menschen einen individuellen Kinderwunsch, der aufgrund der berühmten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen auf der Strecke bleibt? Und: Welche psychologischen Mechanismen stehen eigentlich dahinter, wenn man ein Leben mit oder ohne Kind bevorzugt?

Die Jacobs-Stiftung fördert bereits die Arbeit der Akademiengruppe „Altern in Deutschland: Chancen einer alternden Gesellschaft“. Eine der wichtigsten Botschaften: Altern ist ein individueller Prozess. Nun möchten die Forscher den individuellen Entscheidungsprozessen in einer früheren Phase nachspüren. Es ist die Phase, in der junge Frauen oft das Gefühl beschleicht, die berühmte „biologische Uhr“ ticke immer vernehmlicher. Wenn in Deutschland die Geburtenrate heute niedriger liegt als in Frankreich, liegt das nicht daran, dass hierzulande die Frauen spät mit dem Kinderkriegen beginnen würden. Bei genauer Betrachtung fällt eher auf, dass sie schon bald wieder damit aufhören. Französinnen bekommen heute deutlich häufiger ein zweites oder drittes Kind – und das im etwas höheren Alter. „Sind wir in Deutschland da noch zu ängstlich?“, fragt Stock. Eine Frage nicht zuletzt an die Reproduktionsmedizin. Die Wissenschaftler sind zuversichtlich, dass die Ergebnisse ihres Nachdenkens in Öffentlichkeit und Politik Gehör finden werden. aml

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