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Voll konzentriert. Mädchen lesen besser, Jungen liegen in Mathe vorn. Doch die Unterschiede sind nach Aussage der Bildungsforscher nicht allzu groß.

© Kitty Kleist-Heinrich

Internationale Grundschulstudien: Mehr Lust auf Schule

Deutsche Grundschüler sind in allen Fächern motivierter. Doch die Risikogruppe bleibt groß und Spitzenleistungen bringen zu wenige Kinder - das ist das Ergebnis der neuen Grundschul-Studien Iglu und Timss.

Grundschüler in Deutschland lesen sehr gerne, ihre Motivation ist in den vergangenen Jahren sogar gestiegen. Insgesamt liegen ihre Leistungen im internationalen Vergleich im oberen Drittel. Das sind Ergebnisse der beiden großen internationalen Grundschulstudien Iglu und Timss, die am Dienstag in Berlin vorgestellt wurden. Bei Iglu (Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung) wurde die Lesekompetenz geprüft, bei Timss (Trends in International Mathematics and Science Study) ging es um Mathematik und Naturwissenschaften. Getestet wurden Viertklässlerinnen und Viertklässler in über 50 Ländern, in Deutschland nahmen 4241 Schülerinnen und Schüler aus 198 Schulen teil. Die Ergebnisse im Überblick:

LESEN

Im Lesen liegen die deutschen Grundschüler deutlich über den Mittelwerten für den internationalen und den EU-weiten Vergleich (siehe Grafik). Trotz der vermehrten Lust aufs Lesen haben sich die deutschen Viertklässler gegenüber früheren Iglu-Studien aber nicht weiter verbessert. Im Vergleich zu 2006 sinkt der Mittelwert sogar um sieben Punkte, die Leistungen entsprechen jetzt wieder „in etwa dem Leistungsniveau von 2001“. Andere Staaten haben zugelegt, darunter die USA, die 2006 hinter Deutschland standen.

Wenig verändert im Vergleich 2001hat sich in Deutschland auch das Bild bei den Leistungsschwachen und -starken. 15,4 Prozent der Schülerinnen und Schüler erreichen nicht die Kompetenzstufe III und werden somit in der Sekundarstufe I erhebliche Schwierigkeiten in allen Fächern bekommen, sagen die Forscher. Gleichwohl erreichen nur wenige Länder einen besseren Wert. Umgekehrt werden immer noch sehr wenige Kinder in die Leistungsspitze geführt: Nur 9,5 Prozent erreichen die höchste Kompetenzstufe V. In Russland, England oder auch Ungarn lesen dagegen 12,2 bis 19,3 Prozent der Schüler auf einem so hohen Niveau.

In Deutschland erklärt nur jedes neunte Kind, „nie oder fast nie außerhalb der Schule zu seinem Vergnügen zu lesen“. 2001 war es noch jedes sechste. Laut der Studie kommen Schüler mit literarischen Texten besser zurecht als mit Sachtexten.

MATHE/NATURWISSENSCHAFTEN

Konstante Leistungen, aber keine Verbesserungen: Das gilt auch für Mathematik und Naturwissenschaften, wo Timss-Ergebnisse von 2007 und 2011 verglichen wurden. In Mathematik verzeichnet die neue Studie immerhin bessere Ergebnisse in Geometrie/Messen und beim Umgang mit Daten. Auch hier gehen die Schüler größtenteils positiv eingestellt in den Unterricht, wobei Mathematik von allen Fächern noch am unbeliebtesten ist. Aber auch dazu hat nur jedes sechste Kind eine „niedrig positive“ Einstellung.

Deutlich größer als beim Lesen ist die Gruppe der Risikoschüler: 19,3 Prozent erreichen in Mathe nicht die Mindestanforderungen, in den Naturwissenschaften sind es 22 Prozent. Spitzenleistungen erzielen in Mathe 5,2 Prozent, in den Naturwissenschaften 7,1 Prozent. „Deutschland vergeudet hier Talente“, warnen die Forscher. Die Kultusminister wollen die Leistungsspitze nun stärker fördern, kündigte der Hamburger Schulsenator und KMK-Präsident Ties Rabe an. In Singapur, das fast durchgehend führend ist, liegt die Spitzengruppe bei 35,9 Prozent.

Wie die Migranten in Deutschland abschneiden

Voll konzentriert. Mädchen lesen besser, Jungen liegen in Mathe vorn. Doch die Unterschiede sind nach Aussage der Bildungsforscher nicht allzu groß.
Voll konzentriert. Mädchen lesen besser, Jungen liegen in Mathe vorn. Doch die Unterschiede sind nach Aussage der Bildungsforscher nicht allzu groß.

© Kitty Kleist-Heinrich

Kinder aus Zuwandererfamilien holen auf, „sie sind die Gewinner“, betonen die Forscher. Das gilt vor allem in Mathematik und den Naturwissenschaften. Dort haben sich Kinder mit einem Elternteil aus dem Ausland in den vergangenen vier Jahren um je 15 Punkte steigern können. Im Lesen gibt es zwischen 2006 und 2011 keine Unterschiede. Die Forscher heben hervor, dass nur 0,8 Prozent der getesteten Schüler überhaupt kein Deutsch zu Hause sprechen. Zumindest die Geschwisterkinder würden untereinander meistens Deutsch sprechen. Insgesamt bleibt der Abstand von Kindern, deren Eltern beide im Ausland geboren wurden, aber groß: In allen Bereichen macht die Differenz zu Kindern mit deutschen Eltern rund 40 Punkte, also fast ein Schuljahr, aus. In den Niederlanden, England und Frankreich, wo ähnlich viele Zuwanderer wie in Deutschland leben, sind die Leistungsunterschiede deutlich geringer.

SOZIALE FAKTOREN

In Deutschland hängt der Schulerfolg im internationalen Vergleich überdurchschnittlich von der sozialen Herkunft ab: Dieser Befund aus früheren Studien bestätigt sich. Bei Iglu und Timss sind Schüler aus bildungsnahen Familien rund ein Lernjahr voraus. Signifikant größere soziale Unterschiede gibt es nur in wenigen Ländern wie Rumänien und Ungarn. In Deutschland hat so das Kind eines Professors bei gleicher Leistung und Intelligenz eine 3,4-fach höhere Chance aufs Gymnasium zu kommen als das Kind eines Facharbeiters. „Tendenziell hat sich die Chance für die Gymnasialpräferenz für Kinder aus oberen Schichten sogar eher vergrößert“, heißt es in der Iglu-Studie.

Die Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen

Voll konzentriert. Mädchen lesen besser, Jungen liegen in Mathe vorn. Doch die Unterschiede sind nach Aussage der Bildungsforscher nicht allzu groß.
Voll konzentriert. Mädchen lesen besser, Jungen liegen in Mathe vorn. Doch die Unterschiede sind nach Aussage der Bildungsforscher nicht allzu groß.

© Kitty Kleist-Heinrich

Deutschland gehört wieder zu den Ländern, in denen es Unterschiede zwischen den Leistungen der Mädchen und Jungen gibt. Am leicht besseren Abschneiden der Schülerinnen in Lesetests hat sich ebenso wenig geändert wie an ihren etwas schlechteren Leistungen in Mathematik und Naturwissenschaften. Doch mit acht Punkten ist der Lesevorsprung der Mädchen in Deutschland der Iglu-Studie zufolge „als sehr gering einzuschätzen“. Dass sie „nie zum Vergnügen lesen“, geben hierzulande sechs Prozent der Mädchen, aber 16 Prozent der Jungen an. Mit Israel, Spanien und Frankreich gibt es auch Länder ohne Unterschiede. In Mathe und Naturwissenschaften beträgt der Unterschied acht beziehungsweise 12 Punkte. Dass diese Differenz nicht naturgegeben ist, zeigt der Blick nach Russland, wo Mädchen in Mathe und Naturwissenschaften besser abschneiden als Jungen.

RAHMENBEDINGUNGEN

Fast die Hälfte der Viertklässler geht auf eine Ganztagsschule, deutlich mehr als früher. Allerdings würden viele Ganztagsschulen Schüler nicht gezielt fördern, kritisieren die Forscher. So unterscheiden sich die Förderangebote zu den Halbtagsschulen kaum. Tatsächlich erhalten nur 10,7 Prozent der Schüler im Lesen Förderunterricht, während eigentlich 23,1 Prozent diesen bräuchten. Auffällig ist, dass ein Viertel im Fach Deutsch von Lehrkräften unterrichtet wird, die in den vergangenen zwei Jahren keine Fortbildung zum Leseunterricht erhielten. Im Sachunterricht könnten Weiterbildungen dazu beitragen, dass Lehrer „souveräner mit digitalen Medien umgehen“, heißt es. Einfach mehr Computer anzuschaffen, reiche nicht aus.

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