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Lebensfeindlich. Die Protagonisten in "Interstellar" suchen eine neue Heimat für den Menschen. Nach wilder Reise durch ein Wurmloch gelangen sie auf einen Eisplaneten.

© picture alliance / dpa

"Interstellar" im Faktenchek: Bis an die Grenzen der Physik

Wurmlöcher, Zeitreisen und Tiefschlaf für Astronauten auf einem Langstreckenflug. Der Film "Interstellar" zeigt eine abenteuerliche Zukunft. Was ist möglich - und was nicht?

Der Menschheit droht der Exitus, darum suchen ein paar Auserwählte nach einem neuen Heimatplaneten, in einer fernen Galaxis. Mit diesem Plot begeistert Christopher Nolans „Interstellar“ derzeit das Publikum. Für die abenteuerliche Reise mussten die Macher viel Fantasie aufbringen, schließlich schafft es die Menschheit im Jahr 2014 nicht einmal bis zum Mond, geschweige in andere Sternensysteme. Wie viel science und wie viel fiction steckt in „Interstellar“? Auskunft darüber gibt unter anderem Bernard Schutz. Er war bis zu seiner Emeritierung im August Direktor am Potsdamer Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik und hat seine Promotion bei Kip Thorne angefertigt, Forscher am California Institute of Technology und wissenschaftlicher Berater des Films.

Die Szenarien im Einzelnen:

Interstellare Reise durch ein Wurmloch

Mit diesem Begriff werden Abkürzungen in der Raumzeit bezeichnet, einer vierdimensionalen Struktur. Das ist für uns Menschen, die nur drei Dimensionen kennen, schwer vorstellbar. Helfen kann folgende Analogie, die auch im Film verwendet wird: Zeichnet man auf einem Blatt Papier zwei Punkte, ist die kürzeste Entfernung eine gerade Linie. Faltet man das Blatt, kommen sich die Punkte viel näher, der Weg zwischen ihnen wird kürzer.

Thorne hat viel zu theoretischen Voraussetzungen für Wurmlöcher gearbeitet, gefunden hat sie aber noch niemand. Sie gelten als hochspekulativ. „Um sie zu erzeugen, benötigt man negative Energie“, erläutert Schutz. In der klassischen Physik gebe es diese nicht, in der Quantenphysik sehe das schon anders aus. „Schaut man sich ein Quantenfeld genauer an, gibt es dort winzige Fluktuationen, die negative und positive Energie haben.“ Doch nach wie vor gibt es eine Mauer zwischen der Physik der Nanowelt und der uns vertrauten Makrowelt. Um ein Wurmloch zu bauen, müsste man die negative Energie irgendwie einsammeln und zusammen bringen, sagt Schutz. „Keiner weiß, wie das gehen könnte. Und vor allem, ob wir so ein Wurmloch beherrschen könnten.“ Er hält es aber nicht für ausgeschlossen, dass das in Zukunft einmal möglich sein könnte.

Expedition ins Schwarze Loch

Der Filmheld Cooper fliegt mit seinem Raumschiff in ein Schwarzes Loch. Nach allem, was bisher bekannt ist, bedeutet das den sicheren Tod. Wobei sich Physiker darüber streiten, ob ein Astronaut verbrennt oder zerfetzt wird. Cooper ist aber erstaunlich fit, weil Nolan und Thorne kräftig am Geländer der Theorie zerren. Nun soll hier die Handlung nicht zu sehr ausgebreitet werden. Nur so viel: Weitere Dimensionen und die negative Energie, die für das Wurmloch nötig ist, könnten auch benutzt werden, um den gewaltigen Kräften im Schwarzen Loch etwas entgegenzusetzen, sagt Schutz. Auch hier gelte, dass das Szenario spekulativ sei, aber nicht ausgeschlossen sei, dass es so funktionieren könnte.

Informationen werden in die Vergangenheit verschickt

In der klassischen Physik sind das Versenden von Botschaften oder gar Reisen in die Vergangenheit unmöglich. Leidlich bekannt ist das Gedankenspiel, wonach es sonst möglich wäre, seine eigene Mutter in ihren Jugendjahren zu ermorden – was die Frage aufwirft, wer dann den Zeitreisenden gebar. Aber auch hier gibt es ein Schlupfloch in den Theorien jenseits der Standardphysik. „Wenn man Wurmlöcher schaffen kann, könnte man auch in der Zeit zurückreisen“, fasst Schutz die Überlegungen von Kip Thorne und Stephen Hawking zusammen, die sich daran abgearbeitet haben. Dahinter steckt der Gedanke, dass Wurmlöcher verschiedene Punkte in der Raumzeit miteinander verbinden können und damit Reisen in die Vergangenheit ermöglichen – wo es zu oben genannten Paradoxien käme. „Darum wollte Hawking diese Möglichkeit gern ausschließen, doch es gelang ihm nicht.“

Schutz betont, dass „Interstellar“ viele Themen berühre, die er und seine Fachkollegen bearbeiten. Ihr Ziel ist es, eine umfassende Theorie zu finden, in der die Phänomene der Quantenwelt und des makroskopisch sichtbaren Universums zusammengeführt werden. „Wenn wir diese Theorie hätten, könnten wir klar sagen, was möglich ist und was nicht“, sagt Schutz. „Aber solange das nicht gelingt, gibt es noch einen großen Spielraum – und den nutzen die Macher des Films aus.“

Auf einem der fernen Planeten vergeht die Zeit extrem langsam

Verglichen mit den Szenarien, die sich auf bislang unbewiesene Theorien stützen, ist die Zeitverzögerung schon fast ein vertrautes Phänomen. Cooper landet auf einem Planeten, der sich sehr nah an einem Schwarzen Loch befindet. Eine Stunde dort entspricht sieben Jahren jenseits des Planeten. Tatsächlich vergeht Zeit langsamer, je näher man einer großen Masse kommt, zeigen Experimente.

Astronauten verbringen lange Flugzeiten in einem Tiefkühlschlaf

Dahinter steckt die Idee, den Stoffwechsel herunterzufahren. So werden weniger Atemluft und Nahrungsmittel verbraucht. Vermutlich hilft der kollektive Schlaf auch gegen Langeweile und Gruppenkoller. Tatsächlich wird das in Hinblick auf eine Marsmission erforscht. Nur sollten die Astronauten nicht einfach in eine Kühlzelle steigen, denn dann drohen schwere Organschäden, warnt Jürgen Bereiter-Hahn von der Universität Frankfurt (M.), der an einem „Winterschlafprojekt“ der Raumfahrtagentur Esa beteiligt ist.

Zuerst müsse der Stoffwechsel gezielt heruntergefahren werden, weiterhin müsse sichergestellt sein, dass die Organe geschützt sind. Bereiter-Hahn zufolge ist das derzeit noch nicht möglich, aber es gebe vielversprechende Ansätze, mit bestimmten Hormonen den Körper in so einen Ruhemodus zu versetzen. „Ich halte es für realistisch, dass wir in 20, 30 Jahren diese Verfahren nutzen können“, sagt der Biologe.

Ein Planet voller Eis

Die Crew besucht einen Planten, dessen Oberfläche völlig vereist ist. Gut möglich, beispielsweise haben Planeten wie Jupiter und Saturn auch Eismonde. Womöglich bergen sie in unterirdischen Flüssigkeitsreservoirs sogar Leben. Der Frostplanet im Film hat zudem Wolken aus festem Eis. Wie sich diese gegen die Schwerkraft behaupten, ist jedoch rätselhaft.

Die Erde versinkt im Staub

Ebenfalls unlogisch sind die Szenen auf der Erde, wo ständig Staubstürme wüten und alles und jeden mit feinem Sediment bedecken. Um so viel Material in die Luft zu bringen, braucht es neben Wind riesige unbewachsene, sandige und trockene Flächen. Gezeigt werden jedoch endlose Maisfelder. Vielleicht kommt der Staub ja aus einem Wurmloch.

Für alle, die es ganz genau wissen wollen, hat Kip Thorne ein Buch geschrieben: „The Science of Interstellar“, im Internet zu kaufen für rund 20 Dollar.

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